Buxtehude. Hersteller aus Hamburger Umland profitiert von Corona und plant Millioneninvestition. Auch Manuel Neuer besitzt ein Exemplar.
Die Strandkörbe zwischen Sand und Syltgras auf der Freifläche des Unternehmens sind alle schon verkauft – ungewöhnlich für diese Zeit. Aber in diesem Jahr ist vieles ganz anders für die Strandkorbmanufaktur Buxtehude. Ob der Einsitzer List oder das Top-Modell Kampen aus Teakholz – bei allen Modellen der Ausstellungsfläche klebt ein rotes Verkauft-Schild auf den Polstern. Probesitzen können neue Kunden noch, aber die eigentlichen Besitzer warten schon auf die Anlieferung. Dafür gibt es dann einen Rabatt. „Ein solches Geschäftsjahr werden wir so schnell nicht noch mal erleben“, sagt Kay Gosebeck, Seniorchef der Strandkorbmanufaktur in Buxtehude. „Über 5000 Strandkörbe werden wir in diesem Jahr ausliefern.“ Das ist absoluter Rekord in der 16-jährigen Firmengeschichte.
Noch im März hätte sich das Gosebeck nicht vorstellen können. „Ich war schockiert, als ich den Anruf bekam, dass wir unser Geschäft wegen der Corona-Pandemie schließen müssen“, sagt er. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Betrieb, dessen Ausstellungsräume im Schnitt nur 30 Kunden pro Tag aufsuchen, so behandelt würde wie das Modehaus Stackmann, ein Uhrmacher oder auch eine Gaststätte in Buxtehude. „Für mich brach eine Welt zusammen, denn in den Monaten März, April und Mai machen wir den größten Teil unseres Jahresumsatzes.“ Er dachte an Kurzarbeit und Entlassungen.
Strandkörbe: Nach dem Lockdown kam es anders als befürchtet
Fünf Monate später hat er gerade ein Grundstück neben seinem Betrieb an der B 73 im Gewerbegebiet Övelgönne gekauft und eine millionenschwere Investition angeschoben. Noch im August sollen die Bauarbeiten beginnen. Rund 1,2 Millionen Euro investiert das Familienunternehmen. Auf einem 3000 Quadratmeter großen Grundstück entsteht bis Jahresende eine weitere Halle mit einer Fläche von 1500 Quadratmetern. „In die neue Saison können wir so besser aufgestellt starten“, sagt Gosebeck. Die besonders gefragten Modelle können dann auf Vorrat produziert werden, um wieder zu den früheren Lieferzeiten von zwei Wochen zurückzukehren. Im Moment müssen die Kunden zwölf Wochen auf ihren Strandkorb warten. Auch wenn die Nachfrage sicher nicht so außergewöhnlich hoch wie in diesem Jahr bleiben wird, so wächst doch das Geschäft stetig, seit das Familienunternehmen 2014 den neuen Standort bezogen hat. „Wir sind einer der größten deutschen Hersteller hochwertiger Teak- und Mahagoni-Strandkörbe“, sagt Gosebeck.
Nach dem Lockdown kam alles ganz anders als der Seniorchef befürchtet hatte. Die Kunden bestellten im Internet in einem Ausmaß, wie es das Unternehmen noch nicht erlebt hatte. Täglich 4000 Zugriffe auf die Unternehmensseite, statt wie üblich 1500. Auch das Telefon stand nicht mehr still. „Immer wieder hörte ich: Wir wollten nach Italien oder Spanien, aber das wird nichts, deshalb machen wir uns jetzt den Garten schön“, berichtet Gosebeck. Nach sechs Wochen, Ende April, konnte auch die Verkaufsfläche wieder geöffnet werden. Da bildeten sich dann Schlangen vor der Tür. Denn längst nicht alle wollen eine Anschaffung im Wert von 2000 bis 3000 Euro über das Internet abwickeln. Anfang Mai war der Umsatz des Vorjahres schon erreicht. In diesem Jahr rechnet die Strandkorbmanufaktur Buxtehude mit einer Verdoppelung des Umsatzes.
Gosebeck hat viel Geld in Online-Marketing und Internetauftritt investiert
In den vergangenen Jahren hatte die Firma viel Geld in das Online-Marketing und den Internetauftritt investiert. Der Seniorchef war nicht immer überzeugt, ob sich diese hohen Beträge auch wirklich auszahlen würden. „Doch jetzt hat sich gezeigt, dass die beiden jungen Mitarbeiter, die diese Strategie konsequent verfolgt haben, recht hatten. Das hat sich doppelt und dreifach ausgezahlt“, räumt der Seniorchef offen ein. Er ist stolz auf seine Belegschaft, die die Herausforderungen in diesem Jahr so gut meistert. Normalerweise können die Beschäftigten ab Mitte September Urlaub machen. In diesem Jahr müssen sie noch bis in den Oktober hinein arbeiten. Denn rund 1100 Strandkörbe müssen bis dahin noch ausgeliefert werden. Um die vielen Bestellungen abzuarbeiten, wurden zehn neue Mitarbeiter eingestellt, darunter auch Studenten. Die Belegschaft zählt jetzt mehr als 50 Mitarbeiter. Seit dem Umzug an den neuen Standort 2014 ist die Beschäftigtenzahl um rund 60 Prozent gestiegen.
