Berlin. Millionen Deutsche sind in finanzieller Not und schämen sich dafür. Allein kommt man da nur schwer heraus. Wege aus der Schuldenfalle.

In der Schublade häufen sich die ungeöffneten Briefe. Auf dem Konto ist der Dispokredit ausgereizt, Anrufe vom Bankberater werden nicht angenommen. Die täglichen Kosten werden über unterschiedliche Kreditkarten getilgt. Im Kopf dreht sich das Karussell der Ausweglosigkeit. Wie kommt man aus den Schulden wieder raus?

Fast sieben Millionen Bundesbürger können ihren Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen, zeigt der Überschuldungsreport 2019 des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (iff). Gleichzeitig lassen sich immer weniger Überschuldete fachmännisch beraten, beklagen die iff-Experten. Die Belastungen werden immer höher, die Wege aus der Schuldenfalle immer schwerer und übersichtlicher.

Dabei wäre es leicht, sich zunächst einmal Hilfe zu suchen. Doch die Scham, Schulden überhaupt zu haben, ist für viele Deutsche noch ein Hindernis auf dem Weg zum Schuldnerberater. Schuldenberatungen helfen, Darlehen leichter zu tilgen oder zu reduzieren. Doch die Angst zusätzliche Kosten durch Beratungen zu erzeugen, hält viele zudem davon ab.

Schulden durch Arbeitslosigkeit, Krankheit und wenig Einkommen

„Es ist wichtig, sich frühzeitig Unterstützung zu suchen“, sagt Josephine Holzhäuser, Referentin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Beratungsangebote gibt es von gemeinnützigen Verbänden wie etwa Diakonie oder Caritas, bei Kommunen und Verbraucherzentralen oder auch von zugelassenen gewerblichen Beratern. Die meisten Stellen arbeiten für die Hilfesuchenden kostenfrei.

Doch sich aufzuraffen und die Leistung anzunehmen, kostet Kraft. „Ein ganz wichtiger Punkt in unserer Schuldnerberatung ist es, den Betroffenen die Scham zu nehmen. Bei Schulden geht es nicht um Schuld im moralischen Sinn“, betont Marcus Köster, Rechtsanwalt im Bereich Verbraucherfinanzen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dazu passt, dass laut der iff-Studien vor allem Arbeitslosigkeit, Krankheit und geringes Einkommen Auslöser einer Überschuldung sind. Irrationales Konsumverhalten ist in weniger als zehn Prozent der Fälle ausschlaggebend.

Ein Problem sind die langen Wartezeiten bei den meisten Beratungsstellen. Doch die können genutzt werden, um Unterlagen zusammenzustellen über Anzahl und Höhe der Gläubigerforderungen. Viele haben darüber den Überblick verloren und machen Mahnbriefe nicht mal mehr auf.

Tipps und Vorbereitung für den Termin bei der Schuldnerberatung

Wer ein Haushaltsbuch zu führen beginnt, kann alle Ausgaben auf Einsparmöglichkeiten durchforsten und sie den Einnahmen gegenüberstellen.

Je mehr Vorarbeiten erledigt sind, desto schneller kann der Schuldnerberater Lösungen zunächst für existenzgefährdende Forderungen finden. „Dabei geht es in erster Linie um Mietforderungen, Forderungen von Energieversorgern und eventuelle Geldstrafen“, sagt Jurist Köster. Bei drohender Wohnungslosigkeit bestehe zudem die Möglichkeit, dass die Kommune unter Umständen einspringt und die Miet- oder Energiekosten übernimmt, meist in Form eines Darlehens.

Sind diese existenzgefährdenden Forderungen geregelt, geht es um die übrige Verschuldung. Der Schuldnerberater prüft zunächst, ob eine Forderung überhaupt berechtigt ist. „Liegt dieser Nachweis vor, kann er anstreben, mit dem Gläubiger eine Ratenzahlung oder Stundung zu vereinbaren“, erläutert Verbraucherschützer Köster.

Schulden können auch über Vergleiche getilgt werden

Reicht das nicht aus, kann der Berater versuchen, Vergleiche auszuhandeln, bei denen der jeweilige Gläubiger auf einen Teil seiner Forderung verzichtet. Der Erfolg hänge sehr vom konkreten Fall ab, berichtet Köster: „Erlässt ein Gläubiger einen Teil der Schulden, kann es für ihn finanziell günstiger sein, als wenn sein Schuldner in die Privatinsolvenz geht, weil der Insolvenzverwalter ja auch Geld kostet.“

Eine Entlastung kann auch der Pfändungsschutz bringen, der jedem Schuldner zusteht. Aber viele wissen nicht: Banken sind gesetzlich verpflichtet, das Girokonto auf Antrag des Kunden in ein sogenanntes P-Konto umzuwandeln. Guthaben darauf sind bis zu einem Grundbetrag von 1178,59 Euro je Monat vor Gläubigerzugriffen geschützt. Weitere Freibeträge können auf Nachweis dazukommen, etwa für das Kindergeld oder Unterhaltspflichten. Vorsicht: Nach einer Stichprobe der Verbraucherzentrale Hamburg weisen Banken die P-Konto-Besitzer oft nicht darauf hin, wenn Freibetragsbescheinigungen ablaufen und sich so ihr Pfändungsschutz verringert.

Wer es auch damit nicht aus der Schuldenfalle schafft, dem bleibt häufig nur die Privatinsolvenz. Das Insolvenzgericht legt auf Antrag den Beginn des Verfahrens fest. „Ab diesem Zeitpunkt muss der Schuldner seine pfändbaren Einkünfte und sein pfändbares Vermögen einsetzen, um damit einen Teil seiner Schulden zu tilgen“, erläutert der Deutsche Caritasverband. Falls er arbeitslos ist, müsse sich der Schuldner „aktiv um zumutbare Arbeit bemühen“.

Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang

Kommt der Betroffene allen Pflichten in der sogenannten Wohlverhaltensperiode nach, werden ihm die danach noch verbleibenden Restschulden gestrichen. Dies helfe „redlichen Schuldnern – also ehrlichen, zuverlässigen, pflichtbewussten Schuldnern“ – und gebe ihnen „die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang“, so das Bundesjustizministerium.

Dafür bedarf es aber eines langen Atems: Bis zur Restschuldbefreiung dauert es drei Jahre, wenn die Gläubigerforderungen zu 35 Prozent beglichen und zudem die Verfahrenskosten gedeckt sind. Andernfalls erfolgt die Befreiung nach sechs Jahren, bei Deckung der Verfahrenskosten bereits nach fünf. Ausnahme: Laut Schuldnerberatung Berlin werden Schulden aus Geldstrafen, Bußgeldern sowie Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung auf keinen Fall erlassen.

Mehr Informationen zu Verschuldung und offenen Krediten:

Schulden zu machen, ist oft Ergebnis von mehreren Faktoren: Denn vor allem nach dem Jobverlust droht die Schuldenfalle. Damit das Leben in die Berufstätigkeit nicht gleich von zu vielen Schulden belastet ist, sollten Studenten bei der Wahl des richtigen Studienkredites aufpassen. Kommt es schon zu Inkassoforderungen, ist es wichtig zu wissen, welche Rechte man als Verbraucher hat. Hier erhalten Verbraucher kostenlose Hilfe bei Inkassoforderungen.