Kiel. Minister Bernd Buchholz hat eine unmögliche Aufgabe. Er muss das Einreiseverbot verteidigen, aber auch den Tourismus am Leben halten.
Am kommenden Montag ist es so weit: Zweitwohnungsbesitzer, Dauercamper, Segler und Golfer dürfen wieder ins Land. Schleswig-Holstein, das lange als „Glückswachstumsland“ um Touristen geworben hat, ist vom Corona-Unglück so weit genesen, dass die Tourismusbranche ganz langsam wieder loslegen darf. In der zweiten Maihälfte könnten Ferienwohnungen und Restaurants folgen, dann Hotels, zuletzt kommt der Tagestourismus dran. Bernd Buchholz (FDP), seit 2017 Wirtschafts-, Tourismus- und Verkehrsminister, macht derzeit etwas, was er noch nie tun musste: Er versucht, den vom Virus verschütteten Weg zu den Stränden wieder freizulegen.
Hamburger Abendblatt: Herr Buchholz, wie fühlen Sie sich als Tourismusminister eines Landes, für das es seit sechs Wochen ein touristisches Einreiseverbot gibt?
Bernd Buchholz: Das wünscht man keinem. Als Tourismusminister hat man ja die Aufgabe, so viel Tourismus wie möglich ins Land zu holen und nicht so wenig wie möglich. In dieser Phase ist das aber notwendig.
Schleswig-Holstein hat vergleichsweise wenige Virusfälle, die Kliniken waren nie ausgelastet. Waren die Einschränkungen im Tourismus rückblickend gesehen überzogen?
Buchholz: Aus meiner Sicht nicht. Es galt, die Überforderung unserer intensivmedizinischen Kapazitäten zu vermeiden. Da waren wir erfolgreich. Zeitlich befristete Einschränkungen sind in dieser Phase in Ordnung.
Unklar ist allerdings, wann diese Einschränkungen aufgehoben werden.
Buchholz: Wir sind jetzt dabei, die Restriktionen schrittweise zu lockern und dabei das Infektionsgeschehen im Blick zu behalten. Ich halte diesen Weg für absolut richtig, weil er verantwortlich mit den Freiheitsrechten der Bürger umgeht und auf der anderen Seite die Verantwortung beachtet, die der Staat für die Gemeinschaft insgesamt hat.
Der Ministerpräsident hat am Donnerstag Lockerungen im Tourismus und in der Gastronomie in der zweiten Maihälfte versprochen. Was bedeutet das konkret?
Buchholz: Dass wir entsprechend unseres Vierstufenplans nach Freigabe der Zweitwohnungen im nächsten Schritt die Ferienwohnungen und parallel dazu auch einen Teil der Gastronomie wieder ermöglichen wollen – zumindest dort, wo der Infektionsschutz am besten zu gewährleisten ist, wie etwa im Bereich der Außengastronomie. Voraussetzung für jeden Lockerungsschritt ist ein weiterhin unauffälliges Infektionsgeschehen. Vor diesem Hintergrund hoffen wir alle auf Mitte Mai für den nächsten Schritt.
Die Restriktionen werden nicht folgenlos bleiben. Wie wird 2020 Jahr für die Hotellerie und Gastronomie: schlecht, sehr schlecht oder katastrophal?
Buchholz: Katastrophal wird es nicht werden. Der internationale Tourismus wird am stärksten leiden. Hier wird es aus meiner Sicht in diesem Jahr fast nichts mehr geben. Vielleicht wird es auch in den kommenden Jahren noch eine Zurückhaltung bei Auslandsreisen geben. Aber das bedeutet, dass Urlaub im eigenen Land wichtiger wird – also auch in Schleswig-Holstein.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden
Die tourismusstärksten Monate in Schleswig-Holstein sind Juli und August. Welche Form von Tourismus wird dann wieder möglich sein?
Buchholz: Ich hoffe, dass wir mit Auflagen und Einschränkungen einen Tourismus haben werden, der es bei Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln ermöglicht, an unsere Strände zu kommen. Mit einer begrenzten Auslastung, aber vielleicht ja auch mit einer vollen Auslastung sollte Tourismus auch in den Beherbergungsbetrieben möglich sein. In welchen Stufen das genau passieren wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich habe die Sommersaison 2020 bisher noch nicht abgeschrieben.
