Berlin. Nach wochenlangem Ringen gibt es ein Ergebnis beim Staatshilfen-Streit für die Lufthansa. Der Konzern hat EU-Bedingungen akzeptiert.

Die durch die Corona-Krise schwer angeschlagene Lufthansa will Auflagen der EU-Kommission für das geplante milliardenschwere Rettungspaket der Bundesregierung annehmen. Wie der Konzern in der Nacht zu Samstag mitteilte, beschloss der Vorstand, einen zuvor zwischen Berlin und Brüssel ausgehandelten Kompromiss zu akzeptieren. Demnach muss die Lufthansa Start- und Landerechte an den Flughäfen Frankfurt und München an Wettbewerber abgeben. Der Deal sorgt bei der Opposition für Kritik.

Denn mit der Einigung wird die Lufthansa verpflichtet, an den Flughäfen Frankfurt und München je einem Wettbewerber die Stationierung von bis zu vier Flugzeugen samt bis zu 24 Start- und Landerechten zu übertragen. Der Vize-Fraktionschef der Linken, Fabio Di Masi, kritisierte am Samstag, dass durch diese Absprache wahrscheinlich die Lufthansa-Konkurrenten Ryanair und Easyjet profitieren würden.

Mit der Entscheidung fördere die EU-Kommission „Dumping am Himmel“. Di Masi nannte Ryanair in der Frage der Beschäftigten-Rechte einen „Schlachthof der Lüfte“. Der Linken-Politiker forderte, das EU-Beihilferecht müsse dringend reformiert werden, um größere Spielräume für eine zukunftsfähige Industriepolitik zu ermöglichen.

Milliardenhilfen: Lufthansa muss Plätze an Konkurrenten abgeben

Die Option der Start- und Landerechte-Vergabe soll den Auflagen der EU-Kommission zufolge für zumindest anderthalb Jahre nur neuen Wettbewerbern an den Flughäfen Frankfurt und München zur Verfügung stehen. Falls jeweils kein neuer Wettbewerber von der Option Gebrauch mache, werde die Option auch auf vorhandene Wettbewerber an den jeweiligen Flughäfen erweitert.

Die Slots sollen im Rahmen eines Bieterverfahrens zugeteilt werden – und nur von einem europäischen Wettbewerber übernommen werden, der selbst keine wesentliche staatliche Rekapitalisierung aufgrund der Corona-Pandemie erhalten habe. In Frage kommen also vor allem Ryanair und Easyjet.

Die Bundesregierung hatte zuvor wochenlang im Streit über das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket für die in der Corona-Krise angeschlagene Kranich-Linie gelegen. Wie die Lufthansa mitteilte, ist der Umfang der aus Sicht der EU-Kommission erforderlichen Zusagen im Vergleich zu ersten Plänen verringert worden.

Der Aufsichtsrat der Airline muss nun dem Rettungspaket inklusive der Auflagen der EU noch zustimmen. Das Unternehmen will dann im Anschluss zeitnah eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Zustimmung der Aktionäre zum Paket einzuholen.

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Lufthansa verliert eine Million Euro pro Stunde

Wegen weltweiter Reisebeschränkungen ist Lufthansa in der Corona-Krise wie die gesamte Branche in Finanznot geraten. Die Luftfahrt steht weltweit nahezu still. Lufthansa verliert rund eine Million Euro pro Stunde. Kunden fordern zudem 1,8 Milliarden Euro für ausgefallene Flüge zurück. Die Finanzreserven von zuletzt rund vier Milliarden Euro sind damit rasch aufgezehrt.

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich am Montag mit Lufthansa auf einen neun Milliarden Euro schweren Rettungsplan aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds geeinigt. Dieser sieht neben Hilfskrediten und einer stillen Einlage des Bundes eine Staatsbeteiligung von zunächst 20 Prozent vor.

Die Schweiz, Belgien und Österreich sollen die dortigen Konzerntöchter Swiss, Brussels Airlines und Austrian mit weiteren 2,5 Milliarden Euro durch die schwerste Krise der Luftfahrt retten.

Das Wirtschaftsministerium wies darauf hin, dass die Einigung noch nicht in trockenen Tüchern ist: „Im Übrigen dauern die Gespräche mit der EU Kommission zur beihilferechtlichen Genehmigung an“, heißt es in einer Stellungnahme am frühen Samstagmorgen. Aber: „Mit dem jetzt erzielten Zwischenschritt ist der Weg für eine Befassung der Hauptversammlung geebnet.“

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Gewerkschaften warnen vor Sozialdumping

In einer Börsenmitteilung kündigte der Lufthansa-Aufsichtsrat an, Alternativszenarien zum staatlichen Rettungsplan zu prüfen. Die Konzernführung um Vorstandschef Carsten Spohr hatte in den Verhandlungen laut über eine Insolvenz im Schutzschirmverfahren nachgedacht – mit womöglich massiven Einschnitten für Personal und Anteilseigner.

Der Aufsichtsrat stellte jedoch klar, dass die vereinbarte Hilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds „die einzig gangbare Alternative“ sei. Eine außerordentliche Hauptversammlung will das Gremium zunächst nicht einberufen. Die Aktionäre der Lufthansa müssen den finalen Rettungsplan billigen, der ihre Anteile deutlich entwerten dürfte.

(klay/les/phb/dpa)

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