Hamburg. Russland ordert bei Pella Sietas einen großen Eisbrecher. Ein neues Dock und etwa 50 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Es ist ein schönes vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, das die Chefin der Hamburger Werft Pella Sietas, Natallia Dean, ihren 350 Mitarbeitern verkünden konnte: Die Werft, die vor acht Jahren noch insolvent war, hat einen neuen Auftrag an Land gezogen, einen Mega-Auftrag. Pella Sietas soll für den russischen Staat einen Eisbrecher bauen. „Es ist der größte Auftrag, den Pella Sietas seit der Insolvenz bekommen hat“, sagte Dean. „Damit ist die Beschäftigung bis Ende 2023 gesichert.“ Der Auftrag hat ein Volumen von netto 100 Millionen Euro.

Mehr noch: Pella Sietas wird bis Ende des Jahres weitere 50 Mitarbeiter einstellen. „Damit erfüllen wir unser Versprechen, das Pella bei der Übernahme von Sietas vor fünf Jahren gegeben hat: Wir werden die Zahl der Beschäftigten wieder auf 400 aufstocken.“

Pella Sietas baut neues Dock für russischen Eisbrecher

Sechs Jahre lang hat die Werftengruppe Pella Shipyard mit Hauptsitz in St. Petersburg um diesen Auftrag gekämpft. Jetzt bekam sie die Zustimmung zum Bau des Eisbrechers – und gab diesen Auftrag gleich weiter an ihre Hamburger Werft, die dafür ausgerüstet ist, solche Schiffe herzustellen. Allerdings sind auch in Hamburg Umbauten dafür nötig. So wird der Schiffbaubetrieb in Neuenfelde sein Hafenbecken um ein weiteres, längeres Dock erweitern müssen, das von hoher Tragfähigkeit ist.

Denn der 120 Meter lange, 27,5 Meter breite und 14.000 Tonnen schwere Stahlkoloss wird besonders massiv gebaut, damit er die höchste Eisklasse erhält. Eingesetzt werden soll er im Fernen Osten, sagte Dean, also etwa in Wladiwostok. Das Ziel: Die Schifffahrtsstrecken frei von Eis zu halten, zum Beispiel die Nordostpassage – den Seeweg im Nordpolarmeer, der Atlantik und Pazifik miteinander verbindet. Das neue Schiff mit dem vorläufigen Namen „Eisbrecher 7“ wird ein Schwesterschiff zum bereits im Betrieb befindlichen „Eisbrecher 6“. Der russische Kunde plane den Bau eines weiteren Schiffes, so Dean. Dieser nächste Auftrag müsse aber noch international ausgeschrieben werden.

EU-Sanktionen verhinderten frühere Aufträge aus Russland

Es ist das erste Mal, dass die Pella Shipyard – seit der Übernahme 2014 – ihrer Werft an der Este-Mündung einen Auftrag zuschustern konnte. Bisher hatten die wegen der Annexion der Krim im Juni 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen der EU die Annahme russischer Aufträge erschwert.

„Es handelt sich jetzt aber um ein rein ziviles Schiffbauprojekt, das keinerlei Sanktionen unterliegt“, sagte Dean. Die Konstruktionsarbeiten würden sofort beginnen, allerdings in einem russischen Büro. „Wir sind ganz gespannt, wie die Zusammenarbeit klappt.“ Der neue Eisbrecher wird einen Hubschrauberlandeplatz bekommen und mit einem Kran versehen. Die Gesamthöhe beträgt rund 55 Meter.

Fähre wird gebaut, zerteilt, versendet und wieder zusammengebaut

Der neue Auftrag kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich Pella Sietas ohnehin in einem Produktionshochlauf befindet. Im Januar beginnen die Hamburger Schiffbauer mit den Arbeiten für eine neue Wattenmeerfähre der Norden-Frisia-Reederei. Zuvor müssen aber noch die Arbeiten an der neuen Bodenseefähre vorangetrieben werden, die die Stadtwerke Konstanz geordert haben.

Die provisorische Werft, die Pella Sietas am Bodensee aufgebaut hat: Dort werden die Teile einer neuen Fähre für den Bodensee zusammengesetzt.
Die provisorische Werft, die Pella Sietas am Bodensee aufgebaut hat: Dort werden die Teile einer neuen Fähre für den Bodensee zusammengesetzt. © Pella Sietas

Ein kurioses Projekt, mit historischem Vorbild: Da es keine direkte Wasserverbindung zum Bodensee gibt und dort selbst keine Werft mehr besteht, wird die 82 Meter lange Bodenseefähre in Hamburg gebaut, dann wieder zerschnitten und in Einzelteilen per Laster ins österreichische Fußach am Bodensee transportiert. Dort werden die Teile wieder zusammengesetzt. Ähnlich war dies bei der 1913 auf der Papenburger Meyer Werft gebauten „Graf Goetzen“, die auf dem Tanganjikasee in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) fahren sollte. Sie wurde an der Ems getauft, dann auseinandergeschraubt, in 5000 Holzkisten nach Afrika verschickt und dort wieder zusammengesetzt.

17 Schwerlasttransporte an den Bodensee

„Das ist ein großer logistischer Aufwand“, sagte Projektleiter Michael Tarnowski. „Wir zerschneiden die Fähre in 17 etwa fünf Meter breite und 13 Meter lange Blöcke, die per Schwerlasttransport zum Bodensee gebracht werden.“

Pella Sietas Zeitraffer

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    Das Projekt ist in doppelter Hinsicht eine besondere Herausforderung: Die neue Fähre, die mehr als 60 Autos und 700 Passagiere transportieren soll, wird nicht mit Dieselmotoren angetrieben, sondern mit dem wesentlich weniger Schadstoffe produzierenden Flüssigerdgas (LNG). „Für uns ist das Neuland und für die Zulieferer auch. Es existiert bisher keine Binnenseefähre mit LNG“, so Tarnowski. Es geben zwar eine Reihe von Seeschiffen mit LNG-Antrieb. „Die sind aber größer. Für eine kleine Bodenseefähre gibt es aber weder ein festes Regelwerk noch die passenden Komponenten.“ Außerdem liegt bei Pella Sietas immer noch ein Baggerschiff, das der Bund geordert hat, und dessen Fertigstellung sich wegen Umbauten um ein Jahr verzögert. Die Arbeit geht also nicht aus.