Berlin/Mörfelden-Walldorf. Zur Rettung der Lufthansa verzichten die Flugbegleiter auf viel Geld – damit erhalten sie wohl auch ihre eigenen Arbeitsplätze.
Nach monatelangen Verhandlungen hat die in der Corona-Krise schwer angeschlagene Lufthansa mit einer ersten Berufsgruppe eine Einigung auf massive Einsparungen erzielt. Die in der Kabinengewerkschaft Ufo organisierten Flugbegleiter stimmten mit einer Mehrheit von 87,9 Prozent einen Krisen-Tarifvertrag zu. Bei den Piloten und vor allem beim Bodenpersonal ist eine Einigung dagegen noch längst nicht in Sicht.
Die Einigung bedeutet in den kommenden Jahren deutliche Einbußen – im Gegenzug verzichtet Lufthansa aber auf Kündigungen. Ohne die Vereinbarung hätte der Konzern bei der Kerngesellschaft Lufthansa 2600 Stellen in diesem Bereich gestrichen. Für die 22.000 Flugbegleiter bedeutet der Kompromiss zusätzliche Teilzeit, ausgesetzte Versorgungsleistungen und vor allem vorerst keine weiteren Lohnerhöhungen.
Lufthansa: Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Euro
Im Gegenzug gibt es nach Angaben von Nicoley Baublies, Geschäftsführer der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo), einen Beschäftigungsschutz bis Mitte 2024. Die Lufthansa spare in diesem Zeitraum 25 Prozent der Kosten. Nach früheren Angaben gehe es um rund 700 Millionen Euro. Es seien jedoch noch wichtige Details zur Ausgestaltung der Vereinbarung offen.
Gewerkschaftschef Baublies verlangte daher von der Lufthansa zügige Gespräche und konkrete Vorschläge. Sollten die Verhandlungen dann noch scheitern, droht Streik – neben der Urabstimmung zu dem Krisen-Tarifvertrag haben die Ufo-Mitglieder auch über mögliche Arbeitskampfmaßnahmen befunden. Lufthansa kann den Vertrag einer Frist von zwei Wochen kündigen, sollten sich die wirtschaftlichen Bedingungen dramatisch verschlechtern.
Lufthansa mit 3,6 Milliarden Euro Verlust seit Jahresbeginn
Der Lufthansa-Konzern ist infolge der Corona-Pandemie in seine schwerste wirtschaftliche Krise geraten. Im ersten Halbjahr 2020 häufte sich ein Verlust von 3,6 Milliarden Euro an. Deutschland, Österreich, Schweiz und Belgien stellten Hilfspakete im Wert von neun Milliarden Euro bereit, vor allem in Form von Krediten. Die Bundesrepublik kaufte zudem 20 Prozent der Aktien und ist jetzt wichtigster Eigentümer.
Der Konzern beschäftigte Ende Juni noch 129.400 Mitarbeiter. Das waren knapp 8300 weniger als ein Jahr zuvor – vor allem wegen Stellenstreichungen im Ausland. Lufthansa hat den Personalüberhang in der Corona-Krise auf 22.000 Vollzeitstellen beziffert, davon rund 11.000 in Deutschland. Wegen der eingebrochenen Nachfrage nach Flugreisen werde die Flotte von rund 760 Flugzeugen mittelfristig um 100 Jets schrumpfen – und daher entsprechend zu viel Personal an Bord sein.
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Für weitere Einsparungen verhandelt Lufthansa auch mit den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten und Verdi für das Bodenpersonal. Die Gespräche mit Verdi für rund 35.000 Beschäftigte sind zuletzt eskaliert: Nach 20 ergebnislosen Runden habe das Unternehmen sie am Donnerstag abgebrochen. Die Gewerkschaft sei nach eigenen Angaben zu Sparbeiträgen von rund 600 Millionen Euro bereit.
Nach Darstellung der Lufthansa entspreche das aber nur Einsparungen von acht Prozent der Personalkosten – der Konzern verlange zur Rettung aus der Corona-Krise von jeder Beschäftigtengruppe aber Beiträge von 20 Prozent. Auch die Zahl der Führungskräfte will die Airline um 20 Prozent reduzieren. Ohne Einsparungen droht die Fluggesellschaft mit Entlassungen.
Allein bei Lufthansa-Kerngesellschaft 800 Pilotenstellen in Gefahr
Auch die Pilotengewerkschaft VC hat mit der Lufthansa noch keine Einigung erzielt. Konzernchef Carsten Spohr zufolge sind allein bei der Lufthansa-Kerngesellschaft 800 der 5000 Pilotenstellen in Gefahr. Die Gewerkschaft will mit Gehaltsverzicht und Teilzeitregeln Entlassungen verhindern – der angebotene Sparbeitrag von 350 Millionen Euro führe zu Einbußen von bis zu 45 Prozent. Zuletzt hatten interne Konflikte in der Gewerkschaft die Verhandlungen gelähmt.
Spohr hatte kürzlich den Druck auf die Arbeitnehmervertreter deutlich erhöht. Bei der Vorlage der jüngsten Quartalszahlen zeigte er sich empört, dass selbst die zähen Verhandlungen um das staatliche Rettungspaket letztlich schneller liefen als die Gespräche Verdi und Vereinigung Cockpit. „Es geht mir viel zu langsam“, sagte Spohr. „Selbst mit der Bundesregierung waren wir schneller als mit den Gewerkschaften am Boden und im Cockpit.“