Hamburg. Hamburger Unternehmen erreicht Rekordmarke beim Umsatz, verdient aber weniger. Werke sind geöffnet. Kurzarbeit ist nicht geplant.
Beim Hamburger Gabelstaplerbauer Jungheinrich ist es derzeit so wie vor zwölf Jahren schon einmal: Ein neuer Vorstandschef muss kurz nach dem Amtsantritt erst einmal eine handfeste Krise bewältigen. Bei Hans-Georg Frey war es 2008/2009 die weltweite Finanzkrise und der folgende Nachfrageeinbruch für die Maschinen aus den Werken des Konzerns. Bei Lars Brzoska, der im September 2019 den Vorstandsvorsitz in der Zentrale in Wandsbek übernommen hat, kommen sogar gleich zwei Entwicklungen zusammen: Ein allgemeiner Nachfrageeinbruch auf dem Weltmarkt nach den sogenannten Flurförderzeugen des Unternehmens, die im Premiumbereich angesiedelt sind. Und nun auch noch die Corona-Krise. „Die Auswirkungen von Corona auf das Unternehmen sind derzeit nicht abzuschätzen“, sagte Brzoska am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2019. Klar sei aber, dass die Nachfrage weltweit sinken werde.
Da erscheint es auf den ersten Blick geradezu paradox, dass Finanzvorstand Volker Hues der schnellen Abfolge der beiden negativen Entwicklungen sogar etwas Positives abgewinnen konnte: „Jungheinrich geht gut vorbereitet in das, was da jetzt auf uns zukommt“, sagte er. Dass der Konzern bereits im Herbst 2019, als die Existenz des Virus noch gar nicht bekannt war, ein Effizienzprogramm auflegte, sei nun ein Vorteil. „Wir haben bereits getan, womit andere jetzt erst anfangen müssen“, so Hues. So sei der Schuldenstand des Unternehmens im vergangenen Jahr um etwa 100 Millionen Euro auf jetzt „nahezu null“ reduziert worden, die Zahl der Mitarbeiter kaum noch gewachsen. „Die Verfügbarkeit von Geld wird für Unternehmen in den nächsten Monaten von zentraler Bedeutung sein. Da steht Jungheinrich gut da“, so der Finanzvorstand.
Derzeit noch keine gravierenden Auswirkungen der Corona-Krise
Aktuell spürt das Unternehmen laut Management noch keine gravierenden Auswirkungen der Corona-Krise: Auftragseingang? „Bewegt sich im Rahmen unserer Erwartungen, es passiert nichts Beunruhigendes, es ist nichts weggebrochen“, heißt es. Produktionseinschränkungen? „In allen Werken wird gearbeitet, noch ist keines geschlossen, und das ist aktuell auch nicht geplant.“ Die Lieferketten für Material und Teile?: „Funktionieren weitestgehend. Ein Spezialteam stellt das sicher.“ Kurzarbeit, die bereits im Herbst im Gespräch war? „Bisher nicht. Wir sind aber darauf vorbereitet, Entscheidungen fallen kurzfristig in Abhängigkeit von der Auslastung.“ Produktionspersonal in den Werken? „Es gibt kaum Ausfälle durch Krankheit oder weil Mitarbeiter daheim Kinder betreuen müssen. Jungheinrich beschäftigt weiter Leiharbeiter.“
Es sind allesamt Aussagen, die mit der Einschränkung „derzeit“ verbunden sind und ein unbekanntes Ablaufdatum haben. Schon in ein paar Tagen kann es anders aussehen. Vielleicht schon morgen. Einstweilen gibt der Vorstandschef die Devise aus: Wir wollen Produktion und Service so lange wie irgendwie möglich aufrechterhalten, die Gesundheit der Mitarbeiter hat aber Priorität.“
Umsatz wird sich reduzieren
Arbeitsplatzabbau oder gar Entlassungen sind derzeit kein Thema. Nach der Finanzkrise 2009 war das anders. Jungheinrich baute mehrere Hundert Jobs ab. Vor dieser Frage steht der neue Chef Lars Brzoska (noch?) nicht.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Wie es weitergehen soll, steht unter Corona-Vorbehalt. In die Jahresprognose 2020 sind die unabsehbaren Auswirkungen der Pandemie nicht eingepreist. Absehbar ist aber schon jetzt: Der Umsatz wird sich voraussichtlich auf 3,6 bis 3,8 Milliarden Euro reduzieren. 2019 hatten die Erlöse – trotz sinkender Nachfrage und ein Jahr früher als erwartet -- , erstmals die Marke von vier Milliarden Euro überschritten. Aber das ist jetzt kaum mehr als eine Randnotiz. Beim operativen Gewinn werden im laufenden Jahr 150 bis 200 Millionen Euro erwartet. 2019 waren es 263 Millionen gewesen und damit zwölf Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Die Mitarbeiterzahl stieg 2019 zwar weiter, aber gegenüber den Vorjahren nur noch leicht um 500 auf zuletzt 18.380 weltweit. Mehr als 3000 davon sind in der Hamburger Zentrale sowie in den Werken und zentralen Logistikzentren in der Metropolregion beschäftigt.
Jungheinrich-Aktie im Sinkflug
Die Jungheinrich-Aktie setzte am Mittwoch ihren Sinkflug der vergangenen Tage fort, verlor erneut deutlich mehr als fünf Prozent an Wert und notierte zeitweise bei unter 11,00 Euro auf einem neuen 52-Wochen-Tief. Gemessen am im Januar 2018 erreichten Allzeithoch von mehr als 40 Euro haben die Anteilseigner seitdem um die 70 Prozent Kursverlust hinnehmen müssen.
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Trotz aller Unsicherheiten gab Brzoska am Mittwoch einen ersten Einblick in die Konzernstrategie 2025, die derzeit erarbeitet wird und Ende des Jahres vorgestellt werden soll: Demnach will der Konzern, der fast 90 Prozent seiner Umsätze in Europa erzielt, künftig die Märkte in Nordamerika und Asien und insbesondere China stärker in den Blick nehmen, den Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien intensiv vorantreiben und unter anderem feste Zielmarken etwa für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes definieren.
Bereits definiert ist die Höhe der Dividende. Sie soll um zwei Cent sinken. Für Vorzugsaktien auf 48 Cent, für Stammaktien auf 46 Cent. Wann der Konzern den Aktionären ihren Gewinnanteil auszahlen wird, ist indes wieder unklar. Die für Ende April geplante Hauptversammlung ist vorerst abgesagt. Wegen der Corona-Krise.