Hamburg. Vier Hamburger Filialen des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof machen dicht. Betroffen sind nun auch Häuser der Tochterfirma.
Als am Freitag die gläsernen Türen des Kaufhof-Hauses an der Mönckebergstraße aufgehen, ist es noch so wie an jedem Morgen. Die ersten Kunden strömen in die glitzernde Einkaufswelt des Kaufhauses. Zwischen den Regalen mit Kosmetikartikeln, Schmuck und Taschen stehen die Mitarbeiter bereit für einen neuen Tag. Auffällig ist, dass viele Schwarz tragen. Wenige Stunden später ist nichts mehr so wie vorher.
Mittags um 12 Uhr hat die Geschäftsführung des fusionierten Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof die Liste der 62 Standorte verkündet, die im Rahmen eines Einsparkonzepts geschlossen werden sollen. Es dauert nicht lange, bis sich die schlechten Nachrichten aus Essen in Hamburg herumgesprochen haben. Auch das traditionsreiche Kaufhof-Haus in der Hamburger Innenstadt soll dichtgemacht werden. Ein Schock für die Beschäftigten.
Für Hamburg sind die Schließungspläne des Handelskonzerns ein schwerer Schlag. Vier der sieben Filialen stehen vor dem Aus. Betroffen sind auch die Standorte in Wandsbek und Bergedorf sowie das Kaufhof-Haus im Alstertal-Einkaufszentrum in Poppenbüttel. Insgesamt trifft es in der Stadt 450 der 1000 Mitarbeiter. Erhalten bleibt nur das Karstadt-Haus in der Innenstadt sowie in Eimsbüttel und in Harburg.
Karstadt Sports in der Mönckebergstraße soll auch schließen
Zusätzlich zur geplanten Schließung Dutzender Filialen der Warenhauskette Karstadt Kaufhof sollen bundesweit auch 20 der 30 Niederlassungen der Tochter Karstadt Sports dicht machen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonnabend. Die Verhandlungen hätten bis zum frühen Morgen gedauert, hieß es. Die Geschäftsleitungen der betroffenen Filialen seien dann am Nachmittag informiert worden.
So sollen unter anderem die Standorte in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Hamburg und München sowie die Hauptverwaltung von Karstadt Sports in Essen geschlossen werden. Insgesamt seien 700 Arbeitsplätze betroffen. Wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel Online" berichtet, trifft es in der Hansestadt die prominente Filiale in der Mönckebergstraße. Welche weiteren Niederlassungen der Tochter im Norden ebenfalls schließen sollen, ist noch nicht bekannt.
Karstadt-Betriebsrat lässt schwarze Luftballons steigen
„Es ist ein schwarzer Tag“, sagt Michael Zuther, Mitglied im Gesamtbetriebsrat und Betriebsratsvorsitzender der Filiale in Poppenbüttel. Dort hatten die Beschäftigen für den Nachmittag zu einer Protestaktion aufgerufen. Nach Ende der Betriebsversammlung lassen sie schwarze Luftballons in den Himmel steigen – als Zeichen der Trauer um den Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen.
„Es sind viele Tränen geflossen“, beschreibt Mark-Oliver Thöne, Betriebsratsvorsitzender in Wandsbek, die Stimmung. 110 Mitarbeiter sind betroffen, dazu die Beschäftigten im Restaurant und in der Lebensmittelabteilung. „Viele haben nicht damit gerechnet, dass es unsere Filiale trifft“, so der Arbeitnehmervertreter. In den vergangenen Jahren seien mehrere Millionen Euro investiert worden, unter anderem wurde eine neue Rolltreppe installiert, Sport- und Spielwaren-Abteilung waren umgezogen.
Karstadt in Wandsbek schließt auch
Das markante Gebäude an der Wandsbeker Marktstraße gehört zu den ältesten Warenhaus-Bauten der Stadt. Schon im Jahr 1900 hatte Rudolph Karstadt, der das Kaufhaus-Imperium 1881 im mecklenburgischen Wismar begründet hatte, es von seinem verschuldeten Bruder übernommen. „Wir haben ein großes Einzugsgebiet, und es werden weiter Wohnungen gebaut“, sagt Thöne. „Es ist daher nicht zu glauben, dass sich das Haus nicht rechnet.“ Wann endgültig entschieden wird, ob der Standort wirklich schließt, ist noch offen. Thöne hofft auf Verhandlungen über Mietnachlässe mit dem Vermieter, der Union Investment, zu dessen Portfolio auch das benachbarte Einkaufszentrum Quarree gehört. „Das könnte uns retten.“
Die bundesweite Schließungsliste finden Sie hier.
