Hamburg. Discounter Penny startet App, um die Warteschlangen an den Kassen zu reduzieren. Auch bei Edeka, Netto und Rewe laufen Tests.

Für jemanden, der einen Lebensmittelladen betritt, klingt es fast wie eine Verheißung. „Werde Schnellzahler“ steht auf einem großen Schild direkt am Eingang des Penny-Marktes in Poppenbüttel. Schließlich nervt beim Einkaufen nichts so sehr wie lange Warteschlangen an der Kasse. Dominik Gongoll steht am Servicepunkt des Discounters nicht weit von der Werbetafel und erklärt zwei Kundinnen die zusätzliche Einkaufsvariante per Smartphone.

Nicht, dass das sein Job wäre. Der 36-Jährige ist als Verkaufsleiter für 70 Penny-Filialen in Hamburg zuständig. Aber der neue Service begeistert ihn. „Es ist ganz einfach“, sagt er und öffnet auf seinem Telefon die Scan&Go-App der Handelskette.

Penny: Artikel am Regal einscannen und über einen Code bezahlen

Damit marschiert er in die Obst- und Gemüseabteilung und nimmt eine Wassermelone aus einer Kiste. Es dauert nur einen Moment, dann hat die Kamera den Code auf dem Etikett erfasst, und auf dem Bildschirm erscheint im virtuellen Einkaufskorb der Preis. Genau so geht es mit Kaffee, Milch oder Fischstäbchen. Alle 3500 Artikel in dem Markt können die Kunden am Regal einscannen, sofort in ihre Taschen packen und am Ende über einen Code bezahlen.

„Smart Shopping“, wie digitale Bezahloptionen in der Fachsprache genannt werden, ist schon seit einiger Zeit ein Trend im Lebensmittelhandel. Die Händler suchen nach neuen Wegen, wie sie das Anstehen an der Ladenkasse verkürzen oder sogar vermeiden können. Die Corona-Pandemie mit Ansteckungsrisiken, Abstandsregeln und Maskenpflicht gibt der Entwicklung jetzt zusätzlichen Schub.

Per App einkaufen in Poppenbüttel und Curslack

Nach einer Testphase hat Discounter Penny, der bundesweit mehr als 2000 Filialen hat, vor Kurzem in 111 Märkten die Scan&Go-App eingeführt. In Hamburg gibt es diese Option in den Filialen Poppenbüttel und Curslack. Auch bei Penny in Seevetal, Stelle, Tornesch, Wohltorf und Marschacht kann man per App einkaufen.

Bei Penny kann man mit einer Handy-App direkt am Regal bezahlen.
Bei Penny kann man mit einer Handy-App direkt am Regal bezahlen. © Marcelo Hernandez

„Uns ist es wichtig, dass unsere Kunden das Selfscanning als echten Mehrwert erleben und sich nicht erst mit der Nutzung eines anderen Geräts vertraut machen müssen“, sagt Andreas Krämer, Sprecher der zur Rewe-Gruppe gehörenden Kette. Ein weiterer Vorteil der App: Die Kunden müssen sich nicht registrieren. Bezahlt wird wie gewohnt bargeldlos per Karte oder Smartphone an einer Selbstbedienungskasse.

Auch Rewe und Netto testen einkaufen per App

Penny hat mit der Einführung der App einen deutlichen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht. Aber auch bei anderen großen Anbietern im Lebensmitteleinzelhandel laufen Tests. Der Penny-Mutterkonzern Rewe, der bereits früh auf Selbstbedienungskassen gesetzt hatte, bietet nach Angaben eines Sprechers seit vergangenem Jahr in bundesweit 50 Märkten die Möglichkeit, die Waren beim Einkaufen selbst per Handy oder mit einem mobilen Handscanner einzulesen und an einer Expresskasse zu bezahlen.

Auch in den die ersten Netto-Marken-Discount-Filialen ist nach einer Testphase eine Scan&Go-Funktion in der neuen Netto-App freigeschaltet. In beiden Fällen ist Hamburg allerdings nicht dabei. Lidl testet Selfscanning in Portugal und Frankreich.

Edeka schickt „Easy Shopper“ in Pilotphase

Bei Edeka gibt es verschiedene Ansätze. Deutschlands größter Lebensmittelhändler hat gerade einen intelligenten Einkaufswagen unter dem Namen „Easy Shopper“ in 30 Filialen in eine Pilotphase geschickt, der, verbunden mit einer App, das Scannen am Regal ermöglicht. „Aufgrund der aktuellen Situation um Covid-19 hat der Bereich Selfscanning, auch unterstützt durch Apps, noch mehr an Bedeutung gewonnen“, sagt ein Sprecher von Edeka Nord.

Zurzeit wird in drei Pilotmärkten im Norden eine solche Lösung getestet. In den nächsten Schritten ist geplant, diese Funktion in die bekannte Edeka-App zu überführen. Um welche Märkte es sich handelt und wann die App freigeschaltet wird, sagte der Sprecher auf Nachfrage nicht.

