Berlin. Opel verzeichnet einen Betriebsgewinn von 1,1 Milliarden Euro. Doch ist die Krise schon überstanden? Autoexperten haben daran Zweifel.
Opel war lange Zeit das Sorgenkind der deutschen Automobilbranche. Fast 20 Jahre lang galt die Gewissheit: Wenn der Rüsselsheimer Autobauer seine Jahreszahlen vorlegt, dann sind diese rot. Doch seitdem Opel 2017 den Mutterkonzern wechselte und von General Motors (GM) an die französische PSA-Gruppe verkauft wurde, geht es aufwärts.
Im vergangenen Jahr verkündete PSA, dass Opel zusammen mit der britischen Schwestermarke Vauxhall einen operativen Gewinn von 859 Millionen Euro eingefahren hatte. Jetzt geht es noch weiter nach oben: Wie PSA-Konzernchef Carlos Tavares am Mittwoch in Rueil-Malmaison bei Paris mitteilte, steht bei Opel ein Betriebsgewinn von 1,1 Milliarden Euro zu Buche.
Opel: Erstmals seit 1997 erhalten Mitarbeiter einen Bonus
„Sie haben es geschafft“, sagte Tavares über die Wende bei Opel, die sich in das Konzernergebnis von PSA gut einfügt: Der Konzern, zu dem neben Opel und Vauxhall die Marken Citroën, DS und Peugeot gehören, hat in diesem Jahr ein Rekordergebnis erzielt – der Nettogewinn stieg um 13 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.
Auch Opel-Chef Michael Lohscheller zeigte sich euphorisch über die Zahlen – und lässt an dem Gewinn seine Mitarbeiter teilhaben. Jeder Beschäftigte in Europa erhalte eine Erfolgsprämie von 600 Euro, kündigte Opel-Chef Michael Lohscheller an. Es sei der ersten Bonus seit 1997.
Restrukturierungskosten sind im Ergebnis nicht enthalten
Hat Opel nach vielen Rückschlägen und Tausenden Entlassungen also die Krise überstanden? „Das Glas war vorher für Opel viertel voll, jetzt ist es halb voll. Man steht nicht mehr mit dem Rücken zur Wand“, sagte Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach unserer Redaktion. Das Ergebnis sei vor allem gut für Opels Ansehen innerhalb des PSA-Konzerns, so Bratzel.
Skeptischer ist Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Duisburger Center Automotive Research (CAR). „Auf den ersten Blick sind die 1,1 Milliarden Euro gut, doch auf den zweiten Blick trübt sich die Bilanz“, sagte Dudenhöffer unserer Redaktion.
Denn der Betriebsgewinn lässt nicht nur Steuern und Zinsen außen vor. Er berücksichtigt auch nicht die Restrukturierungskosten. Dudenhöffer beziffert diese Kosten auf 855 Millionen Euro, am Ende würden für Opel also nur noch 255 Millionen Euro übrig bleiben. „Das entspricht einer echten Umsatzrendite von 1,7 Prozent. Also nicht die ganz große Siegesmeldung“, meinte Dudenhöffer.
Lohscheller wollte gegenüber unserer Redaktion die Zahlen nicht kommentieren: „Es ist auch nicht sinnvoll, das auseinanderzurechnen. Denn wir haben Werke, die sowohl Opel- als auch Peugeot-Fahrzeuge produzieren.“
Jede dritte Stelle wurde seit 2017 gestrichen
Die Restrukturierungskosten fallen vor allem deswegen hoch aus, weil Opel harte Jahre der Sanierung hinter sich hat. Über Abfindungen, Altersteilzeit und Vorruhestand hat Opel seit 2017 rund 6800 Stellen gestrichen – jeder dritte Arbeitsplatz in Deutschland ist damit weggefallen. Und die Sparrunde ist noch nicht zu Ende. Anfang Januar wurde bekannt, dass bei Opel bis 2023 insgesamt 2100 Stellen abgebaut werden sollen.
Hinzu kommt, dass PSA und Fiat Chrysler eine Fusion planen, die sie ab 2021 zum viertgrößten Automobilhersteller der Welt machen könnte. Sollte das klappen, rechnet Dudenhöffer mit einem „großen Aderlass“ bei Opel: „Es würde bei einem Zusammenschluss große Überkapazitäten geben, entsprechend könnten viele Opel-Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren. Für die Opel-Mitarbeiter waren die Fusionspläne kein gutes Omen“, sagte Dudenhöffer.
Opel will in Japan angreifen – doch der größere Markt ist China
Doch auch die aktuellen Zahlen würden nicht auf Entspannung hinweisen, so der Autoexperte. Im für PSA wichtigsten europäischen Markt hat PSA 2019 3,49 Millionen Autos verkauft – zehn Prozent weniger als noch 2018. Der Blick geht nach Asien. „Der Zukunftsmarkt ist China. Dort ist PSA aber grottenschlecht und macht nur Verluste“, sagt Dudenhöffer. In diesem Jahr stand ein Minus von über 55 Prozent zu Buche, mit 117.000 Neuzulassungen spielt der Markt kaum eine Rolle für PSA.
Opel selbst prüft einen Markteintritt, wann und ob es die Rüsselsheimer nach China verschlägt, ist aber ungewiss. Stattdessen hat Opel zunächst Japan ins Visier genommen. Dort war Opel bereits vertreten, schied vor 14 Jahren aber wegen Qualitätsproblemen aus. „Japan ist für Opel Kleinvieh. Und Kleinvieh macht wenig Mist“, sagte Dudenhöffer.
Batteriefabrik entsteht in Kaiserslautern
Opel dagegen sieht in Japan auch einen Absatzmarkt für seine Elektro-Autos, ein Markt, den der Autobauer verstärkt bedienen möchte. Bis 2024 soll die gesamte Produktpalette elektrifiziert sein, in Kaiserslautern entsteht eine der größten Batteriezellfabriken Europas. Doch auch die ist trotz staatlicher Förderung für Opel nicht risikolos, sagt Bratzel: „Es wird noch einige Jahre dauern, bis man es schafft, preislich rentable Batteriezellen zu produzieren.“
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Auch Volkswagen plant große Investitionen in Batterien. Vor allem ist das Thema von E-Mobilität zuletzt aber durch Tesla vorangetrieben. Aber wollen Tesla und Co. im Osten nur Subventionen abgreifen? Und schafft die Elektro-Mobilität in diesem Jahr endlich den Durchbruch?