Insgesamt will Galeria Karstadt Kaufhof 62 Warenhäusern schließen. Unter anderem auch die Filiale in Norderstedt. Bundesweit könnten 6000 der 28.000 Beschäftigten ihren Job verlieren. Ein solcher Kahlschlag ist einzigartig in der deutschen Handelslandschaft. Der Sanierungsdruck beim letzten deutschen Warenhaus-Konzern ist gewaltig. Erst im vergangenen Jahr waren die früheren Konkurrenten Karstadt und Kaufhof in einem schwierigen Fusionsprozess zu einem Unternehmen verschmolzen worden.
In Berlin-Tegel hatte Galeria Karstadt Kaufhof neu gebaut
Besitzer ist die Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko. Es gab hoffnungsvolle Signale. In Berlin-Tegel hatte Galeria Karstadt Kaufhof sogar mit dem Bau eines neuen Kaufhauses begonnen. Die Corona-Pandemie und die wochenlange Schließung der bundesweit 172 Warenhäuser hatte die Krise erneut verschärft. Es wird mit Umsatzverlusten von mehr als einer Milliarde Euro gerechnet.
Im März beantragte Galeria Karstadt Kaufhof ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung, quasi eine Vorstufe der Insolvenz. Bis Ende Juni muss ein Sanierungskonzept beim Insolvenzgericht vorliegen. Und als ob das nicht reichen würde: In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Architekt des Konzerns, Vorstandschef Stefan Fanderl, seinen Posten räumt.
Die aktuellen Schließungspläne sind Teil einer Einigung zwischen Management, Betriebsrat und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Sie fallen etwas geringer aus als zunächst befürchtet. Ursprünglich hatte der Konzern angekündigt, bis zu 80 Standorte zu schließen.
Filialschließungen hat für Familien dramatische Folgen
Bei den Verhandlungen über das Sanierungskonzept konnte Ver.di auch einige Zugeständnisse erreichen. So soll der geplante Abbau von zehn Prozent des Personals in den verbleibenden Filialen nicht umgesetzt werden. Bei Abfindungen sollen die bisherigen Sozialpläne gelten. Es wird zudem eine Transfergesellschaft geben, in der die betroffenen Arbeitnehmer sechs Monate lang weiterbeschäftigt und qualifiziert werden sollen.
„Ver.di hat in den Tarifverhandlungen viel erreicht“, sagt Heike Lattekamp, Fachbereichsleiterin Handel in Hamburg. Doch für viele Beschäftigte und ihre Familien hätte die Filialschließungen dramatische Folgen. „Wir werden weiter um jeden Arbeitsplatz kämpfen.“ Denn die Schließungen reißen große Lücken in der Innenstadt und in den Bezirkszentren. Die Gewerkschaft setzt auf geringere Mieten.
Auch Betriebsratschef Michael Zuther will nicht aufgeben. Bei der Protestkundgebung am Freitag waren 80 der 120 Beschäftigten der Poppenbütteler Filiale auf der Straße. „Wir haben es verdient zu bleiben“, sagt Zuther. Dann zählt er die Punkte auf, die für einen Erhalt sprechen. „Wir sind eine umsatzstarke Filiale, gehören bundesweit zu den Top 70“, sagt er.
Gewerkschaft setzt auf geringere Miete
Zudem zähle das 2006 gebaute Gebäude zu den jüngeren Kaufhäusern des Konzerns. Hauptproblem sei offenbar die Miethöhe. Nach Recherchen des Abendblatts laufen bereits seit einiger Zeit Verhandlungen mit dem Vermieter, der Hamburger ECE Gruppe. „Wir haben Zugeständnisse in Aussicht gestellt, aber wir haben noch keine Entscheidung des Mieters“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Bundesweit verhandeln ECE und Galeria Karstadt Kaufhof derzeit über zwölf Standorte, darunter ist nach seinen Angaben auch die Karstadt-Sports-Filiale in Harburg.
„Wir haben Hoffnung, die Schließung noch abzuwenden“, sagt Betriebsrat Zuther. Bei der Protestkundgebung habe es viel Zuspruch von Kunden gegeben. Am Sonnabend ist eine weitere Kundgebung vor dem AEZ geplant. „Wir sind ein gallisches Dorf.“ Während die meisten anderen der 61 Filialen auf der Streichliste am Freitagmittag dicht gemacht hatten, war das Haus in Poppenbüttel bis 20 Uhr geöffnet - ganz regulär.