Berlin. Der Wohnungsmarkt funktioniert in Deutschland meist nur analog. Mieter und Eigentümer stoßen an Grenzen. Ein Bündnis fordert Lösungen.

Online eine Wohnung ummelden? In Deutschland meist undenkbar. Digital einen Grundbucheintrag anfordern? Nicht möglich. Per Videokonferenz Beschlüsse in Eigentümerversammlungen fassen? Nicht erlaubt.

Deutschland gilt ohnehin nicht als Vorreiter bei der Digitalisierung. Aber kaum eine Branche funktioniert so analog wie der Wohnungsmarkt. Doch auch in der Krise wird umgezogen und gebaut. Aber wenn die künftige Wohnung nicht besichtigt werden kann, weil in ihr ein möglicher Risikopatient wohnt, wenn die Finanzierung von Immobilien nicht sichergestellt werden kann, weil die KfW kaum hinterherkommt, die Hilfskredite zu bearbeiten, oder wenn Notariate geschlossen haben, dann geraten Mieter und Eigentümer an ihre Grenzen.

Corona-Krise: Initiative fordert Regierung zu digitalen Lösungen auf

„Durch die Corona-Pandemie sind wir in einer besonderen Situation“, sagte Thomas Schroeter, Geschäftsführer von Immobilienscout24, unserer Redaktion. Aber: „Menschen müssen weiterhin umziehen, Vermietung und Verkauf muss weiterhin möglich sein“, so Schroeter.

Daher haben sich zehn Verbände und Unternehmen der Immobilienbranche zu einer Initiative zusammengeschlossen. In einem an die Bundesministerien adressierten Positionspapier, das unserer Redaktion vorliegt, fordert das Bündnis digitale Lösungen für die Branche.

Zur Initiative gehören Marktplattformen wie Immowelt, Immobilienscout24 und Ebay-Kleinanzeigen, der Softwareentwickler Flowfact, die Sachverständigengruppe Sprengnetter sowie die Immobilien- und Maklerverbände BVFI, GdW, IVD, VDIV und ZIA.

Wohngeld kann nur in zwei Bundesländern digital beantragt werden

Im Gegensatz zu vielen anderen Forderungskatalogen, die die Ministerien derzeit erreichen, geht es dem Bündnis nicht um Geld. Stattdessen sollen bereits verabschiedete Gesetze umgesetzt und Rechtssicherheit geschaffen werden. Das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz sieht vor, dass bis 2022 575 Verwaltungsleistungen digital abrufbar sein müssen.

So auch das Wohngeld. Aktuell kann es nur in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beantragt werden. Für viele ist das ein Problem, berichtet Axel Gedaschko, Präsident der Wohnungswirtschaft GdW: „Der Bund hat den Anspruch auf das Wohngeld erweitert, und das ist gut so. Nur nehmen viele Bürger ihren Anspruch gar nicht wahr, weil sie nicht wissen, wie es funktioniert.“ Die Bundesregierung hatte jüngst das Wohngeld erhöht.

Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternemen (GdW), dringt darauf, dass Wohngeld bundesweit online beantragt werden kann.
Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternemen (GdW), dringt darauf, dass Wohngeld bundesweit online beantragt werden kann. © imago images / photothek | Felix Zahn/photothek.netvia www.imago-images.de

Krise beschleunigt Digitalisierung in den Kommunen

Dass die Digitalisierung beschleunigt werde, wenn die Kommunen gezwungen seien, auf Online-Dienstleistungen umzustellen, zeige sich bei den Baugenehmigungen, berichtet Klaus-Peter Hesse, Geschäftsführer des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA). „Jetzt in der Krise zeigt sich, dass vieles möglich ist, was vorher angeblich nicht ging oder gewollt war“, sagte Hesse unserer Redaktion.

Unklar ist, ob das nach der Krise so bleibt. „Ich erwarte, dass die Kommunen die Krise als Chance verstehen und sich stärker mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur in und außerhalb der Verwaltung beschäftigen“, fordert Hesse. Von einem schnelleren Genehmigungsverfahren hätten in der Krise bereits viele Menschen profitieren können, hatte zuletzt auch IG-BAU-Chef Robert Feiger gesagt.

Wohnungsbesichtigungen finden in der Krise virtuell statt

Pro Jahr ziehen neun Millionen Deutsche um. Doch die klassische Besichtigung ist in der Krise oft nicht möglich. „Eine Wohnung anzumieten oder zu kaufen, ohne sie vorher zu besichtigen, sollte nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden“, sagte Caroline Hegenbarth, Geschäftsführerin des Immobilienverbands Deutschland (IVD), unserer Redaktion. Wenn Besichtigungen noch stattfinden, dann unter strengen Hygienevorschriften. Massenbesichtigungen, die insbesondere in den Metropolen in den vergangen Jahren bisweilen aus dem Ruder liefen, seien tabu.

Der IVD dringt darauf, digitale Besichtigungen zu verstärken, will im Gegenzug aber das Widerrufsrecht einschränken. Derzeit können Mieter von ihrem Vertrag zurücktreten, wenn sie die Wohnung nicht persönlich gesehen haben. Es gehe darum, diesen Widerruf zu begrenzen, ohne den Mieterschutz auszuhebeln, sagte Hegenbarth. Wenn Vermieter beispielsweise Schäden online verbergen würden, sollte der Mieterschutz gewährt bleiben.

Eine digitale Übergabe einer Wohnung könne auch Vorteile haben, meint Immobilienscout24-Geschäftsführer Ralf Weitz. „Oft geraten Kunden, wenn sie ein Übergabeprotokoll unterschreiben müssen, unter Druck“, sagte Weitz unserer Redaktion. „Eine digitale Übergabe dokumentiert aber auch Mängel, die bei einer Besichtigung vielleicht nicht auffallen.“

Finden Eigentümerversammlungen bald per Online-Konferenz statt?

Lahmgelegt sind derzeit Eigentümerversammlungen. Während das Aktien- und Vereinsrecht angepasst und Online-Versammlungen erlaubt wurden, müssen Eigentümer weiterhin physisch zusammenkommen. Angesichts des Versammlungsverbots war das für die rund zwei Millionen Wohnungseigentümergemeinschaften zuletzt nicht möglich.

Nur 2,7 Prozent der Versammlungen fanden wie geplant statt. Das ergab eine Umfrage des Immobilienverwalter-Verbandes VDIV. „Es werden kein Wirtschaftsplan und keine Abrechnungen verabschiedet. Doch noch viel schlimmer ist, dass wir in diesem Jahr keinerlei größere Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen umsetzen werden“, sagte VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler.

Am Mittwoch befasste sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Thema, geplant ist eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes. Stimmt der Bundestag den geplanten Änderungen zu, könnten Eigentümerversammlungen künftig digital Beschlüsse fassen. Dass das bisher nicht möglich ist, hat einen einfachen Grund: Das derzeit gültige Gesetz stammt aus dem Jahr 1951.

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