Macht es für Hotels Sinn zu öffnen, wenn sie wegen des Infektionsschutzes nur die Hälfte der Zimmer vermieten können?
Buchholz: Das ist ein Problem der Wirtschaftlichkeit, das muss jeder Hotelier für sich beantworten. Es gibt noch ein weiteres Problem. Viele Hoteliers erzählen mir, dass sie für bestimmte Sommermonate schon ausgebucht sind, und fragen, wie sie das regeln sollen. Welchen Gästen soll man da absagen, wenn nur die Hälfte der Zimmer belegt werden darf? Muss man das auswürfeln? Deswegen wäre es mir viel lieber, wenn wir bei den Hotels und Ferienwohnungen mit voller Kapazität an den Start gehen könnten.
Für die Hamburger ist der Tagesausflug ans Meer besonders wichtig. Sie haben eine Online-Anmeldung für Tagestouristen ins Gespräch gebracht. Wie soll die funktionieren?
Buchholz: Wir werden den Tagestourismus zunächst wieder da öffnen, wo wir nicht überlaufen werden – etwa am Ratzeburger See. Da brauchen wir wahrscheinlich keine Restriktionen. Unser großes Problem sind die touristischen Hotspots im Land. Wenn sich an einem Tag 50.000 Tagestouristen in St. Peter-Ording drängen, dann ist das nicht anders zu beurteilen als eine Großveranstaltung. Da kann man keinen Abstand halten. Das Problem haben wir in etwa zehn Topdestinationen. Wir arbeiten derzeit an unterschiedlichen Modellen, wie man den Tagestourismus steuern kann. Dazu kann auch ein Ticketreservierungssystem gehören. Es würde dazu führen, dass sich an einem schönen Tag nur die Ausflügler auf den Weg machen, die eine Reservierung haben. Die könnte kostenlos sein oder an die Kurabgabe geknüpft werden. Da sind aber auch andere Regelungen denkbar.
Zuletzt hat es viele Schlagzeilen gegeben, die geschmerzt haben müssen. Da war von Polizeikontrollen die Rede, von Zurückweisungen an der Landesgrenze, von Denunziantentum.
Buchholz: Die Zeilen haben wehgetan. Aber auch, weil die Zeilen gemacht worden sind. Verantwortungsvoller Umgang gilt für die Politik, aber auch für den Journalismus. Das sage ich auch als ehemaliger Verleger. Grenzkontrollen für Fußgänger und Radfahrer hätte es nicht geben müssen, keine Frage. Aber der Lockdown musste durchgesetzt werden, deshalb das touristische Einreiseverbot. Niemand wollte den Hamburgern damit wehtun. Die Parole ,Bleibt zu Hause‘ galt für alle. Das Denunziantentum hat mich extrem geschmerzt. Für dieses Anschwärzen von Menschen mit Hamburger Kennzeichen entschuldige ich mich – im Namen aller für den Tourismus Verantwortlichen in Schleswig-Holstein. Wir sind ein gastfreundliches Land. Solche Feindseligkeiten gehören sich nicht. Es tut mir leid, dass das geschehen ist.
Herr Buchholz, Sie sind auch Wirtschaftsminister. Die Arbeitslosigkeit ist im April stark angestiegen. Wie wird die Wirtschaft die Krise verkraften?
Buchholz: Das alles wird erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation im gesamten Bundesgebiet haben – und zwar unabhängig von der Frage, wie schnell wir bestimmte Restriktionen lockern. Selbst wenn wir den Lockdown hinter uns gebracht haben, werden die Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft fortbestehen. Es wird einen starken Einschnitt und eine nur sehr langsame Erholung geben. Wir werden mit Förderprogrammen helfen müssen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Aber ich befürchte, dass Bremsspuren dieser Krise sehr kräftig ausfallen werden – viel kräftiger, als das bei allen Krisen, die ich bislang miterlebt habe, der Fall war.