Hamburg. Heiko Schäfer spricht über seinen Abgang bei dem Hamburger Modekonzern, den schwachen Börsenkurs und seine Zukunft.

Am Montag machte die Hamburger Modekette Tom Tailor den erwarteten Chefwechsel perfekt. Anfang Oktober hatten die Niendorfer mitgeteilt, mit dem Vorstandsvorsitzenden Heiko Schäfer Gespräche über eine frühzeitige Vertragsauflösung zu führen. Nun ist klar, dass der frühere s.Oliver-Chef Gernot Lenz im November Schäfer ablösen wird. Der promovierte Betriebswirt zieht im Abendblatt ein Resümee.

Herr Schäfer, besitzen Sie Tom-Tailor-Aktien?

Heiko Schäfer Nicht mehr. Ich habe meine Tom-Tailor-Aktien im Zuge der Übernahme durch Fosun verkauft – in dem Moment mit einem hohen Verlust. Perspektivisch will ich aber wieder einsteigen.

Bei Ihrem Antritt als Vorstandschef im September 2016 lag die Aktie bei 3,30 Euro, derzeit bei etwa 1,60 Euro. Wie erklären Sie Aktionären den Kurseinbruch?

Ich bin natürlich nicht glücklich über die Aktienkursentwicklung. Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen der geplante Verkauf unserer Tochter Bonita, der nicht stattgefunden hat. Wir haben massiv Altlasten von Bonita beseitigt und Abschreibungen vorgenommen, die das operative Ergebnis insgesamt mit mehr als 220 Millionen Euro belasten. Aus dieser Bereinigung heraus forderten die Banken, die Eigenkapitalbasis zu stärken. Der zweite Grund war, die Einigung zwischen den Banken und unserem Mehrheitsaktionär Fosun brauchte Zeit. Diese Unsicherheit belastete den Kurs. Jetzt gibt es diese Einigung. 365 Millionen Euro stehen bereit, damit ist die Finanzierung der Gesellschaft bis September 2022 gesichert.

Warum ist der Verkauf des Sorgenkindes Bonita an das niederländische Unternehmen Victory & Dreams geplatzt?

Es gab zwei Hürden. Wir waren uns mit dem Aufsichtsrat eine Zeit lang nicht darüber einig, wann wir den Verkaufsprozess starten. Als es Anfang 2019 so weit war, ist der Verkaufsprozess am Veto der Banken gescheitert. Prinzipiell unterstützen sie zwar die Herauslösung von Bonita aus dem Konzern. Es gab allerdings Zweifel an der geplanten Konzeption des damaligen Käufers.

Im April hatte Fosun allen Aktionären aufgrund des Überschreitens der 30-Prozent-Schwelle ein Übernahmeangebot machen müssen. Die Chinesen boten pro Aktie 2,31 Euro. Aufsichtsrat und Vorstand hielten das in einer Stellungnahme langfristig gesehen für zu niedrig. Haben Sie sich verpokert?

Langfristig bleibe ich dabei, dass das Potenzial deutlich über diesem Preis liegt. Tom Tailor ist profitabel, mit einer Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von zehn Prozent im Jahr 2018. Das ist in einem aktuell anspruchsvollen Marktumfeld gut. Auch nach Steuern macht die Marke Gewinn. Der Textilmarkt in Europa wächst zwischen 2,5 und 3,5 Prozent pro Jahr. Geplant ist, künftig darüber zu liegen.

Im Mai wurde Aufsichtsratschef Thomas Tochtermann durch die Fosun-Managerin Jenny Shao ersetzt. War es aus strategischer Sicht falsch, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat gegen Fosun gestellt haben?

Es geht nicht um Personen, sondern wir als Vorstand sind dem Wohl von Firma, Mitarbeitern und Aktionären verpflichtet. Wenn ein Großaktionär eine andere Meinung hat, ist das absolut legitim, aber das beeinflusst unsere Entscheidung nicht.

Ihr Vertrag lief noch bis März 2020, nun scheiden Sie zum 31. Oktober aus. Warum?

