Berlin. Wer sein Konto überzieht, muss oft kräftig zahlen. Banken und Sparkassen verlangen im Schnitt 10,08 Prozent Zinsen. Die Angebote im Vergleich.
Ob Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Geschäftsschließung oder Auftragsverluste: Millionen Bundesbürger müssen derzeit aus verschiedenen Gründen wegen der Corona-Pandemie mit weniger Geld auskommen. Dies führt dazu, dass viele Menschen gezwungen sind, ihren Dispokredit zu nutzen oder ihr Konto zu überziehen.
Doch dies ist aktuell ein teures Missvergnügen. Trotz der Niedrigzinsphase in Europa langen viele Banken und Sparkassen weiter bei Dispo- und Überziehungszinsen kräftig zu. Und dies, obwohl Banken sich schon seit März 2016 ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Leitzins von null Prozent leihen können.
Zwei Raiffeisenbanken verlangen 18,75 Prozent Überziehungszinsen
Während Sparer für ihre Guthaben deshalb kaum Zinsen mehr erhalten oder sogar Negativzinsen entrichten müssen, verlangen Geldinstitute durchschnittlich 10,08 Prozent Zinsen für Dispokredite und 12,42 Prozent für die Kontoüberziehung. Dies hat eine Auswertung des Finanzportals Biallo ergeben.
In der Spitze verlangen die Volksbank Raiffeisenbank Oberbayern Südost Bad Reichenhall und Plankstetten jeweils 13,75 Prozent für den Dispokredit. Die höchsten Zinsen für Kontoüberziehungen berechnen wiederum die Raiffeisenbank Plankstetten sowie in Pfaffenhofen mit jeweils 18,75 Prozent.
„Dass Banken ihre Kunden mit derart hohen Zinsen quälen, ist eine Unverfrorenheit“, sagt Horst Biallo, Gründer und Geschäftsführer des Finanzportals. „Dass dies auch anders geht, beweisen Anbieter wie die VR-Bank Altenburger Land mit einem Zins unter fünf Prozent oder die Kreissparkasse Gotha mit 5,70.“ Auch die GLS Bank bietet günstige Konditionen: Kunden müssen für die Nutzung ihres Dispo bis 10.000 Euro keinerlei Zinsen bezahlen. Erst darüber hinaus werden sieben Prozent Zinsen fällig.
PSD-Banken und Direktbanken sind durchschnittlich am günstigsten
Tatsächlich ist die Zinsspanne unter den Geldinstituten sehr groß. Die höchsten Zinssätze für Dispokredite verlangen die überregionalen Banken mit durchschnittlich 13,08 Prozent, gefolgt von den Sparkassen mit 10,25 Prozent, den Volks- und Raiffeisenbanken mit 10,19 Prozent und den Sparda-Banken mit 9,86 Prozent. Am günstigsten schneiden im Durchschnitt die PSD-Banken mit 7,05 Prozent ab sowie die Direktbanken, die im Schnitt 7,85 Prozent verlangen.
Unter den überregionalen Anbietern ist die Santander Bank der günstigste Anbieter, die 8,05 Prozent für die Nutzung des Dispozinses verlangt, gefolgt von der Commerzbank mit 8,75 Prozent, der Degussa Bank mit 9,63, der Postbank mit 10,55, der Hypovereinsbank mit 10,63 und der Deutschen Bank mit 10,90 Prozent. Bei den Überziehungszinsen langen Targobank mit 15,43 Prozent, Postbank mit 14,95, Deutsche Bank mit 14,90 und Degussa mit 14,23 Prozent am kräftigsten zu. Die GLS Bank nimmt bis 10.000 Euro gar keine Zins. Darüber sind es 7,0 Prozent.
Deutsche Skatbank bei Dispo- und Überziehungszins attraktiv
Die meisten günstigen Anbieter finden sich unter den Direktbanken. So stellt die Deutsche Skatbank für den Dispo- und Überziehungszins je 4,08 Prozent in Rechnung, die Comdirect Bank 6,5 Prozent, die ING 6,99 Prozent und die DKB 7,34 Prozent. Unter den regionalen Banken sind beim Dispo die VR-Bank Altenburger Land (4,58 %), Sparkasse Holstein (5,14 %), Merkur Privatbank (5,41 %) und Bank für Kirche und Caritas (5,69 %) am günstigsten.
Viele Verbraucher sind empört über das Missverhältnis zwischen hohen Überziehungs- und niedrigen Sparzinsen. „Schon seit Jahren kritisieren wir die verbreitet viel zu hohen Dispozinsen und die zum Teil noch höheren Zinsen für die geduldete Überziehung“, kritisiert Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Als Mitglied des Bündnisses gegen Wucher stellt die Verbraucherzentrale deshalb die Frage, „ob das nicht Wucher ist. Wir sind auch schon lange für eine gesetzliche Regelung, die diesen Missstand beseitigt – etwa in Gestalt eines Zinsdeckels.“
Bankenverband sieht funktionierenden Wettbewerb
Die Geldinstitute verteidigen dagegen die freie Zinsgestaltung. „Die Vergabe von Dispokrediten bereitet den Banken mehr Aufwand als Ratenkredite. Niemand weiß, wann der Kredit in Anspruch genommen wird, in welcher Höhe und wann er zurückgezahlt wird. Im Gegensatz zu Ratenkrediten gibt es beim Dispo keine festgelegte Tilgung“, sagt Thomas Schlüter, Sprecher des Deutschen Bankenverbands. Gleichzeitig zeige die Zinsspanne, dass die Konkurrenz unter den Geldinstituten funktioniere: „Der Zinssatz bildet sich im Wettbewerb.“
Die Verbraucherschützer raten Bankkunden, bei Geldbedarf nach günstigeren Alternativen zu suchen. Das kann ein Girokonto mit niedrigerem Dispozins bei einer anderen Bank sein oder eine andere Kreditart zur Finanzierung – wie etwa ein Ratenkredit.
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„Wer gegenwärtig wegen der Corona-Krise in finanziellen Schwierigkeiten ist und deshalb tief in den Dispo musste, sollte mit seiner Bank besprechen, dass diese – analog den gesetzlichen Regeln für Konsumenten- und Baukredite – für drei bis sechs Monate zumindest einen Teil der Zinsen erlässt“, rät Heyer.
Auch der Bankenverband ist überzeugt: „Grundsätzlich sollten Dispokredite nur zur kurzfristigen Überbrückung von Finanzengpässen genutzt werden. Für die Finanzierung von Anschaffungen sollten besser Ratenkredite gewählt werden, die günstiger sind.“ Schulden abbauen: Das raten Experten.
Horst Biallo rät unterdessen zum Kostenvergleich und Kontowechsel, sollten Verbraucher öfter auf Dispokredite angewiesen sein: „Ein Kontowechsel ist innerhalb von einer halben Stunde durchzuführen. Und die neue Bank nimmt einem praktisch die ganze Arbeit ab.“