Hamburg. Viele Ostsee-Staaten haben strenge Einreisebeschränkungen. Das setzt Individualtouristen unter Zugzwang.
Für -Fans, die regelmäßig Urlaub im nördlichen Nachbarland machen, war es ein Rückschlag. Justizminister Nick Hækkerup dämpfte Mitte der Woche die Hoffnung, dass für deutsche Touristen schon bald wieder ein Ferienhaus-Urlaub in Jütland oder ein verlängertes Wochenende in der Hauptstadt möglich sein werde. So wie die Situation derzeit aussehe, sollten Touristen seiner Ansicht nach nicht nach Dänemark einreisen dürfen, da sie möglicherweise eine Coronavirus-Infektion mit ins Land bringen könnten, sagte Hækkerup. Kurz zuvor hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) noch angekündigt, er wolle mit der Regierung in Kopenhagen über eine schrittweise Öffnung der Grenze „ab spätestens 15. Mai“ für Touristen sprechen – und damit die Erwartungen einer baldigen Normalisierung geweckt.
Auch Anette Ustrup Svendsen hatte darauf gehofft, dass ihr Heimatland die bis Montag geltenden Einreisebeschränkungen nicht verlängern werde. „Wir bereiten uns darauf vor, ab Mitte Mai wieder etwas mehr Fahrten anbieten zu können“, sagte die Sprecherin der dänischen Fährreederei Scandlines dem Abendblatt. Das allerdings war wenige Stunden vor der Rede des Justizministers. Scandlines betreibt die wichtigen Passagier- und Frachtfähren zwischen Puttgarden (Fehmarn) und Rödby sowie zwischen Rostock und Gedser.
Große Ostsee-Fähren haben jetzt fast nur Lkw an Bord
Auf den Schiffen von und nach Dänemark geht es derzeit zu, wie überall auf den Ostseefähren zwischen Deutschland den skandinavischen Ländern und dem Baltikum. „Der Frachtverkehr, die Zahl der Lkw an Bord, ist fast unverändert. Das Passagieraufkommen dagegen beträgt weniger als zehn Prozent dessen, was üblich ist“, sagt Ustrup Svendsen. Scandlines hat den Fahrplan ausgedünnt. Statt regelmäßig alle 30 Minuten abzulegen, verkehren die Fähren nun je nach Buchungslage.
Colorline hat seine beiden Passagierfähren zwischen Kiel und Oslo bereits Mitte März aus dem regelmäßigen Dienst genommen, die Frachtfähre der Reederei legt aber unverändert regelmäßig zu der 20-stündigen Überfahrt ab. Beim Schwedenspezialisten Stenaline sind die Fahrpläne zwischen Rostock und Trelleborg sowie zwischen Kiel und Göteborg zwar fast unverändert. In Kiel entfällt derzeit nur die Abfahrt am Sonnabend. „Voraussichtlich bis Ende Mai“, sagt Tim Kötting, der Stenaline-Sprecher in Deutschland. Auch auf deren Fähren sind fast ausschließlich Lkw-Fahrer und aus beruflichen Gründen reisende Passagiere an Bord.
Schweden handhabt Einreise liberal
Dabei ist Schweden vergleichsweise liberal. Das Außenministerium in Stockholm hat nur die Empfehlung ausgesprochen, allein aus wichtigen Gründen einzureisen. Ein klares Verbot für Touristen gibt es nicht. Dennoch sind sie auf den Schweden-Fähren kaum Menschen anzutreffen. Das liegt wahrscheinlich an der weltweiten Reisewarnung des deutschen Außenministeriums, die derzeit bis 14. Juni gilt. Demnach sollen aus dem Ausland Einreisende sich zunächst einmal für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben. Ein hoher Preis.
In Finnland und Norwegen dagegen dürfen Touristen vorerst gar nicht einreisen. Litauen verlangt eine 14-tägige Quarantäne. Bei Finnlines (Lübeck-Malmö und Lübeck-Helsinki) sowie bei DFDS (Kiel-Klaipeda) wirkt sich das ebenfalls stark aus.
Individualreisende unter Zeitdruck
Und je länger die Restriktionen Bestand haben, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Urlaub mit der Fähre in diesem Jahr ganz ins Wasser fallen könnte. Denn an Bord der Schiffe ist der Anteil von Individualreisenden groß. Zwar räumen alle Reedereien teils großzügige Stornierungs- oder Umbuchungsmöglichkeiten ein. Doch solange nicht absehbar ist, wie lange der Einreisestopp dauert, ist eine Umbuchung nicht sinnvoll. Mehr noch: Reisende, die nicht nur die Überfahrt, sondern im Zielland auch ein Quartier gebucht haben, geraten jetzt zunehmend unter Druck. Für viele rückt der Zeitpunkt näher, bis zu dem sie die Unterkunft noch ohne oder mit nur geringen Kosten stornieren können.
Weithin unklar ist zudem, wie viele Passagiere künftig überhaupt an Bord dürfen. Auch auf den Fähren gelten die üblichen Abstandsgebote, sind Markierungen dafür geklebt, ist die Gastronomie geschlossen oder stark eingeschränkt. Einige Dutzend Lkw-Fahrer lassen sich vergleichsweise einfach in Einzelkabinen unterbringen oder im Speisesaal weit voneinander entfernt platzieren. Auf einer Fähre voller Touristen aber sind die Pandemieregeln kaum einzuhalten.
„Halunderjet“ soll ab 20. Mai wieder verkehren
Das gilt auch für die Fähren der Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.), die von Dagebüll nach Föhr und Amrum fahren. „Im Moment könnte man die Passagiere im Salon noch per Handschlag begrüßen“, sagt Reederei-Geschäftsführer Axel Meynköhn. Das macht natürlich niemand.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden
Nachdem Schleswig-Holstein vor einigen Tagen zunächst den Zweitwohnungsbesitzern die Rückkehr auf die Inseln gestattete, sind die Fähren wieder etwas besser ausgelastet. Am Donnerstag wurde der eingeschränkte Fahrplan schon mal um eine zusätzliche Fahrt erweitert. Derzeit sind zwei Fähren im Einsatz, drei wären an sich üblich, in Spitzenzeiten sind es vier. Nach der Ankündigung der Landesregierung in Kiel vom Donnerstag, dass Restaurants und Hotels vom 18. Mai an unter Auflagen wieder öffnen dürfen, wird der Fahrplan absehbar weiter ausgeweitet.
Einige wenige dürfen doch nach Dänemark
Auch die Fährverbindung zwischen Hamburg und Helgoland soll es bald wieder geben. „Wir sind optimistisch, ab dem 20. Mai fahren zu können“, sagte Birte Dettmers, die Geschäftsführerin der FRS Helgoline, dem Abendblatt. Der „Halunderjet“ werde dann bis zu 480 statt der möglichen 680 Passagiere auf die Insel bringen können. Einen Schub erhofft sich Dettmers zudem für die FRS-Fährlinie zwischen dem dänischen Römö und Sylt. Deren deutsche Passagiere gehören zu den wenigen, die schon jetzt die dänische Grenze passieren dürfen – wenn sie nachweisen, dass sie auf Sylt arbeiten.