Hamburg. Wann und wo das erste Tattoo-Studio eröffnet, steht schon fest. Tattoo-Branche sieht den Vorstoß des Stifte-Herstellers skeptisch.

Beim Markennamen Edding denken wohl die meisten an dicke Filzstifte, mit denen man nicht nur auf Papier, sondern auch auf Metall, Plastik und sogar auf Stein schreiben kann. „Permanent Marker“ ist der Fachbegriff dafür. Jetzt hat sich das in Hamburg gegründete Familienunternehmen eine neue Oberfläche für den bleibenden Farbauftrag vorgenommen: die Haut.

Edding, bislang nur mit einem Hautmarker auf dem Markt, steigt in den Tattoo-Markt ein – mit eigenen Tattoo-Farben und mit eigenem Studio. Am 1. Oktober eröffnet Edding Tattoo im Chilehaus in der Hamburger Innenstadt.

Edding – Stifte, Nagellack und Tattoos

„Die Eröffnung eines Edding-Tattoo-Studios mag zunächst verwundern“, sagte Vorstandschef Per Ledermann bei der Vorstellung des Projekts am Mittwoch. Das Unternehmen, das heute in Ahrensburg sitzt, ist schon länger auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. So hat Edding außer Stiften und Markern auch Druckerpatronen und Farbspray­dosen im Programm. Vor drei Jahren hatte der börsennotierte Farbspezialist mit einem Jahresumsatz von mehr als 140 Millionen Euro sich mit der Einführung einer eigenen Nagellack-Linie erstmals in den Kosmetikbereich gewagt. Jetzt wird Edding zum Tätowierer.

Fünf Jahre hat die Entwicklung der neuen Tattoo-Marke „Made in Germany“ gedauert. Das Ziel: Alle EU-Gesetzesregeln, auch die für die Zukunft angekündigten, sollen erfüllt werden. „In Anbetracht der jahrhundertelangen Tradition und der vielen exzellenten Künstler, die dieses Kunsthandwerk bis heute prägen, haben wir uns dem Thema mit viel Respekt genähert“, sagte der Edding-Geschäftsführer.

Er ist der Sohn von Volker Detlef Ledermann, der die Firma 1960 mit Carl-Wilhelm Edding gegründet hatte. „Wir nutzen unsere Farbkompetenz, um Tattoo-Fans qualitativ hochwertige Tattoos mit streng getesteten und EU-konformen Farben anzubieten.“ Edding hat einen siebenstelligen Betrag in das Projekt investiert.

Jeder fünfte Deutsche hat inzwischen ein Tattoo

Das Geschäft mit Tattoos ist längst kein Nischenthema mehr, sondern ein massentaugliches Accessoire. Laut einer Studie der Universität Leipzig hat mittlerweile jeder fünfte Deutsche ein Tattoo. Längst lassen sich nicht mehr nur Männer tätowieren. Vor allem Frauen und ältere Menschen kommen zunehmend in die Studios. Zwischen 50 und 500 Euro kosten, je nach Größe und Aufwand, die üblichen Motive. Schätzungen zufolge gibt es 10.000 angemeldete Betriebe in Deutschland. Wer vorsichtig schätzt, kommt auf einen Branchen­umsatz von einer Milliarde Euro im Jahr.

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Bei Edding kam die Idee, in dem wachsenden Markt mitzumischen, von Mitarbeitern. „Wir wollten ein ganzheitliches Konzept“, sagt Sebastian Knebelkamp, der bei Edding den Kosmetikbereich verantwortet. Mit einem Team von 20 Leuten entwickelte das Unternehmen Sicherheits- und Hygieneregeln für den gesamten Tätowierungsprozess: von Spezialfarben über die Dienstleistung bis zur Nachsorge. „Safer Tattooing“ nennen sie das in Ahrensburg.

UKE-Dermatologin Katharina Herberger begleitet die Tattoo-Offensive

Mit dabei waren nicht nur Experten aus dem eigenen Haus, sondern auch Tattoo-Künstler wie Andy Schmidt, der lange im Vorstand des Verbands Deutscher Organisierter Tätowierer saß, und Johannes Höft, der in Bremen das Studio Animal Farm betreibt und ab Oktober im Edding-Studio arbeitet. Wissenschaftlich begleitet wird die Tattoo-Offensive von UKE-Dermatologin Katharina Herberger.

Wichtigstes Element ist die Tattoo-Tinte. Zum Start gibt es 15 verschiedene Farben, hauptsächlich Grundfarben wie Rot, Blau, Grün und Schwarz, aber auch einige Mischfarben plus eine Verdünnungslösung, die am Standort im sächsischen Bautzen jahrelang entwickelt und getestet worden waren. „Wir verwenden nur unbedenkliche und qualitativ hochwertige Inhaltsstoffe“, sagt Thomas Grahl aus dem Bereich Forschung und Entwicklung.

Die Tattoo-Farben von Edding sind in sterile Fläschchen mit jeweils 4,5 Millilitern Inhalt verpackt.
Die Tattoo-Farben von Edding sind in sterile Fläschchen mit jeweils 4,5 Millilitern Inhalt verpackt. © Michael Rauhe

Konservierungsmittel, die gesundheitliche Nebenwirkungen auslösen könnten, werden nicht eingesetzt. Die veganen Tinten, in sterilen Fläschchen mit 4,5 Millilitern Inhalt verpackt, sind für den Einmalgebrauch ausschließlich im Edding-Studio konzipiert.

Bei Edding sollen Kunden einen digitalen Tattoo-Pass bekommen

Für zusätzliche Sicherheit und Transparenz auch in der Nachsorge soll eine Tattoo-ID, eine Art digitaler Tattoo-Pass mit individueller Tätowierhistorie, dienen. „Wir sprechen von einem Eingriff in die Haut, der einer kleinen Operation gleichkommt“, sagt Medizinerin Katharina Herberger.

Sie setzt sich für frühzeitige Kooperationen mit der Branche ein, um bei möglichen gesundheitlichen Folgen schnell reagieren zu können. „Das Edding-Tattoo-Projekt könnte eine Vorreiterrolle übernehmen“, sagt Herberger, die eine Langzeitstudie zu den Verläufen über ein freiwilliges Tattoo-Register plant.

Mit den Vorstellungen von dunklen, vielleicht sogar leicht anrüchigen Tätowierbuden früherer Zeiten auf dem Hamburger Kiez, in denen eigenwillige Kerle Seemännern und Ganoven Anker oder Damen oben ohne auf den Oberarm stachen, hat das Edding-Konzept nichts mehr zu tun.

Tattoo-Branche sieht Edding-Vorstoß skeptisch

Im firmeneigenen Tattoo-Studio im schicken Kontorhaus-Viertel wird es auf einer Fläche von 178 Qua­dratmetern drei Arbeitsplätze und einen kleinen Shop geben. Fünf Tattoo-Künstler werden dort von montags bis sonnabends zwischen 10 und 19 Uhr Körperbilder stechen. Zu Preisen im Premiumsegment, so Edding-Manager Knebelkamp. Nähere Angaben machte er nicht.

In der Branche werden die Quereinsteiger durchaus skeptisch gesehen. In den sozialen Medien wird vor einem „Ausverkauf“ gewarnt. Edding, die mit dem Slogan Think, Ink, Love (deutsch: Denken, Tinte, Liebe) um Mitarbeiter in Festanstellung geworben hatte, hält sich noch bedeckt, was weitere Studios angeht. Knebelkamp: „Erst mal wollen wir Erfahrungen sammeln.“