Hamburg. Weltweit steht fast die gesamte Passagierjet-Flotte am Boden. Aber wie nimmt man eigentlich ein Flugzeug vorübergehend außer Betrieb?
Auf der Anzeigetafel des Hamburger Flughafens stehen derzeit häufig keine zehn Ankünfte und Abflüge pro Tag. Weltweit ist der Luftverkehr weitgehend zum Erliegen gekommen. Lufthansa fliegt noch fünf Prozent des ursprünglich geplanten Programms. 700 von 763 Flugzeugen zieht Europas größter Airline-Konzern vorübergehend aus dem Verkehr. Der Großteil von ihnen wird geparkt und eingemottet– doch was passiert dabei eigentlich?
„Man kann ein Flugzeug nicht einfach in die Ecke stellen“, sagt Frank Galander. Der Ingenieur verantwortet bei Lufthansa Technik in Hamburg den zentralen Service für die Flugzeugwartung.
Die meisten Jets des Konzerns stehen an den Drehkreuzen Frankfurt und München. Vor allem die Langstreckenflotte der Lufthansa ist dort geparkt. Die Aufgabe von Galanders Team: Rund 110 Flugzeuge auch der Konzerntöchter an Standorten wie Köln, Düsseldorf, Berlin unterzubringen – und in Hamburg.
Ein gutes Dutzend Flieger parkt in Hamburg
„Das Parken von Flugzeugen ist ein riesiger Organisationsaufwand – vor allem weil es in der Coronakrise innerhalb weniger Tage erfolgen musste“, sagt Galander. Eigentlich sollen die Maschinen möglichst lange und häufig in der Luft sein, um Geld zu verdienen.
Nun musste mit den Flughäfen nach freien Stellplätzen geschaut werden. In Frankfurt wurde die Startbahn Nordwest geschlossen, um sie als Jet-Parkplatz zu nutzen. In Fuhlsbüttel wurden neun Eurowings- und fünf Lufthansa-Maschinen untergebracht. Dabei müssen die Vorgaben der Hersteller eingehalten werden, sagt Galander: „Das Parken von Flugzeugen ist auch eine Instandhaltungsmaßnahme.“
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Die Arbeiten am Flugzeug erledigen Männer wie Steffen Glombitza. „Unsere Aufgabe ist es, das Flugzeug im Zustand flight-ready zu halten – also, dass es kurzfristig wieder einsatzbereit ist“, sagt der Teamleiter bei Lufthansa Technik. Steht das Flugzeug auf seiner Parkposition, rückt ein Team von zwei bis vier Mitarbeitern an – unter Einhaltung der Corona-Vorsichtsmaßnahmen: Abstand halten, gegebenenfalls Masken aufsetzen und möglichst im selben Team arbeiten, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern oder zu begrenzen.
Wasser ablassen, Kerosin auffüllen
Ob ein Flugzeug geparkt ist, lässt sich an den Triebwerken erkennen. „Die Motoren werden mit Planen abgedeckt, damit keine Vögel und Insekten darin nisten und keine Fremdkörper hineinkommen“, sagt Glombitza. Etwa 20 Stellen am Flugzeug wie Lufteinlässe, Sonden und Sensoren müssen mit Hüllen oder Verschlussstopfen abgedeckt werden.
Sitze und Innenraum werden vor Sonneneinstrahlung geschützt, indem die Fensterblenden heruntergezogen werden. Batterien werden abgeklemmt. Türen und Gummis gefettet. Aus den Leitungen der Klimaanlage, in den Waschräumen und der Bordküche wird das Wasser abgelassen.
Aber es kommt auch mehr Flüssigkeit in die Maschinen hinein. Es erfolgt eine Minimumbetankung. Zum einen erhält das Flugzeug so mehr Gewicht und ist weniger anfällig bei starkem Wind. Zum anderen wird verhindert, dass das Dichtungsmaterial im Tank austrocknet und porös wird. Jeden Monat erfolgt zudem eine Laboranalyse des Kerosins. Gefahndet wird nach Bakterien. Sie können den Treibstoff abbauen und Leitungen und Filter verstopfen. „Innerhalb eines Tages können wir ein Flugzeug im flight-ready-Status parken“, sagt Glombitza.
Jets werden regelmäßig bewegt
Wochenlang aus den Augen können die Arbeiter die Maschine allerdings nicht lassen. Es gibt periodische Checks, den ersten nach sieben Tagen. Bei diesen Überprüfungen werden beispielsweise die Batterien wieder angeschlossen und die Triebwerke angelassen. „Die Flugzeuge werden bewegt, um Unwuchten in den Reifen zu verhindern“, sagt Glombitza. Die Bremsen werden getestet.
Türen und Cockpitfenster werden für mehrere Stunden geöffnet, um für ausreichend Belüftung zu sorgen. Zudem schreiben die Hersteller kalendarische Checks vor, die auch während Standzeiten erfolgen müssen – wie das regelmäßige Hochfahren der Systeme oder das Fetten von Teilen.
Bis zu drei Monaten können Flugzeuge geparkt werden. Sollten sie länger am Boden bleiben, kommen sie ins sogenannte Storaging. In diesem Lagerungszustand sind sie nicht mehr lufttauglich. „Alle Systeme werden lahmgelegt“, sagt Glombitza. Nun werden beispielsweise auch Hydraulikflüssigkeiten abgelassen. Spalten im Bereich der Landeklappen und Türen werden abgeklebt, Flächen konserviert, um Korrosion zu verhindern.
Diese Arbeiten dauern bis zu fünf Tage. Maximal ein Jahr sollte dieser Zustand dauern. Ob Flugzeuge ins Storage gebracht werden, wird nach drei Monaten Parkzeit entschieden. Lufthansa will 42 Maschinen – inklusive sechs A380, die 2022 ohnehin an Airbus zurückgegeben werden sollten – sogar ganz stilllegen.
Startklar binnen 24 Stunden
Auch wenn es derzeit noch nicht absehbar ist – die Airlines hoffen, dass der Flugbetrieb schnellstmöglich wieder hochgefahren werden kann. Binnen 24 Stunden solle ein geparktes Flugzeug wieder einsatzfähig sein, sagt Manuel Sabaschus. Er ist Manager bei Eurowings Technik und arbeitet eng mit Lufthansa Technik zusammen. „Der Aufwand für ein einzelnes Flugzeug ist zwar überschaubar, aber die Masse der Flugzeuge ist eine echte Herausforderung“, sagt Sabaschus. Rund 100 Flugzeuge hat die Billigtochter der Lufthansa geparkt.
Nur noch zehn A319 mit einer Kapazität von 150 Passagieren sind im Einsatz. Ad-hoc könne die Wiedereingliederung in den Flugbetrieb nicht erfolgen, sagt Sabaschus: „Für den Start der Reaktivierung benötigen wir eine Vorlaufzeit von acht Tagen.“
Deutlich länger als 24 Stunden dauert das Beenden des Storagings. Die abgedeckten Bereiche müssen wieder freigelegt, Leitungen desinfiziert, Flüssigkeiten wie Wasser und Öle aufgefüllt werden. Umfangreiche Systemtests und zum Abschluss ein Testflug stehen an. Zudem muss der Halter Aufgaben wie das Wiederanmelden bei der Versicherung erledigen. Glombitza: „Wir brauchen fünf bis zehn Tage, um ein Flugzeug aus dem Storaging wieder für den Flugbetrieb fit zu machen.“