Papenburg. Seniorchef Bernhard Meyer richtet dramatische Videobotschaft an Belegschaft. Coronakrise “schlimmer als Terroranschläge“.

Thomas Gelder kommt nicht zur Ruhe. Beim 1. Bevollmächtigten der IG Metall Leer-Papenburg klingelt ständig das Telefon. In der Leitung sind Mitarbeiter der Meyer Werft in Papenburg, die um ihre Zukunft bangen. Einen Tag ist es her, dass Werft-Chef Bernard Meyer seiner Belegschaft in einer dramatischen Videobotschaft düstere Zeiten prophezeit hat.

„Wir müssen in allen Bereichen über Kurzarbeit, ja, aber auch über den Abbau von Arbeitsplätzen nachdenken“, hatte Meyer gesagt. Der weltweite Stillstand der Kreuzfahrtbranche wegen der Coronapandemie bringe das Unternehmen in massive Schwierigkeiten. Die Arbeitsleistung müsse mit verschiedenen Maßnahmen um etwa 40 Prozent reduziert werden.

„Da wird schon über Arbeitsplatzabbau gesprochen, bevor auch nur ein Antrag auf Kurzarbeit gestellt ist“, schimpft Gelder. „Bevor es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt, wollen wir, dass alle Maßnahmen der Kurzarbeit, Altersteilzeit und Qualifizierung ausgeschöpft werden.“

Corona trifft Kreuzfahrtbranche schlimmer als Terroranschläge

Die Coronapandemie treffe die Kreuzfahrtbranche schlimmer als die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 oder die Banken- und Finanzkrise 2009, sagte Geschäftsführer Thomas Weigend. „Noch nie hat die ganze Kreuzfahrtflotte der Welt mit über 400 Schiffen stillgestanden“, sagte Seniorchef Meyer, der seit 47 Jahren bei dem 225 Jahre alten Familienunternehmen arbeitet. Unter den jetzigen Umständen wolle kaum eine Reederei ein neues Schiff übernehmen. Es sei abzusehen, dass alle Kreuzfahrtwerften eine massive Überkapazität haben werden“, so Weigend.

Die für ihre riesigen Kreuzfahrtschiffe bekannte Werft an der Ems versucht nun, ihre bis ins Jahr 2023 reichenden Neubauaufträge zu strecken. „Wir haben Aufträge bis 2023 und in Turku sogar bis 2024“, sagte Meyer. Aber diese Verträge seien noch unter anderen Bedingungen geschlossen worden. Wichtig sei, Stornierungen zu vermeiden. Statt jährlich in Papenburg zwei große und ein kleineres Kreuzfahrtschiff zu bauen, sollten nur ein großes und ein kleines Schiff ausgeliefert werden, ergänzte Weigend. Dazu würde das Gespräch mit den Kunden gesucht.

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Vor 2023 oder 2024 keine neuen Aufträge zu erwarten

Die Meyer Werft hat am Stammsitz in Papenburg nach eigenen Angaben etwa 3600 Mitarbeiter. Mit den Tochterfirmen in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) und Turku (Finnland) beschäftigt sie 7800 Menschen. Meyer und Weigend nannten keine konkreten Zahlen zum möglich Personalabbau.

Die IG Metall fordert, dass zunächst einmal die mehr als 4000 Stellen der Werkvertragsarbeiter abgebaut werden, bevor es an die Stammbelegschaft geht. Die Werft möchte diese Arbeiter weiter einsetzen, weil sie billiger sind. Werkvertragsarbeiter kommen aus dem Ausland und verdienen knapp über Mindestlohn. In der kommenden Woche soll es Gespräche mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) geben.

Keine neuen Aufträge vor 2023 erwartet

Vor 2023 oder 2024 seien keine neuen Aufträge zu erwarten, sagte Weigend. Meyer rechnet damit, dass die Kreuzfahrtbranche erst in zehn Jahren – also 2030 – wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird. „Wir haben 1973 die Ölkrise gehabt, dann eine Tankerkrise, schließlich die Werftenkrise. Wir haben 20 Jahre gebraucht, um wieder da zu sein, wo wir 1973 waren. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass sich der Kreuzfahrtmarkt nicht so schnell wieder erholen wird“, sagte Meyer den Mitarbeitern.

Als nächstes Meyer-Schiff soll im Mai der Luxusliner „Iona“ an die britische Reederei P&O Cruises abgeliefert werden – wenn der Kunde es abnimmt. Das Schiff liegt in Bremerhaven für letzte Arbeiten an der Innenausstattung. Danach sollten in diesem Jahr ursprünglich noch die „Spirit of Adventure“ für Saga Cruises (Großbritannien) und die „Odyssey of the Seas“ für Royal Caribbean (USA) fertiggestellt werden.