Frankfurt/Main. Die Lufthansa ist aus dem deutschen Aktien-Leitindex Dax geflogen. Was das für die angeschlagene Fluggesellschaft und Anleger bedeutet.

Die Lufthansa fliegt aus dem Dax, dem wichtigsten deutschen Aktienindex. Das gab die Deutsche Börse am späten Donnerstag bekannt. In der Corona-Krise ist die Kranich-Airline massiv unter Druck geraten und muss vom deutschen Staat mit bis zu neun Milliarden Euro gerettet werden. Was das für den Konzern bedeutet und was Anleger jetzt wissen müssen.

Warum steigt die Lufthansa aus dem Dax ab?

In der Corona-Krise ist der weltweite Flugverkehr weitgehend zum Stillstand gekommen – und bis sich das Geschäft erholt hat, wird es nach Ansicht der Luftverkehrswirtschaft bis ins Jahr 2023 dauern. Die Lufthansa flog bereits im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro ein und erwartet in den kommenden Monaten noch schlechtere Zahlen.

All das hat den Aktienkurs der Kranich-Airline abrutschen lassen – von über 15 Euro im Februar auf knapp über sieben Euro Ende April. Der Börsenwert der größten Fluggesellschaft Europas halbierte sich somit auf gerade einmal vier Milliarden Euro. Allein der Wert der Flotte wird jedoch auf über zehn Milliarden Euro geschätzt.

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Der deutsche Aktien-Leitindex Dax umfasst die 30 größten börsennotierten Konzerne nach Marktkapitalisierung und Börsenumsatz. Eigentlich wird die Zusammensetzung immer im September überprüft. Es gibt aber eine „Fast-Exit-Regel“ – wer hinter Rang 45 rutscht, steigt sofort in den MDax ab, den Index der mittelgroßen Konzerne. Das trifft bei der Lufthansa zu.

Was bedeutet das für den Konzern?

Zunächst einmal bedeutet die Notierung im Dax internationales Prestige. Die 30 Dax-Konzerne sind die Aushängeschilder der deutschen Wirtschaft. Die Lufthansa war seit dem Start des Dax am 1. Juli 1988 ununterbrochen im Leitindex notiert. Die Top-Unternehmen stehen bei Investoren jedoch auch unter besonderer Beobachtung und sie neigen tendenziell dazu, mehr Druck auf Unternehmensentscheidungen auszuüben.

In der zweiten Börsenliga MDax ist die Wahrnehmung geringer – das könnte eine Chance für den schwer angeschlagenen Konzern sein, sich in der Krise neu aufzustellen. Bei der Lufthansa stehen mehr als 10.000 der 138.000 Arbeitsplätze auf der Kippe. In der jüngsten Vergangenheit mussten auch die früheren Schwergewichte Commerzbank und Thyssenkrupp den Dax verlassen.

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Was müssen Anleger jetzt wissen?

Anleger reagierten positiv auf den bevorstehenden Abstieg der Lufthansa aus dem Dax, der nun am 22. Juni vollzogen wird. Die Aktie legte am Freitagvormittag bereits um acht Prozent zu. Seitdem der Konzern die rettende Staatshilfe in Aussicht hat, hat sich der Kurs generell stark erholt und steht inzwischen bei elf Euro.

Zu erwarten sind jedoch weitere Verwerfungen: Mit dem Abstieg aus dem Dax müssen Index-Fonds (ETF) ihr Depot umbilden: Lufthansa raus, den Nachfolger Deutsche Wohnen rein. Weil in Dax-Fonds ein deutlich mehr Geld investiert ist als in MDax-Fonds, ist dieser Vorgang für den Aktienkurs der Lufthansa voraussichtlich ein schlechtes Signal.

Damit könnte sich eine günstige Gelegenheit zum Einstieg ergeben. Die Lufthansa-Aktie ist jedoch nur etwas für sehr risikofreudige Anleger mit langfristigen Absichten. Mit einer Dividende ist in den kommenden Jahren nicht rechnen.

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Bis der Konzern seinen Aktionären wieder einen Gewinn ausschütten darf, muss er zunächst die Staatshilfen vollständig zurückzahlen. Das dürfte frühestens 2024 der Fall sein, wenn sich die Geschäfte gut entwickeln. Zudem schwankte der Aktienkurs der Lufthansa schon vor der Corona-Krise stark.

Wer ist die Deutsche Wohnen?

