Hamburg. Ein Negativrekord: 91.140 Hamburger sind derzeit ohne Job. Was der Chef der Arbeitsagentur für die nächsten Monate erwartet.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sorgen am Hamburger Arbeitsmarkt für einen Negativrekord, den es lange nicht gegeben hat. Erstmals seit anderthalb Jahrzehnten hat die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg die Marke von 90.000 übersprungen. Im Juli lag die Zahl der Jobsuchenden bei 91.140. Von Juni auf Juli stieg die Zahl der Arbeitslosen um 3365 Personen. Die Arbeitslosenquote in der Hansestadt kletterte um 0,3 Prozent auf 8,5 Prozent.

„Der Arbeitsmarkt spürt nach wie vor die Auswirkungen der Pandemie“, sagt Reinhold Wellen, Geschäftsführer operativ der Agentur für Arbeit. Zuletzt registrierte die Agentur im Januar 2005 bei der Einführung von Hartz IV einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 90.000. Damals zählte man 90.035 Jobsuchende. Die bisher höchste Arbeitslosigkeit seit 1950 in Hamburg gab es im Februar 1952 mit 110.800 Personen.

Arbeitslose in Hamburg: Es gibt auch ermutigende Zeichen

Wird es noch in diesem Jahr mehr als 100.000 Arbeitslose in Hamburg geben? So weit will Wellen nicht gehen. „Darüber zu spekulieren, wäre zu früh“, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. „Es gibt auch ermutigende Zeichen, dass es so schlimm nicht kommen muss.“ Zwar kamen in diesem Monat rechnerisch, also nach Abzug der Abgänge, so viele Arbeitslose neu in die Statistik wie bereits im Juni. „Doch von Juni auf Juli sehen wir immer einen saisonalen Anstieg der Arbeitslosigkeit und in diesem Monat sind es nur 600 mehr als üblich“, sagt Wellen.

„Außerdem haben wir die gravierenden Zahlen aus den Monaten Mai und April deutlich hinter uns gelassen.“ Vom April zum Mai 2020 stieg die Arbeitslosigkeit mit 6908 Personen etwa doppelt so stark an wie jetzt, von Februar bis April sogar um fast 11.000 Menschen.

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Weniger Anträge auf Kurzarbeit in Hamburg

„Den zweiten Monat in Folge sehen wir auch einen leichten Zuwachs an freien Stellen, die uns von den Unternehmen gemeldet werden“, sagt Wellen. Rund 9100 Jobs könnten sofort neu besetzt werden. Der Arbeitsmarkt bewege sich also in kleinen Schritten in die richtige Richtung.

Auch bei der Kurzarbeit sieht Wellen Hoffnung. Im Juli gab es 174 neue Anzeigen auf Kurzarbeit, die sich auf rund 2900 Beschäftigte beziehen. Im Juni waren es noch über 800 Anträge. Seit Beginn der Corona-Pandemie Mitte März bis Juli summieren sich die Kurzarbeitsanträge auf 24.063 Anzeigen mit rund 367.000 Beschäftigten.

Von Kurzarbeit betroffene Branchen in Hamburg:

  • Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz: 4592 Anzeigen
  • Immobilien, freiberuflicher, wissenschaftlicher und technischer Dienst: 3423
  • Gastgewerbe: 3306
  • Sonstige Dienstleistungen, priv. Haushalte: 2333
  • Gesundheitswesen: 2081
  • Baugewerbe: 1245
  • Verarbeitendes Gewerbe: 1120

Talsohle auf dem Hamburger Arbeitsmarkt erreicht? Unklar

„Aber aus Erfahrung wissen wir, dass die tatsächlich abgerechnete Kurarbeit dann geringer ausfallen wird“, sagt Wellen. Betroffen sind vor allem Arbeitnehmer in den Branchen Handel, Gastronomie und Dienstleistungen.

Auch bei der Beschäftigungslage insgesamt wurde die Millionengrenze nach unten noch nicht durchschritten. Insgesamt gibt es in Hamburg 1.000.600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. „Ob wir mit all diesen Hoffnungszeichen die Talsohle auf dem Hamburger Arbeitsmarkt erreicht haben, bleibt offen“, so Wellen.

Ausbildungsplätze: 3000 Jugendliche suchen noch eine Lehrstelle

Auf Sicht eines Jahres haben sich aber die Daten am Hamburger Arbeitsmarkt aber deutlich verschlechtert. Zum Vorjahresmonat Juli 2019 nahm die Zahl der Jobsuchenden um rund 24.000 Hamburger zu. Das ist ein Anstieg um 35 Prozent. Allein im Juli verloren 7224 Erwerbstätige ihren Job, das sind fast zehn Prozent mehr als im Vormonat.

Aktuell suchen noch rund 3000 Jugendliche eine Lehrstelle. Das Ausbildungsjahr beginnt am 1. August. Rein rechnerisch sind noch 3800 Lehrstellen verfügbar, meldet die Arbeitsagentur. Aber insgesamt wurden in diesem Jahr 13 Prozent weniger Ausbildungsplätze von den Firmen angeboten als 2019. Das zeigt sich auch an den neuesten Zahlen von Handels- und Handwerkskammer, die einen kräftigen Einbruch bei den abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen verzeichnen.

Danach wurden bei der Handelskammer 21 Prozent weniger Lehrverträge als im Vorjahr abgeschlossen und bei der Handwerkskammer 17 Prozent. Beide Kammern versichern aber, dass es noch ausreichend Lehrstellen gibt. „Kein Bewerber muss fürchten, dass eine Bewerbung nach dem 1. August keinen Sinn mehr hat“, sagt Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann. Denn die Kammern und die Betriebe haben einen gestreckten Ausbildungsstart bis in den Herbst hinein möglich gemacht.