Hamburg. Hamburger Unternehmen profitiert von der Coronakrise, steigert Zahl der Kunden stark und expandiert nun in Deutschland.

Zu Beginn der Coronakrise haben sich Juliane Willing und Eva Neugebauer Sorgen um ihre Frischepost gemacht. Etwa 70 Prozent des Umsatzes erzielte ihre Firma zu dem Zeitpunkt mit Geschäftskunden. Vom 11. März es hagelte es Stornierungen. Firmen, die ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, und Kitas und Restaurants, die schließen, brauchten keine Belieferung mit regionalen Lebensmitteln mehr. Doch es kam anders. „Bereits fünf Tage später hatten wir einen unserer umsatzstärksten Tage überhaupt“, sagt Neugebauer.

Die beiden Gründerinnen und Geschäftsführerinnen konzentrierten sich auf ihre andere Erlösquelle: das Geschäft mit den Privatkunden. Sie stellten auf eine kontaktlose Lieferung um, boten zehn Prozent Rabatt für die Kunden und starteten die Kampagne „Support your local farmers“, also unterstütze die lokalen Landwirte. Mit ihrem Angebot trafen die Hamburgerinnen offenbar den Zeitgeist.

Zu Anfang des Jahres standen rund 10.000 Privatadressen in der Kundendatei. „Mittlerweile hat sich unser Kundenstamm um 50 Prozent erhöht“, sagt Neugebauer. Der Umsatz im Privatkundenbereich habe sich sogar versechsfacht, weil Bestandskunden mehr und häufiger orderten. Um die Bestellflut zu bewältigen, wurde das Personal aufgestockt. Vor der Coronakrise waren es gut 50 Mitarbeiter, nun sind es 85.

Bauern sollen einen fairen Preis bekommen

Das 2015 gegründete Unternehmen versteht sich als Online-Hofladen. Im Angebot sind Obst, Gemüse, Fleisch, Käse, Joghurt, Tofu etc. Dabei wird mit mehr als 300 Produzenten zusammen­gearbeitet, 80 Prozent stammen aus der Region. Die Bauern sollen quasi als Direktvermarkter ihre Produkte verkaufen und so einen höheren und fairen Preis bekommen. Produziert werden soll nur das, was auch bestellt wird. Somit werde auch das Wegwerfen überflüssiger Lebensmittel bekämpft. Im Sortiment sind zwar auch konventionell erzeugte Produkte, rund zwei Drittel sind aber biozertifiziert – für ausländische Früchte wie Orangen ist ein Ökozertifikat Pflicht.

Auf Flugobst werde verzichtet, Ananas und Bananen kommen per Schiffstransport aus Übersee. Geliefert wird im gesamten Stadtgebiet, hinzu kommen Orte im nördlichen Umland. Die Liefergebühr liegt zwischen 1,50 und 4,50 Euro, ab 85 Euro ist die Zustellung gratis. Zum Einsatz kommen eigentlich ausschließlich Elektrofahrzeuge. Die Firmenflotte besteht aus zwölf Nissan-Modellen, zwei weitere sind bestellt. Wegen des Auftragsbooms muss man derzeit allerdings auch auf Firmen zurückgreifen, die mit konventionellem Antrieb zustellen.

Corona-Ansteckungsgefahr soll minimiert werden

Vor einem Jahr zog das Lager aus Seevetal nach Rothenburgsort um. Auf mehr als 1000 Quadratmetern werden dort täglich mit Handschuhen und Mundschutz die Mehrwegkisten gepackt, auf Paletten gestapelt und den Fahrern an die Rampe gebracht. Ein Kontakt zwischen Packern und Fahrern soll verhindert werden, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. „Inzwischen konnten wir die Verluste aus dem Firmengeschäft mehr als ausgleichen“, sagt Willing. Rein operativ sei der Lieferdienst in Hamburg profitabel. Allerdings werde auch kräftig in das Lizenzpartnerprogramm investiert.

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    Seit Mittwoch gibt es Frischepost im Rhein-Main-Gebiet. Zunächst in Mainz und bald auch in Wiesbaden sollen regionale Waren nach Hause geliefert werden. Für den Newsletter gebe es bereits mehr als 500 Anmeldungen, ist Willing zufrieden: „Der Start hat reibungslos funktioniert.“ Bewusst habe man sich für die Zusammenarbeit mit Partnern als Franchisenehmern entschieden, die lokal vor Ort sind. „Regionalität kann nur gelebt werden, wenn der Partner regional vernetzt ist“, sagt Willing.

    Viele Städte sind zu klein für das Konzept

    Die Hamburger stellen das IT-System zur Verfügung, beraten beim Ablauf von Prozessen, teilen das Wissen zum Beispiel über die richtige Verpackung (auf Folien und Plastik wird verzichtet) und gewähren natürlich die Nutzung der Markenrechte Frischepost. Geplant ist eine weitere Expansion.

    Für den Start in Köln liefen die letzten Vorbereitungen, im ersten Halbjahr soll es losgehen. München und Berlin sollen noch 2020 folgen. Täglich kämen Anfragen von potenziellen Franchisenehmern. Viele Städte seien allerdings zu klein für das Konzept. Denn die Regionen sollten schon über ein Einzugsgebiet von mindestens 500.000 Einwohnern verfügen, um profitabel arbeiten zu können.

    Dass der derzeitige Boom nicht ewig anhalten könnte, ist den Gründerinnen bewusst. Zum einen könnte eine Rezession drohen, in der die Menschen ihr Geld zusammenhalten. Zum anderen könnten umgesetzte und möglicherweise anstehende Lockerungen (zum Beispiel für die Gastronomie) die Nachfrage nach ihren Produkten etwas abkühlen lassen. Dennoch ist Neugebauer, die die Unternehmenszahlen nicht beziffert, optimistisch: „Bisher haben wir jedes Jahr den Umsatz verdoppelt. Das werden wir nach aktuellem Plan auch dieses Jahr schaffen – trotz Coronakrise.“

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden