Hamburg. Frischepost beliefert in Hamburg mehr als 5100 Haushalte und Firmen mit regionalen Lebensmitteln. Expansion geplant.
Gerade haben Juliane Willing und Eva Neugebauer ihre frischen Produkte bei der Werbeagentur Weischer Media angeliefert. Vom Joghurt für zwischendurch über das Franzbrötchen bis zum kompletten Mittagsmenü im Einweckglas ist alles dabei. Die Waren stehen in einer Kühltheke, und die Mitarbeiter bezahlen mit Karte. Die Werbeagentur am Hafen mit knapp 300 Mitarbeitern ist einer der jüngsten Firmenkunden von Frischepost, eine Art Online-Hofladen, der die Produkte von 250 Produzenten aus der Region auf einer Internetplattform mit genauem Herkunftsnachweis vereint.
Neben rund 100 Firmenkunden, zu denen auch Unternehmen wie Lichtblick, About You oder Fritz-Kola gehören, werden inzwischen auch 5500 Hamburger Haushalte mit Milchprodukten, Gemüse, Obst, Backwaren, Fisch und Fleisch beliefert. „In diesem Jahr wollen wir den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln“, sagt Eva Neugebauer, einer der beiden Geschäftsführerinnen von Frischepost. Gehandelt werden rund 1500 verschiedene Lebensmittel. Davon kommen 80 Prozent von regionalen Anbietern. Regional heißt, maximal 150 Kilometer vom Hamburger Zentrum entfernt.
Lebensmittel kann man sich inzwischen von Amazon ebenso nach Hause liefern lassen wie von Rewe oder Edeka. „Unsere Online-Vermarktung für Hofprodukte hat aber bisher eine Alleinstellung“, sagt Neugebauer. „Es geht darum, die Produkte ohne Umwege und Zwischenstationen direkt vom Acker in die Stadt zu bringen.“
Produkte kommen bei Mitarbeitern gut an
Die Beschäftigten von Weischer Media müssten eigentlich weit laufen, um sich mittags etwas zu essen zu besorgen. „Es ist nicht einfach, die Mitarbeiter mit frischen Produkten zu versorgen, ohne als Unternehmen gleich eine Küchenkonzession zu beantragen“, sagt Florian Weischer, Geschäftsführer von Weischer Media. Deshalb habe das Angebot von Frischepost mit den vielen Bioprodukten überzeugt.
„Die Produkte kommen bei den Mitarbeitern gut an, und der Pizzabote fährt jetzt seltener bei uns vor“, freut sich der Firmenchef. So können die Mitarbeiter beim Mittagsmenü zum Beispiel zwischen Putenschnitzel auf Kartoffel-Gurken-Salat und Kartoffel-Kürbis-Püree mit Brokkoli und Tomaten wählen. In der Mikrowelle sind die Gerichte aus dem Glas schnell erhitzt. Außerdem gibt es Suppen und Salate. „Mit Ausnahme der süßen Sachen subventionieren wir die Gerichte mit 20 bis 25 Prozent des Verkaufspreises“, sagt Weischer.
Für den Erfolg ihres Geschäftsmodells sehen die beiden Gründerinnen zwei Trends. „Die Kunden wollen wissen, wo die Lebensmittel herkommen, und sie möchten sie möglichst aus ihrer Region beziehen“, sagt Juliane Willing, die zweite Geschäftsführerin. Zu jedem Produkt gibt es ein kleines Porträt des Lieferanten. Zum Beispiel vom Milchhof Reitbrook in den Vier- und Marschlanden. Die Kühe können sich im großen und hellen Laufstall frei bewegen, und im Sommer weiden sie auf dem Land zwischen Gewässern und Deichen.
Begrenztes Zeitbudget
Für jedes Produkt haben die beiden Gründerinnen definiert, was ihnen wichtig ist. „Bei Milch geht es darum, dass die Kühe Weideauslauf haben, eigenes Futter bekommen und Mehrwegflaschen verwendet werden“, sagt Willing. Die Eier bei Frischepost kommen vom Biohof Lieske in Hadenfeld (Kreis Steinburg). Jedes Huhn der 2800 Legehennen in Freilandhaltung hat sechs Quadratmeter Auslauf, erfahren die Kunden aus dem Lieferantenporträt. Die Biobäckerei Bahde bezieht ihr Mehl von vier Höfen aus der Region, die nach den strengen Demeter-Grundsätzen wirtschaften.
Demeter bezeichnet ein bestimmtes ökologisches Anbauverfahren und ist das höchste Qualitätssiegel für Bioprodukte weltweit. Wer das Roggenvollkornbrot von Bahde oder andere Produkte bestellt, erfährt auch stets die Länge des Transportwegs. Gemessen wird er stets vom Hamburger Michel aus. Für das Roggenvollkornbrot sind es 20 Kilometer, es kommt aus Seevetal.
Der zweite Trend ist das begrenzte Zeitbudget der meisten Menschen. „Sie wollen gute, regionale Produkte, können aber nicht Wochenmärkte und Hofläden in ihrer Region abfahren“, sagt Willing. Hier kommt das Online-Bestellsystem von Frischepost ins Spiel. Die Bestellungen werden direkt an die Produzenten weitergeleitet, und viele Produkte werden auch erst dann hergestellt und am nächsten Tag ausgeliefert. Das Lager befindet sich in Seevetal, und die acht Elektrofahrzeuge rollen an sechs Tagen in der Woche zu den Kunden. Die durchschnittlichen Liefergebühren liegen zwischen 1,90 und 2,90 Euro. „Je größer das Zeitfenster der Anlieferung ist, desto günstiger wird es für den Kunden“, sagt Willing. Die Bestellungen können aber auch in Haspa- oder Budnikowsky-Filialen abgeholt werden.
Berlin, München, Köln im Visier
Die Idee zu Frischepost hatte Juliane Willing schon lange. „Wenn Erzeuger sich auf die Qualität und Nachhaltigkeit ihrer Produkte fokussieren, haben sie häufig keine Zeit mehr für die Vermarktung“, sagt sie. Manche Produzenten können inzwischen mehr als die Hälfte ihres Umsatzes über die Plattform realisieren. „Wir sprechen die Sprache der Städter und schlagen die Brücke zu den Produzenten“, sagt Willing.
Eva Neugebauer kommt aus einer Unternehmerfamilie, die mit alternativen Energien groß geworden ist. Den beiden Gründerinnen, die sich schon während des BWL-Studiums kennengelernt haben, geht es um Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen. Das reicht von den Produzenten über die Lieferwege bis zur Verpackung. „Die Ware wird in Mehrwegkisten verpackt, die unsere Fahrer zusammen mit den Glasflaschen und anderen Mehrwegverpackungen wieder abholen“, sagt Neugebauer.
Das Konzept der regionalen Vermarktungkommt an. Nur wenige Produkte wie Biobananen oder Bioclementinen können nicht aus der Region kommen. Dann ist der Weg in die Stadt entsprechend lang: Über 2000 Kilometer müssen die Clementinen zurücklegen, die aus Italien kommen. Im kommenden Jahr will Frischepost mit rund 30 Beschäftigten den Umsatz verdreifachen. Das Lager soll von Seevetal nach Hamburg verlegt werden, um die Fahrtwege für die Elektroautos zu verkürzen.
Der nächste Schritt ist die Expansion von Frischepost in andere deutsche Städte. „Da sind wir uns mit unseren sechs privaten Gesellschaftern einig“, sagt Willing. Ende 2019 soll die Expansion starten. „Wir haben die komplexen Prozesse auf einer Plattform automatisiert, das lässt sich auch in Städte wie Berlin, München oder Köln übertragen“, sagt Neugebauer. Dort müssen dann nur neue lokale Produzenten gefunden werden, damit die Wege kurz bleiben.