Den Platz der Lufthansa unter den 30 Dax-Unternehmen nimmt der Berliner Immobilienkonzern Deutsche Wohnen ein. Es ist neben dem Bochumer Unternehmen Vonovia, größter deutscher Vermieter, der zweite Immobilienkonzern im Dax. Zudem ist Deutsche Wohnen der erste Dax-Konzern der Hauptstadt seit der Übernahme von Schering durch Bayer vor vierzehn Jahren.

Deutsche Wohnen ist mit bundesweit 160.000 Wohnungen der zweitgrößte private Vermieter in der Republik.

Was heißt das für Mieter?

Massive Kritik an dem DAX-Aufstieg der Deutschen Wohnen kommt aus der Linken im Bundestag. „Das Geschäftsmodell beruht auf Mieterhöhungen. Es werden kaum Wohnungen gebaut. Mit Wohnugnen darf nicht an der Börse spekuliert werden“, teilte die stellvertretende Parteivorsitzende Caren Lay via Twitter mit. Sie forderte, dass Wohnungskonzernen die Börsenfähigkeit entzogen wird.

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Auch der Deutsche Mieterbund (DMB) zeigte sich besorgt. „Im DAX steigt für die Deutsche Wohnen der Druck, höhere Gewinne zu erzielen und höhere Dividenden auszuschütten“, sagte Mieterbunds-Präsident Lukas Siebenkotten unserer Redaktion. „Solange ein Wohnungskonzern seine soziale Verantwortung wahrnimmt und sich um die Belange seiner Mieter kümmert, spielt die Rechtsform auch keine Rolle. Aber die Deutsche Wohnen hat in den vergangenen Jahren diese soziale Verantwortung wiederholt nicht wahrgenommen.“

Auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) appellierte an die soziale Verantwortung der Deuschen Wohnen. „Die Deutsche Wohnen hat in den vergangenen Jahren mit ihren Entscheidungen insbesondere in Berlin für heftige Diskussionen gesorgt. Als DAX-Unternehmen steht sie unter besonderer Beobachtung, von ihr wird nun neben einer wirtschaftlichen noch stärker eine soziale Verantwortung erwartet“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko unserer Redaktion.

Die Deutsche Wohnen, die den Großteil ihrer Wohnungen in Berlin besitzt, hatte mit Mietsteigerungen in den vergangenen Jahren immer wieder für Entrüstung gesorgt. Das ging soweit, dass im letzten Jahr eine Initiative forderte, die Deutsche Wohnen zu enteignen. Die aufgeheizte Debatte rund um den Wohnungsmarkt führte schließlich zu dem Berliner Mietendeckel.

Könnten weitere Wohnungskonzerne folgen?

Wohnungs- und Immobilienunternehmen sind die Gewinner der Corona-Krise. Die Vonovia kletterte am Freitag auf ein Allzeithoch, das Papier war über 55 Euro wert. Von ihrem Allzeithoch ist die Deutsche Wohnen zwar noch acht Euro entfernt, trotzdem entwickelte sich auch das Wertpapier des DAX-Neuling stark und legte am Freitag auf über 42 Euro zu.

Mit einer Marktkapitalisierung von rudie nd 8,2 Milliarden Euro zählt auch die Düsseldorfer LEG Immobilien AG zu den Schwergewichten im MDAX. Der Gewerbeflächen-Vermieter Aroundtown kommt sogar auf eine Marktkapitalisierung von 8,57 Milliarden Euro.

Mieterbunds-Präsident Siebenkotten kann sich durchaus vorstellen, dass weitere Wohnungskonzerne in einiger Zeit den Sprung in den DAX schaffen können. „Die Immobilienbranche kommt sehr gut durch die Krise, mit Wohnungen lässt sich in Deutschland offensichtlich gut Geld verdienen“, sagte Siebenkotten.

Eine andere Auffassung vertritt GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Immobilen- und Wohnungskonzerne gelten als beständig und somit für Aktionäre oft als scheinbar langweilig“, sagte Gedaschko. In der Krise sei die Beständigkeit ein hohes Gut. Aber: „Wenn die Lufthansa wieder in voller Stärke erblüht, dann werden Wohnungsunternehmen vielleicht doch wieder als langweilig, weil markt- und wertkonstant, wahrgenommen“, sagte Gedaschko. Er rechnet damit, dass künftig eher Tech-Unternehmen als Wohnungskonzerne den Sprung in den Leitindex schaffen.