Jersbek. Karsten Eggert widmet sein Labyrinth in Jersbek Viren und Bakterien – und setzt verstärkt auf den Grusel-Effekt.
Aus der Erde ragen kleine Holzstäbe. Rot-weißes Flatterband ist kurz über dem Boden um sie gespannt. Es grenzt Rechtecke, Quadrate, Tetris-ähnliche Bausteine in L-Form und längere, zusammenhängende, verwinkelte Flächen ab. Darin wachsen junge, grüne Maispflanzen, die zurzeit einen halben Meter hoch sind. Außerhalb der Markierungen wurde mit dem Trecker der Boden abgezogen und gefräst, die restlichen Pflanzen wurden mit der Hacke entfernt. Außer Erde ist nichts mehr zu sehen. Angesichts der hohen Temperaturen in diesen Wochen ist das für Karsten Eggert und sein Team ein schweißtreibender Job gewesen. Nun sind auf dem zehn Hektar großen Feld in Jersbek nahe Bargteheide sechs Kilometer Wege angelegt, die vor allem eine Absicht verfolgen: Kunden in die Irre zu führen.
Seit mehr als 20 Jahren verdient Eggert seinen Lebensunterhalt fürs ganze Jahr im Sommer mit Maislabyrinthen. Die Eröffnung hatte er dieses Jahr für den 25. Juli vorgesehen – dann sollen die Maispflanzen etwa zwei Meter hoch sein – und damit nahezu zeitgleich mit dem Beginn der Olympischen Spiele in Tokio. Als dieses Großereignis wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben wurde, wuchsen bei dem 51-Jährigen die Zweifel, ob er den Irrgarten in diesem Jahr wirklich aufmachen sollte. Groß schien ihm das Risiko, dass die Veranstaltung verboten wird. „Da dachte ich mir: Meine einzige Chance ist, das Labyrinth so zu gestalten, dass es eine Informationsveranstaltung ist“, sagt Eggert.
Eggert ist optimistisch, dass es eine gute Saison wird
Jedes Jahr stellt er sein Maislabyrinth unter ein Motto. Vor zwei Jahren widmete er es dem Wolf, weil sein langjähriger Begleiter Elvis kurz zuvor gestorben war. Elvis war ein Wolfshund, den er als Welpe bekommen hatte. In diesem Jahr sind das Thema Krankheitserreger. An der linken Seite hat er ein Bakterium in den Irrgarten skizziert. Am oberen Ende des Feldes schaut das in diesen Zeiten omnipräsente Coronavirus grimmig drein. „Meiner Meinung nach müssen die immer schlecht gelaunt sein, deswegen haben die hängende Gesichter“, sagt Eggert über die von ihm selbst entworfenen Erreger. Die Augen des Coronavirus sind an das Symbol für Biogefährdung angelehnt. Und wer das mit dem Parkour verbundene Rätsel löst, erhält schließlich einen Begriff mit Krankheitsbezug. Allzu viel Belehrung wird es trotz Eggerts Bezeichnung als Informationsveranstaltung übrigens nicht geben. „Ich bin ja kein Virologe.“
An die in Pandemie-Zeiten geltenden Auflagen muss er sich natürlich auch halten, dabei hätte er sich in diesem Punkt aber mehr Unterstützung vom Amt erhofft. „Dieses Jahr musste ich um Informationen betteln“, sagt Eggert. Er errichtet jeden Sommer auf dem Feld einen Gastronomiebereich mit Verkaufsstand, an dem er zum Beispiel Würstchen, Maiskolben oder Kartoffeln vom Grill für jeweils 3 Euro anbietet. Für die Gestattung einer Schank- und Speisewirtschaft müsse er jedes Jahr 500 Euro zahlen. Auf seine Frage, was er dabei in diesem Jahr beachten müsse, habe man ihn auf ein Merkblatt des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) verwiesen.