Vorzeitige Rücktritte sind durchaus üblich, wenn ein Vertrag ausläuft und zwischen den Parteien klar ist, dass beide Seiten den Vertrag nicht verlängern werden.

Warum war das klar?

Das sind Internas. Mir war vor allem wichtig, dass die Frage der langfristigen finanziellen Stabilität gelöst ist – das ist jetzt erfolgt – und ein geregelter Übergang erfolgen kann. Wir hatten gute, konstruktive Gespräche hierzu.

Bekommen Sie die Restlaufzeit ausbezahlt?

Es gibt normale rechtliche Usancen – da haben wir uns sehr konstruktiv und schnell geeinigt.

Was sind ihre größten Erfolge?

Wir haben massiv Altlasten abgebaut, uns aus Ländern zurückgezogen, in denen die Marke Tom Tailor keine Sichtbarkeit hatte, nachfrageschwache Produktlinien und unprofitable Geschäfte geschlossen. Als ich hier anfing, hatten wir mehr als 1450 Filialen, jetzt sind wir bei weniger als 1200. Die Abhängigkeit vom stagnierenden deutschen Markt konnten wir reduzieren, indem wir in profitablen Auslandsmärkten wie in Osteuropa gewachsen sind. Auch unsere Zusammenarbeit mit den prominenten Models wie Toni Garrn und Naomi Campbell hat dabei geholfen.

Was haben Sie für Fehler gemacht?

Fehler gehören zum Leben dazu. Was mir nicht gelungen ist: Das Thema Bonita im Sinne der Aktionäre zu lösen.

Gehen Sie davon aus, dass der Verkauf noch gelingt?

Ja. Es gibt eine zweistellige Zahl von ernsthaften Interessenten, unter anderem Firmen aus unserer Branche und strategische Investoren, für die eine Marke wie Bonita Sinn macht und die Synergien heben können mit anderen Teilen ihres Portfolios. Zum aktuellen Zeitpunkt ist ein Verkauf jedoch für uns kein Thema. Wir planen, Anfang 2020 die Gespräche wieder aufzunehmen.

Was haben die Chinesen mit Tom Tailor vor? Wird die Zentrale in Hamburg bleiben?

Ich kann nur so viel sagen: Ihr Investment in das Unternehmen ist auf jeden Fall langfristig orientiert. Tom Tailor ist und bleibt eine Hamburger Firma. Ich sehe keinerlei Änderungen in der Zukunft, der Sitz wird in Hamburg bleiben. Wir sind derzeit rund 700 Mitarbeiter hier und haben immer noch 90 offene Stellen am Standort. Wir suchen vor allem Fachkräfte für Digitalisierung und IT.

Sie sind mit 46 Jahren zu jung für den Ruhestand. Was planen Sie nach Ihrem Rückzug in den nächsten Monaten?

Urlaub machen, mich mehr um meine zwei Kinder kümmern und wieder mehr laufen. Beruflich werde ich mir in aller Ruhe anschauen, was kommt. Es gibt diverse Anfragen, aber ich lasse mir bei dieser Entscheidung die notwendige Zeit.

Das ist Tom Tailor

Tom Tailor wird vom Hamburger Uwe Schröder 1962 gegründet. Bis 2006 führt er das Unternehmen, dann übernimmt Dieter Holzer. Der Manager setzt auf Expansion, eröffnet neue Filialen und besorgt sich das Geld dafür durch den Börsengang 2010. Zwei Jahre später wird Bonita gekauft, ein Spezialist für Damenmode ab 50 Jahren – allerdings sorgt die Tochter in der Folge fast nur für Verluste. Im September 2016 löst Heiko Schäfer Holzer als Vorstandschef ab. Der chinesische Mischkonzern Fosun ist da schon Großaktionär und baut 2019 seine Anteile auf knapp 77 Prozent aus. Tom Tailor beschäftigt 3000 Menschen in Deutschland und weltweit knapp 6000.