Hamburg. Über mögliche Käufer kursierten Gerüchte, es fielen Namen wie Alibaba und Amazon. Wer tatsächlich den Zuschlag bekommen hat.

Die Ankündigung vor knapp zwei Monaten ließ die Medienvertreter aufhorchen. Bei der Vorstellung der Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr sagte die Finanzchefin der Otto Group, Petra Scharner-Wolff, dass bei der Suche nach einem Partner für die Pakettochter Hermes demnächst Neuigkeiten zu erwarten seien. Es würden Gespräche mit „mehreren Interessenten“ geführt, so die Frau für die Zahlen bei dem Hamburger Handelskonzern. Sogar ein Mehrheitsverkauf von Hermes sei denkbar, so Scharner-Wolff.

Konkreter wurde sie allerdings nicht. In Branchenkreisen wurde daraufhin über unterschiedliche Szenarien spekuliert. Unter anderem kursierte der Name des chinesischen Onlinehändlers Alibaba. Auch Amazon soll Interesse signalisiert haben. Als besonders heißer Kandidat wurde der US-Paketdienst Fedex gehandelt.

Statt Amazon oder Alibaba: Advent übernimmt Hermes-Anteile

Jetzt meldet die Otto Group Vollzug – und stellt als neuen Partner die US-Beteiligungsgesellschaft Advent International vor. Der Investor übernehme 25 Prozent der Geschäftsanteile an Hermes Germany und 75 Prozent an Hermes UK, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens am Montagnachmittag.  Über den Preis wurden keine Angaben gemacht. Beobachtern zufolge dürfte eine Summe im Milliardenbereich fällig werden.

Im Geschäftsjahr 2019/20 hatte Hermes mit insgesamt 15.500 Mitarbeitern den Gesamtumsatz mit 928 Millionen Sendungen um neun Prozent auf 3,5 Milliarden Euro erhöht. Zweidrittel davon wurden in Deutschland und Großbritannien erwirtschaftet. In laufenden Jahr werden bedingt durch die Corona-Beschränkungen zweistellige Wachstumsquoten erwartet, denn die Menschen lassen sich derzeit mehr liefern. Das Geschäft muss noch von den Kartellbehörden abgesegnet werden.

Otto hat bereits Erfahrungen mit Advent International

„Das enorm hohe Interesse von potenziellen Marktpartnern an einer Beteiligung spiegelt die Attraktivität des Marktsegments und die hervorragende Marktstellung von Hermes in den beiden bedeutendsten Märkten Europas wider“, sagte Kay Schiebur, Otto Group Vorstand für den Bereich Services. Die Partnerschaft mit Advent gebe beiden Gesellschaften weiteren Spielraum für wichtige Investitionen und schaffe damit optimale Voraussetzungen für weiteres Wachstum.

Das Familienunternehmen hat bereits Erfahrungen mit Advent International. Bereits bei der Übernahme der früheren Otto-Tochter Ratepay 2017 hatte die Beteiligungsgesellschaft, die seit der Gründung 1984 in weltweit 41 Ländern Transaktionen durchgeführt hat und ein Vermögen von 44 Milliarden Euro verwaltet, mit den Hamburgern zusammengearbeitet.

Otto will Einfluss auf Hermes behalten

Die Otto Group hatte schon vor knapp zwei Jahren einen Anteilsverkauf der Paketgesellschaften in Deutschland, Großbritannien und Frankreich ins Spiel gebracht. In der Folge verhandelte das Management unter Vorstandschef Alexander Birken mit diversen Unternehmen. Dabei wurde immer betont, dass das Unternehmen auch nach einem Teilverkauf weiter Einfluss auf die Geschäftspolitik von Hermes behalten wolle.

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Das gilt vor allem für Deutschland, wo der Konzern über die Online-Aktivitäten von Tochterfirmen wie die Otto-Einzelgesellschaft, Bonprix oder About You eng mit dem Zustellgeschäft von Hermes verflochten ist. Dort behält die Otto Group nach dem Verkauf von einem Viertel der Anteile nun die Mehrheit. Allerdings: Hermes ist in seinem Kernmarkt weiterhin defizitär. Branchenkreisen zufolge sollen die Verluste zuletzt in zweistelliger Millionenhöhe gelegen haben. Als Gründe werden unter anderem der Preisdruck sowie die Anhebung der Stundenlöhne genannt.

Welche Hermes-Bereiche nicht vom Verkauf betroffen sind

In Großbritannien ist Otto dagegen künftig nur noch mit 25 Prozent an Hermes UK beteiligt, behält aber nach eigenen Angaben ein Mitspracherecht bei strategischen Entscheidungen. Die operative Führung der Gesellschaften werde vom aktuellen Management fortgeführt, hieß es. Auch bei der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern und Auftraggebern soll nichts ändern.

Andere Bereiche der Hermes-Welt, wie Hermes Fulfilment oder der Einrichtungsservice, sind von der Übernahme nicht berührt. Offen ist derzeit noch, wie es für die französische Landesgesellschaft Mondial Relay weitergeht. Die Gespräche seien wegen des Corona-Lockdowns unterbrochen worden, sagte ein Sprecher. Namen nannte er nicht. Möglich ist aber, dass auch hier Advent zum Zuge kommt.

Keine negativen Folgen für Hermes-Mitarbeiter in Hamburg

Otto hatte die Logistiktochter 1972 als Hermes-Paket-Schnelldienst gemeinsam mit der Werner Velbinger Organisation gegründet, vor allem um die Sendungen des Otto Versands abzuwickeln. Heute ist Hermes nach der Post-Tochter DHL die Nummer zwei im deutschen Paketversand und hat zuletzt in den Aufbau von weiteren Umschlagstellen investiert. Den Plan, einen „großen strategischen Investor“ zu finden und die Mehrheit an dem defizitären Deutschlandgeschäft zu verkaufen, verfehlte Otto allerdings. Beobachtern zufolge hatte mit dem Kaufinteressenten Fedex keine Einigung über den Kaufpreis erzielt werden können.

Für die insgesamt gut 1500 Mitarbeiter in Hamburg soll die Anteilsübernahme keine negativen Folgen haben. „So wie es sich jetzt abzeichnet, geht es dem Investor nicht um ein reines Renditeobjekt“, sagte der zuständige Ver.di-Fachbereichsleiter Lars-Uwe Rieck, der als Arbeitnehmervertreter im Hermes-Aufsichtsrat sitzt.  Er gehe sogar davon aus, dass es einen weiteren Personalaufbau geben werde.