Die Kunden können sich einen Strandkorb wie ein Auto konfigurieren. Die Modelle kosten zwischen 800 und 3000 Euro. Grundbausteine sind Holzart, Geflecht und Stoff. „Wir verarbeiten nur Harthölzer aus zertifiziertem Anbau, also Mahagoni mit Bootslack oder Teak, klassisch geölt. Teak ist dichter und härter und wird inzwischen von rund 70 Prozent der Kunden gewählt“, sagt Gosebeck. Bei den Stoffen stehen knapp 100 zur Auswahl. Grau- und Brauntöne sind besonders gefragt. Dazu kommen Extras wie seitliche Bullaugen, Flaschenhalter, Notebooktisch oder einem Komfort-Duo-Lifter. Mithilfe dieser Gasdruckfeder lassen sich die Premiummodelle problemlos mit einer Hand in der Neigung verstellen.
Witterungsbeständiges Polyethylen-Geflecht
Aus den traditionellen Materialien Rohrbast oder Peddigrohr entstehen die Strandkörbe nicht mehr. „Wir verwenden ein Polyethylen-Geflecht, das sehr witterungsbeständig ist und verschiedene Farbschattierungen und Maserungen ermöglicht“, sagt Gosebeck. Für die Flechtarbeiten hat das Unternehmen einen Produktionsstandort in Cirebon in Indonesien. Die Fertigung der Strandkörbe erfolgt etwa je zur Hälfte in Handarbeit in Cirebon und in Buxtehude. Im nächsten Jahr bringt die Firma ein neues Modell auf den Markt, den Buxtehuder Stilkorb. Der Unterschied zu den bisherigen Modellen liegt im Geflecht. „Wir nutzen ein Material, wie es auch für Schiffstaue verwendet wird“, sagt Gosebeck. Ein Muster steht schon im Verkaufsraum. Das Geflecht wirkt filigraner als bei den Körben aus Polyethylen.
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Die besten Werbeträger des Unternehmens sind seine prominenten Kunden wie Dieter Bohlen, Helene Fischer und viele Fußballstars wie Manuel Neuer. Demnächst will sich Komiker Atze Schröder einen Strandkorb aussuchen.
Auch Gosebecks Konkurrenten melden gute Geschäfte
Kay Gosebeck ist in dem Geschäft mit Strandkörben im Vergleich zu seinen Konkurrenten eher ein Newcomer. Bundesweit gibt es eine gute Handvoll Hersteller, die zumeist auf eine lange Tradition zurückblicken können. So reicht beispielsweise die Geschichte des Strandkorbherstellers Eggers aus Mölln bis ins 18. Jahrhundert zurück. Der Familienbetrieb wurde bereits 1772 gegründet und stellt heute rund 2000 Strandkörbe im Jahr her. Gut läuft das Geschäft auch bei der Firma Eiderstädter Strandkörbe, die auf ihrer Internetseite aber auch auf Wartezeiten verweist. In der kleinen Manufaktur wird jeder Korb als Einzelstück gefertigt, auf Wunsch auch mit Sitzheizungen oder Beleuchtung.
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Der Hersteller Müsing aus Bielefeld mit der Marke Sonnenpartner hat bisher vor allem Fachhändler mit seinen gediegenen Modellen beliefert, jetzt aber auch das Angebot im Internet ausgebaut. Die Strandkörbe gibt es auch beim Versandhändler Otto, wochenlange Wartezeiten inklusive. Die Branche wurde von der Nachfrage einfach überrannt.
Firmengründer Kay Gosebeck, der die Geschäfte bereits an seinen Sohn Nils übergeben hat, hat sich schon häufiger vorgenommen etwas kürzer zu treten. Immer kam etwas dazwischen. Der jüngere Sohn Torben hat seine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation inzwischen beendet und kümmert sich jetzt im Unternehmen um Spedition und Verkauf. Die Ehefrau des Seniorchefs Gabriele organisiert das Büro. Im nächsten Jahr will er dann seinen Vorsatz auch wirklich umsetzen und sich zurückziehen. Dann ist auch die Erweiterung der Firma abgeschlossen.