Berlin. Der Aufsichtsrat hat dem Rettungspaket für den Konzern am Montag zugestimmt. Kritik kommt aber von der Gewerkschaft Ufo.
Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo blickt mit Skepsis auf das am Montag vom Aufsichtsrat der Lufthansa gebilligte Rettungspaket für den Airline-Konzern. Die über das Pfingstwochenende erzielte Einigung der Lufthansa mit der EU-Kommission auf die Abgabe von Start- und Landerechten an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München bezeichnete Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies im Gespräch mit unserer Redaktion als „sehr zweischneidige Geschichte“.
Es sei völlig richtig, dass die EU-Kommission darüber wache, ob der Wettbewerb fair ist. „Das ist er allerdings im Luftverkehr nicht – und das ganz häufig zu Ungunsten der tarifierenden Airlines wie einer Lufthansa, Eurowings oder Condor“, sagte Baublies. „Von daher ist es an die Mitarbeiter nur ganz schwer zu vermitteln, dass in dieser Situation die EU-Kommission auch noch Auflagen gemacht hat.“ Die bei der Lufthansa vertretenen Gewerkschaften befürchten, dass sich vor allem Billiganbieter die frei werdenden „Slots“ an den beiden Lufthansa-Drehkreuzen sichern.
Die Rettung der Lufthansa ist nach wochenlangem Ringen auf der Zielgeraden. Über das Pfingstwochenende einigte sich Europas größte Fluggesellschaft mit den Wettbewerbshütern der EU-Kommission. Am Montag stimmte der Aufsichtsrat des Konzerns den Bedingungen für das neun Milliarden Euro schwere Hilfspaket zu. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer der größten Rettungsaktionen für ein Unternehmen in der Corona-Krise.
Woran hakte die Einigung?
Bundesregierung und Lufthansa hatten sich vor einer Woche auf das Rettungspaket geeinigt: Der Staat steigt mit einen Anteil von zunächst 20 Prozent bei der Lufthansa ein, leistet eine stille Einlage über 5,7 Milliarden Euro und ermöglicht über die Staatsbank KfW einen Kredit über drei Milliarden Euro.
Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission meldeten Bedenken an: Der Europäische Marktführer habe an seinen Drehkreuzen Frankfurt und München eine beherrschende Stellung und müsse bis zu 20 Flugzeuge sowie rund 80 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben.
Die Lufthansa sah ihr Geschäftsmodell gefährdet: Mit Zubringerflügen zu Drehkreuzen füllt sie große Langstreckenjets. Mit den EU-Auflagen falle es umso schwerer, zurück zur Rentabilität zu finden und die Hilfskredite schnell zu tilgen. Gewerkschaften eilten Lufthansa zur Seite.
Der Konzern muss ohnehin mindestens zehntausend der 138.000 Arbeitsplätze abbauen. Je strenger die EU-Auflagen, umso höher die zusätzlichen Verluste. Zudem profitieren von den Bestimmungen nach Gewerkschaftsangaben vor allem Billiganbieter, die ihr Personal zu schlechteren Bedingungen als die Lufthansa beschäftigen.
Was bedeutet der Kompromiss für die Lufthansa?
Die Einigung mit den Wettbewerbshütern sieht vor, dass die Lufthansa acht Flugzeuge mit 24 Start- und Landerechten abgeben muss. Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley sprach von einer „sehr schwierigen Entscheidung“. Das Kontrollgremium hatte wegen der drohenden Auflagen aus Brüssel in der vergangenen Woche vorläufig die Zustimmung verweigert und damit die Lufthansa-Rettung infrage gestellt.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte, es müsse das Ziel sein, die Spitzenposition im Luftverkehr zu verteidigen. „Für diese Perspektive sind wir allen an der Stabilisierung Beteiligten, inklusive unseren Kunden, Mitarbeitern und Aktionären, dankbar.“ Die Kredite und Einlagen über neun Milliarden Euro will der Konzern so schnell wie möglich zurückzahlen.
Lufthansa war vor der Corona-Krise hochprofitabel – derzeit verliert sie eine Million Euro pro Stunde. Auch ihre Auslandstöchter Austrian, Swiss und Brussels Airlines müssen von den jeweiligen Ländern mit Hilfskrediten gestützt werden. „Wir werden sie nicht enttäuschen und jetzt hart daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Airline-Gruppe zu sichern“, versicherte Spohr.
Der bevorstehende Personalabbau werde Thema eines Spitzengesprächs mit den Gewerkschaften Verdi, Vereinigung Cockpit und Ufo.
Wie sind die Reaktionen?
Branchenkenner halten den Kompromiss für verkraftbar, da die Luftfahrt wohl erst 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben wird und es bis dahin deutliche Überkapazitäten gibt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich grundsätzlich zufrieden. Dies sei „unterm Strich ein Kompromiss, mit dem alle Beteiligten leben können“, sagte er in der ARD.
Wie geht es jetzt weiter bei der Lufthansa-Rettung?
Der Aufsichtsrat der Lufthansa hat die Aktionäre des Konzerns zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni eingeladen. Die Anteilseigner müssen dem Rettungsplan zustimmen. Da für den Einstieg des Staats neue Aktien ausgegeben werden, führt dieser Schritt zu einer Entwertung der bisherigen Anteile.
Ohne Rettungspaket droht eine Insolvenz des Konzerns, daher gilt eine Annahme als sicher. Auch die förmliche Genehmigung aus Brüssel steht noch aus. Zudem warten Hunderttausende Kunden auf die Erstattung stornierter Tickets im Wert von 1,8 Milliarden Euro.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte zuvor im Gespräch mit unserer Redaktion noch gefordert, dass die EU die Einschränkungen für die Lufthansa verwerfen müsse. Die Opposition warnte indes, dass es nach der Rettung zum „Dumping am Himmel“ kommen könnte.
Zuvor hatten sich etwa bereits die Aktionäre des akut gefährdeten norwegischen Billigfliegers Norwegian auf einen gewagten Rettungsplan für die Airline eingelassen. Durch den in der Corona-Krise weitgehend zum Erliegen gekommenen Flugverkehr müssen Airlines weltweit nach Angaben des Weltbranchenverbands IATA mit bislang mehr als 112 Milliarden Euro gerettet werden.
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