Berlin. Die Corona-Krise dürfte den Strompreis im kommenden Jahr stark steigen lassen. Bei den Gründen dafür sind sich Experten einig.
Strom kostet schon heute nirgendwo in Europa so viel wie in Deutschland. Jetzt droht Verbrauchern ein weiterer deutlicher Preisanstieg. Schon im kommenden Jahr könnte der Durchschnittspreis für eine Kilowattstunde um sieben Prozent auf 32,2 Cent steigen. Das hat das Vergleichsportal Verivox errechnet. Verbände und Gewerkschaften teilen diese Einschätzung und sprechen eine deutliche Warnung aus.
Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem typischen Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden macht der erwartete Preisanstieg jährliche Mehrkosten von 88 Euro aus. Hintergrund ist ein befürchteter Zuschlag bei der Ökostromumlage.
Strompreis: Ökostrom-Umlage könnte wegen Corona-Krise stark steigen
Die Denkfabrik Agora Energiewende erwartet, dass die Umlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien im kommenden Jahr von derzeit 6,8 Cent je Kilowattstunde auf 8,6 Cent steigen könnte. Dies sei auf den deutlich gesunkenen Börsenpreis für Strom sowie den Einbruch der Stromnachfrage in der Corona-Krise zurückzuführen.
Mit den Einnahmen aus der EEG-Umlage gleicht der Staat die Lücke zwischen dem Börsenpreis für Strom und den garantierten Zahlungen an die Betreiber von Öko-Kraftwerken wie Solaranlagen und Windrädern aus. Eine ähnliche Entwicklung erwarten auch der Energieversorger Eon und die Gewerkschaft IG BCE.
Immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien
Auf dem EEG-Konto, auf das die Zahlungen der Stromkunden und die Einnahmen aus dem Verkauf des Ökostroms fließen, herrscht offenbar Ebbe. Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der das Konto zusammen mit den drei anderen Netzbetreibern verwaltet, musste sich deshalb einen Kredit in Höhe von 500 Millionen Euro sichern, um die Zahlungen weiter leisten zu können.
Die Menge des mit erneuerbaren Energien erzeugten Stroms ist weiter angestiegen. Nach Berechnungen des Energiekonzerns Eon wurden seit Anfang des Jahres bereits mehr als 108 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom eingespeist – acht Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Steigende Strompreise bremsen wirtschaftliche Erholung aus
Wirtschaftsverbände sind wegen der Entwicklung alarmiert und warnen vor den möglichen Folgen noch höherer Strompreise in Deutschland. „Wenn die Strompreise weiter ansteigen, könnte das eine schwere Bremse beim Weg aus der Krise sein“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Holger Lösch.
Die Kosten für den Strombezug dürften nicht weiter unkontrolliert steigen: „Die Unternehmen sind ohnehin schwer angeschlagen.“ Hohe Preise hemmten zudem eine klimapolitisch notwendige stärkere Elektrifizierung von Industrieprozessen, so Lösch: „Deutschland muss bei den Strompreisen runter vom europäischen Spitzenplatz.“
Neben der EEG-Umlage sind auch Netzentgelte ein wichtiger Bestandteil des Strompreises – an diesem Punkt will der BDI ansetzen. Lösch sagte, von einer Senkung der Netzentgelte würden sowohl die meisten Unternehmen als auch Privatverbraucher gleichermaßen profitieren. Energetische Sanierung – wie Immobilieneigentümer nach der Krise profitieren könnten.
Die Kohlekommission habe eine Senkung der Netzentgelte im Volumen von zwei Milliarden Euro pro Jahr vorgeschlagen. Eine Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz – dies ist ebenfalls in der politischen Debatte – würde vor allem Privatverbrauchern zugute kommen.
Bundesregierung will EEG-Umlage senken – aber nur minimal
Entlastungen bei den Strompreisen könnten Teil des milliardenschweren Konjunkturpakets sein, über das die Spitzen der schwarz-roten Koalition nach Pfingsten entscheiden wollen. Die Bundesregierung plant bisher im Zuge ihres Klimaschutzprogramms, die EEG-Umlage von 2021 an schrittweise um rund 1,5 Cent pro Kilowattstunde zu senken – im Gegenzug zu Belastungen beim Tanken und Heizen. Von 2021 an startet im Verkehr und bei Gebäuden eine CO2-Bepreisung. Klimapaket der Bundesregierung: Was bedeutet die Einigung für Verbraucher?
Aber auch in diesem Fall könnten die Verbraucher nicht auf einen sinkenden Strompreis hoffen. Nach Verivox-Berechnungen würde das immer noch zu einer jährlichen Mehrbelastung des Drei-Personen-Haushalts von 17 Euro führen.
IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis fordert, die EEG-Umlage als Teil des Corona-Konjunkturpakets ganz abzuschaffen und die Kosten der Energiewende über den Bundeshaushalt zu finanzieren. „Nie war das notwendiger als heute“, sagte Vassiliadis. Die Streichung der Umlage „hätte eine weitaus sozialere Wirkung als etwa eine Steuerentlastung“. Corona-Krise: Hat die Wirtschaft das Schlimmste hinter sich?
Hoher Strompreis ist schlecht für Wirtschaft und Klimapolitik
Die Hauptgeschäftsführerin des Energieverbandes BDEW, Kerstin Andreae, forderte eine spürbare Senkung der Steuer- und Abgabenlast, die in Deutschland mit mehr als 50 Prozent des Strompreises besonders hoch ausfalle. „Das ist nicht nur eine enorme Belastung für die Verbraucher, sondern behindert auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und ist klimapolitisch kontraproduktiv.“ (aky/dpa)
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