Meyer’s Frischecenter in der Rindermarkthalle nutzt Koala-App

Einen eigenständigen Weg geht der Pinneberger Kaufmann Jörg Meyer, der in der Hamburger Rindermarkthalle Meyer’s Frischecenter betreibt, mit der Einführung der App Koala in seinen Filialen. Die Lösung funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie andere Scan&Go-Angebote, beinhaltet aber zusätzlich die Bezahlfunktion über das Kreditkartenkonto des Kunden.

Entwickelt hat die Technologie das Elmshorner Start-up FESforward. „In Pinneberg haben wir 700 registrierte Kunden, die regelmäßig mit Koala einkaufen. Durch Corona haben wir noch einmal einen ordentlichen Schub bekommen“, sagt Kaufmann Meyer, der inzwischen als Teilhaber bei dem IT-Unternehmen eingestiegen ist.

Die Nutzung der Koala-App, der Name steht für „Kaufen ohne Aufwand und langes Anstehen“, ist nicht an einen Anbieter gebunden. Inzwischen haben die Elmshorner Entwickler Anfragen aus ganz Deutschland. „Noch im Sommer“, sagt Meyer, „starten Tests in Filialen anderer Unternehmen.“ Dabei sind nach seinen Angaben der Hamburger Kaffeeröster Tchibo, der Tankstellen-Betreiber HEM und die Baumarktkette Hagebau.

Im Einkaufsalltag werden Apps und Co. nur zögerlich angenommen

„Die Deutschen sind skeptischer als andere Europäer, wenn es um kontakt­loses Bezahlen und Scannen von Einkäufen am Regal geht“, sagt Cetin Acar, IT-Experte beim Kölner Handelsforschungsinstitut EHI. „Die Corona-Krise hat der Entwicklung jetzt aber einen Schub gegeben.“

Er rechnet damit, dass der Handel künftig vermehrt auf solche Lösungen setzt. „Es macht Sinn, das im Lebensmittelhandel anzubieten“, so der Handelsexperte. Einerseits, um Warteschlangen zu reduzieren, aber auch, weil sich die Kunden in Geschäften, die sie häufig besuchen, schneller an Prozesse gewöhnten und selbstverständlicher damit umzugehen lernten.

Ein Selbstgänger ist die Umstellung aber nicht. Zwar befürworten viele Kunden den Einsatz von Selbstbedienungskassen, elektronischen Preisschildern und mobilem Bezahlen. Im Einkaufsalltag werden sie aber nur zögerlich angenommen.

Rabatt für Kunden, die selbst scannen

Kaufmann Meyer etwa verzeichnet in der Rindermarkthalle nur verhaltenen Zulauf bei der Koala-App. Bei Rewe heißt es, dass in einem Markt in Köln noch einem Jahr Laufzeit gerade einmal 40 bis 50 Kunden am Tag das Angebot nutzen. Testläufe in anderen Branchen, wie etwa bei der Elektronikkette Saturn/Media-Markt, wurden sang- und klanglos beerdigt. Aktuell haben zum Beispiel der schwedische Möbelhändler Ikea und die Sportkette Decathlon Scan&Go-Projekte gestartet.

Penny hat sich Geduld bei der Einführung der Scan&Go-App verordnet. Bis zum 10. August lockt der Discounter Kunden mit einem zusätzlichen Rabatt von fünf Prozent, wenn sie selbst scannen. Konkrete Zahlen darüber, wie oft die App heruntergeladen wurde und wie oft darüber eingekauft wird, möchte das Unternehmen noch nicht nennen. Man sei mit den ersten Erfahrungen sehr zufrieden, heißt es. „Wir sehen Potenzial, dass jeder zehnte Kunde auf Sicht – also in den kommenden Jahren – diese Variante des Bezahlens nutzt.“

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Dabei betont der Discounter, dass wegen des Selfscannings keine Arbeitsplätze in den Filialen wegfallen sollen. „Mit Scan&Go wollen wir unseren Mitarbeitern mehr Zeit verschaffen für zeitintensivere Aufgaben im Markt.“ Auch sieht man keine Probleme, dass Kunden die neue Selbstständigkeit ausnutzen und ihre Einkäufe gar nicht oder nur zum Teil bezahlen. „Wir sehen keine nennenswerte Veränderung der Diebstahlquote“, so Sprecher Krämer. Es soll aber auch stichprobenartige Kontrollen hinter den Expresskassen geben.

In der Poppenbüttler Filiale ist Verkaufsleiter Dominik Gongoll mit der App-Nutzung fürs Erste zufrieden. Zahlen nennt auch er nicht. „Wir haben keine Statistik, weil ja keine Daten erhoben werden. Die Nutzung der App ist anonym“, sagt der Kaufmann. Vor allem bei älteren Menschen sei die Hemmschwelle aber größer, haben die Mitarbeiter beobachtet. In den ersten Wochen haben deshalb die Azubis des Marktes die Kunden im Umgang geschult.