Berlin. Der Wirtschaft droht nach Corona 2020 ein Minus von 4,2 Prozent. Doch die Firmen sind gesund – und die staatlichen Kassen gut gefüllt.
Der deutschen Wirtschaft stehen harte Zeiten bevor. Das haben nun auch die führenden Konjunktur-Forschungsinstitute bescheinigt: Um 4,2 Prozent bricht demnach das Wachstum im laufenden Jahr ein. Im zweiten Quartal sind es sogar minus 9,8 Prozent – der größte Rückgang seit Beginn der Vierteljahresrechnung 1970.
Dennoch: Wenn man die Zahlen ins Verhältnis setzt, ist es keineswegs ein Total-Absturz. Während der Weltfinanzkrise 2009, im Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, ging die deutsche Wirtschaft um 5,7 Prozent in den Keller.
Die größte Arbeitslosigkeit der letzten Jahrzehnte wurde 2005 verzeichnet: Damals waren knapp fünf Millionen ohne Job, die Quote betrug 11,7 Prozent. Erst die Sozialreformen der „Agenda 2010“ des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder sorgten schrittweise für eine Reduzierung. Im Vergleich dazu verläuft die Entwicklung im Zuge der Corona-Krise noch einigermaßen glimpflich. Die Wirtschafts-Forschungsinstitute rechnen für dieses Jahr mit einem Anstieg der Arbeitslosenrate von 5,1 auf 5,9 Prozent. Und: Im kommenden Jahr winke ein Wirtschaftswachstum von 5,8 Prozent.
Wirtschaft nach der Corona-Krise: Zwei Faktoren könnten helfen
Zwei Faktoren dämpfen das Negativ-Szenario in Deutschland. Zum einen hat die Bundesregierung klugerweise ein umfassendes Kurzarbeitergeld-Programm aufgelegt. Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer erhalten mindestens 60 beziehungsweise 67 Prozent ihrer letzten Nettobezüge von der Jobagentur. So wird verhindert, dass sie entlassen werden. Die Firmen bekommen im Gegenzug die Lohnkosten erstattet.
Zweitens ist die deutsche Wirtschaft heute trotz der gegenwärtigen Belastungen in einem gesunden Zustand. Zwar bedeutet der Corona-Shutdown für viele Betriebe einen Crash-Test, der vor allem in der Gastronomie und im Bereich der Dienstleistungen an die Substanz geht. Aber anders als in der Finanzkrise 2008/2009, in der die Banken weltweit faule Immobilienkredite in ihren Büchern hatten, handelt es sich gegenwärtig um keine Strukturkrise.
Die Politik der schwarzen Null war richtig
Die Bundesregierung hat schnell und mit finanzieller Feuerkraft gehandelt – gut so. Das Corona-Hilfspaket für kleine, mittlere und große Unternehmen, Solo-Selbstständige und Arbeitnehmer umfasst die Rekordsumme von 1,2 Billionen Euro. Dass die Staatsverschuldung laut den Instituten auf etwa 75 Prozent der Wirtschaftsleistung – laut EU-Verträgen sind nur 60 Prozent gestattet – ansteigt, ist in Anbetracht der gewaltigen Herausforderungen verhältnismäßig.
Es zahlt sich nun aus, dass die öffentliche Hand in den vergangenen Jahren mit guter Konjunktur sparsam gewirtschaftet hat: Die Politik der schwarzen Null war richtig, so sind jetzt Rücklagen in Zeiten der Krise da. Wenn nötig, ist noch mehr Geld für eine Anschub-Finanzierung da.
Dennoch: Die deutschen Firmen hängen infolge der Globalisierung von weltweiten Lieferketten ab. Die Corona-Pandemie hat den Fluss der Im- und Exporte abrupt gestoppt. Insbesondere die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie sowie der Maschinen- und Anlagenbau, sind schwer getroffen. Klar ist auch: Eine Erholung der Konjunktur wird nicht Knall auf Fall kommen. Die globale Produktions- und Zuliefer-Maschinerie wird nur langsam wieder auf Touren kommen.
Wirtschaft nach Corona-Krise: EU-Länder müssen solidarisch sein
Die Politik spielt dabei eine Schlüsselrolle. Sie muss für die Zeit nach Ostern entscheiden, in welchen Bereichen die Ausgangssperren gelockert werden, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Es ist ein schwieriger Balanceakt zwischen dem Schutz der Gesundheit und der Verantwortung für die Wirtschaft. Eine zweite – und vielleicht noch heftigere – Infektionswelle muss vermieden werden.
Ein Aufschwung ist jedoch nur möglich, wenn die europäische Wirtschaft insgesamt wieder anläuft. Mehr als die Hälfte der deutschen Ausfuhren geht in EU-Länder. Stocken die Einfuhren aus Norditalien oder Osteuropa, stehen auch bei den Herstellern hierzulande die Bänder still.
Die EU muss daher die Schatullen öffnen, um den notleidenden Ländern – vor allem Italien und Spanien – möglichst schnell zu helfen. Das heißt nicht, dass hochverschuldete Staaten automatisch und auf Dauer von den vergleichsweise gut dastehenden Nachbarn durchfinanziert werden. Aber was Europa jetzt braucht, ist ein starkes Signal der Solidarität: Wir stehen in Zeiten der Krise füreinander ein. Die Politik war in den vergangenen Wochen zu sehr von der Sprache der Buchhalter erfüllt. Es hat an Empathie gefehlt.
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