Berlin. 262.500 Autobesitzer erhalten Vergleichsangebot und können bis zu 6350 Euro bekommen. Das sind die nächsten Schritte für VW-Kunden.

Ende kommender Woche beginnt die Abwicklung des Vergleichs zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und Volkswagen. Dabei geht es um die Entschädigung von VW-Kunden, die ein Dieselfahrzeug mit einer illegalen Abschaltautomatik in der Abgasreinigung erworben haben.

Die Entschädigung hat der Verband mit der ersten Musterfeststellungsklage in Deutschland erstritten. Berechtigt zum Vergleich sind jene, die ein Fahrzeug mit dem Motor des Typs EA 189 erworben haben, beim Kauf des Autos in Deutschland wohnten und das Fahrzeug vor dem 1. Januar 2016 erworben haben.

Musterfeststellungsklage: 262.500 Kunden sind anspruchsberechtigt

Nun gaben beide Seiten die Details der Abwicklung bekannt. Zunächst erhalten alle in der Sammelklage registrierten Kläger Post von VW. Die 262.500 Kunden, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, finden im Schreiben einen Benutzernamen und eine PIN.

Mit diesen Daten können sie sich ab dem 20. März auf der eigens eingerichteten Webseite www.mein-vw-vergleich.de anmelden. Dafür haben sie einen Monat Zeit. Bis zum 20. April müssen sie entscheiden, ob sie das Angebot annehmen.

Kunden benötigen eine Kopie ihres Fahrzeugbriefs

Im Online-Verfahren wird noch einmal durch Fragen geklärt, ob alle Voraussetzungen für einen Vergleich vorliegen. Schließlich müssen die Kunden noch eine Kopie des Fahrzeugbriefs hochladen. Sollte dieser noch bei einer Bank liegen oder das Fahrzeug auf einen anderen Namen, zum Beispiel eines Familienmitglieds, angemeldet ist, verspricht VW individuelle Lösungen.

Für die einzelnen Fahrzeuge sind Zahlungen zwischen 1.350 Euro und 6.350 Euro vorgesehen. Insgesamt 830 Millionen Euro hat Volkswagen dafür bereit gelegt.

Unter gewissen Umständen übernimmt VW die Anwaltskosten

Ist sich ein Kläger unsicher, ob die Offerte fair ist oder eine eigene Klage vor Gericht aussichtsreicher, kann ein Anwalt freier Wahl hinzugezogen werden. Kosten für eine Beratung übernimmt VW bis zu einem Betrag von 190 Euro.

Allerdings werden die Beratungskosten nur dann vom Konzern übernommen, wenn der Autobesitzer anschließend das Vergleichsangebot annimmt. Das begründet Ronny Jahn, der das Verfahren für den vzbv betreut, mit der folgenden Einzelklage des Kunden. Dann würde der Aufwand üblicherweise den Prozesskosten zugerechnet.

Stimmt der Kunde oder die Kundin am Ende dem finanzielle Angebot des Unternehmens zu, wird dies in einem Vertrag besiegelt. Dafür ist bis zum 20. April Zeit. Nach Ablauf der Widerrufsfrist von 14 Tagen kann die Auszahlung beginnen. Volkswagen will alle Zahlungen innerhalb von zwölf Wochen leisten.

VW: Höhe des Angebots ist nicht verhandelbar

Die Höhe der individuellen Zahlung richtet sich nach dem Alter des Fahrzeugs und dem Kaufpreis. Wirtschaftsprüfer haben während der Vergleichsverhandlungen beim Braunschweiger Oberlandesgericht das Berechnungsverfahren abgesegnet.

Die Prüfer sollen stichprobenartig kontrollieren, ob sich der Wolfsburger Konzern auch daran hält. Für den Streitfall stehen Ombudsleute als Schlichter bereit. Allerdings betont VW, dass die Höhe des Angebots nicht verhandelbar sei.

Diesel-Besitzer haben ein halbes Jahr Zeit für eine Einzelklage

Jahn ist mit dem Ergebnis zufrieden. „Wir haben für die Kunden eine Wahlfreiheit erreicht“, stellt er fest. Wer das Angebot ablehnt, kann auf den 5. Mai hoffen. An diesem Tag entscheidet der Bundesgerichtshof vermutlich, ob ein Schadenersatzanspruch für alle VW-Kunden dieses Motortyps besteht und ob vom Kaufpreis dabei eine Nutzungsgebühr abgezogen werden muss.

Etliche Gerichte haben mittlerweile Klagen im Sinne der Verbraucher entschieden. Mit dem höchstrichterlichen Votum kann die Rechtsdurchsetzung womöglich leichter werden und für den Einzelnen mehr Geld herausspringen. Sicher ist das jedoch nicht. Die Dieselbesitzer haben ein halbes Jahr Zeit für eine Einzelklage. Danach sind alle Ansprüche verjährt.

Verbraucherzentralen-Chef nur „halb-halb“ zufrieden

Nur „halb-halb" zufrieden ist Klaus Müller, Vorstand des vzbv. Dass die Musterfeststellungsklage keine Leistungsklage ist, Verbraucher also auch nach einem Urteil ihre Ansprüche individuell durchsetzen müssen, sieht Müller als „Fehlkonstruktion des Gesetzes“ an.

Der oberste Verbraucherschützer drängt daher auf die Einführung einer europäischen Leistungsklage. „Es wird Zeit, dass auch die Verbraucher stärker von EU-weiten Regeln Nutzen ziehen. „Eine Musterfeststellungsklage in Deutschland ist schön. Eine europaweite Leistungsklage ist deutlich wirksamer“, sagte Müller unserer Redaktion.

Verbraucherzentralen nehmen Sparkassen ins Visier

„Hier muss der Bundestag das Gesetz dringend nachbessern. Wenn aus der Musterfeststellungsklage eine Leistungsklage wird, hätten wir als Verbraucherschutzverband ein stärkeres Schwert in der Hand, um die Rechte der Verbraucher durchzusetzen. Das hat uns tatsächlich gefehlt“, sagte Müller.

Nach der Musterfestellungsklage gegen VW und einer laufenden Sammelklage gegen Stromversorger wollen die Verbraucherzentralen nun Sparkassen ins Visier nehmen. Viele Tausende Sparkassenkunden hätten in den vergangenen Jahren Prämiensparverträge abgeschlossen. „Sie wurden mit starken Zinszusagen geworben, von denen die Sparkassen heute nichts mehr wissen wollen. Die sächsische Verbraucherzentrale hat bereits drei Sparkassen verklagt und es gibt leider weitere Sparkassen, die dies verdient haben“, sagte Müller.

Mehr zur VW-Abgasaffäre:

Noch immer hat Volkswagen mit den Auswirkungen des Diesel-Skandals zu kämpfen. Die Staatsanwaltschaft wirft Mitarbeitern Betrug vor, der Konzern wiederum geht gegen einen ehemaligen Zulieferer vor. Noch immer sind Fahrzeuge mit manipulierter Software auf den deutschen Straßen unterwegs. In diesen Bundesländern fahren die meisten VW-Skandal-Autos. Allerdings fahren auch immer mehr Autos mittlerweile mit der emissionsärmeren Euro-6-Plakette. Der ADAC fordert daher ein ende der Verbots-Diskussion.