Wege im Irrgarten auf zweieinhalb Meter verbreitert
„Die Achillesferse sind wohl die Klos“, sagt Eggert. Insbesondere vor der Damentoilette befürchtet er lange Schlangen, wenn nur eine Frau zugleich sich in den Waschräumen mit angrenzenden vier Toiletten aufhalten darf. Daher erwägt er das Aufstellen zusätzlicher Dixi-Klos. Mit den Behörden verhandelt er noch über den Aufbau von Wasserhähnen auf dem Parkplatz und im Maisfeld, damit die Kunden sich die Hände waschen können. Der Besuch vom Amt soll in der Woche vor der Eröffnung erfolgen. „Erstmals freue ich mich darauf, dass sie mir ihren Segen geben.“
Die Wege im Irrgarten verbreiterte er teilweise von zwei auf zweieinhalb Meter, damit Menschen besser aneinander vorbeikommen und Abstand halten können. Auf Gruppenveranstaltungen wie Betriebsausflüge und Kindergeburtstage verzichtet er ebenso wie auf eine Veranstaltungsbühne mit Auftritten von Künstlern – allerdings nicht komplett auf deren Unterstützung.
Im Maislabyrinth soll es gruseln. „Die Leute haben Bock auf Angst“, sagt Eggert. Jeden Sonnabend und Sonntag und damit doppelt so häufig wie in den Vorjahren wird das Scream-Team sein Unwesen zwischen den Pflanzen treiben – es sei denn, es regnet. „Ich verstecke mich am liebsten im Feld und springe schreiend aus dem Gebüsch heraus“, sagt Scream-Team-Darstellerin Sonja Pruszynski. Andere würden die Besucher anstarren und verfolgen.
Corona, die große Unbekannte
Zwei Stunden brauchte die 30 Jahre alte Hamburgerin, um sich und ihre Schwester Lea für den Abendblatt-Fotografen zu schminken. Mit Latex, Toilettenpapier, Make-up und Kinderschminke kreierte sie für ihre Schwester das gruselige Lepra-Design und für sich ihren Auftritt als eine von Pest Befallene. Bis zu zehn schaurige Gestalten sollen am Wochenende auf dem Acker ihr Unwesen treiben. Weil Auftritte in Freizeitparks wie dem Europa-Park Rust oder in der Geisterbahn auf dem Dom derzeit wegfielen, sei man froh über die Chance in Jersbek. „Unter der Woche arbeite ich im Büro als Sachbearbeiterin, aber am Wochenende kann ich ein wenig ausbrechen“, sagt Pruszynski. Sie und ihre gut zwei Dutzend Mitstreiter im Scream-
Team sehen Schminken und Erschrecken als Hobby an und verlangen kein Geld für ihren Einsatz. Es gebe Spritgeld, Essen und Trinken, sagt Eggert. Und wenn das Maislabyrinth voll sei, „gebe ich denen ein paar Piepen in die Mannschaftskasse“.
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Wie es in Corona-Zeiten läuft, ist natürlich auch für Eggert die große Unbekannte. Bis zum 27. September will er den Irrgarten täglich von 10 bis 21 Uhr und sonnabends bis 24 Uhr öffnen. An Spitzentagen zahlen 600 Menschen Eintritt, der in diesem Jahr bei 9 Euro für Erwachsene und 7 Euro für Kinder liegt. Reich werde er davon nicht. Aber es reiche, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zwar gebe es in diesem Jahr neben dem Wetter mit Corona besonders viele Risiken wie einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen oder eine mögliche Verschärfung der Hygieneregeln. Auf der anderen Seite fallen viele Großveranstaltungen weg und viele Leute werden wohl Urlaub zu Hause statt im Ausland machen. Daher überwiegt bei Karsten Eggert der Optimismus: „Die Leute scharren mit den Hufen und wollen vor die Tür. Ich habe ein gutes Bauchgefühl.“
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden