Berlin. Opel hat 2019 ein Plus im Betriebsergebnis verzeichnet. Jetzt geht es für Opel-Chef Michael Lohscheller um den Einstieg in neue Märkte.
2017 übernahm Michael Lohscheller Opel, im vorherigen Jahr rückte er als erster Deutscher in den Vorstand des Mutterkonzerns PSA auf. Unter Lohscheller verzeichnet Opel nun zum zweiten Mal einen operativen Gewinn. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der Opel-Chef die Gründe hinter den schwarzen Zahlen und gibt einen Ausblick, welche Märkte für Opel wichtig werden.
Herr Lohscheller, befindet sich Opel in einem Genesungsprozess oder ist Opel nach dem zweiten Gewinn in Folge gesund?
Opel ist kerngesund und wetterfest für die Zukunft aufgestellt. Nicht umsonst haben wir mit 6,5% im vergangenen Jahr eine operative Rendite erzielt, die zu den aktuell besten in der Automobilindustrie gehört. Natürlich gibt es immer etwas zu tun, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir zahlen unseren Mitarbeitern erstmals seit 1997 in Deutschland eine Erfolgsprämie, 600 Euro im April. Es ist ein wichtiges Signal, das zeigt, dass wir gesund wir sind.
Eine schwarze Zahl bei Opel war lange keine Selbstverständlichkeit.
Stimmt. Nach 18 Jahren andauernder Verluste haben wir nun das zweite Rekordergebnis in Folge präsentiert: 1,1 Milliarden Euro sind ein Bestwert – eine Steigerung von fast 30 Prozent zum Vorjahr. Und auch bei der Rendite haben wir mit 6,5 Prozent eine Verbesserung hingelegt. Momentan gelingt es wenigen in der Branche, ihre Ergebnisse zu steigern. Opel hat sehr eindrucksvoll dokumentiert, dass das Unternehmen nachhaltig profitabel und zukunftssicher aufgestellt ist.
In den 1,1 Milliarden Euro sind die Restrukturierungskosten aber nicht enthalten.
Die Restrukturierungskosten weist die Groupe PSA nicht auf Marken-Ebene aus. Das wäre auch nicht sinnvoll, das auseinanderzurechnen. Denn wir haben Werke, die sowohl Opel- als auch Peugeot- oder Citroën-Fahrzeuge produzieren.
Zur Wahrheit des Gewinns gehört auch, dass seit 2017 rund jede dritte Stelle in Deutschland weggefallen ist. Ist es ein bitterer Erfolg?
Wir haben Opel komplett neu aufgestellt. Wir haben die Werke effizient und wettbewerbsfähig gemacht, wir haben Kosten und Komplexität reduziert. Und ja, wir haben dabei Personal abgebaut. Aber wir haben viel mehr gemacht. Wir haben die Preisdurchsetzung um 4,5 Prozent verbessert, wir bieten mehr Ausstattung in den Fahrzeugen. Das Betriebsergebnis ist eine Kombination von allem.
Aber eben auch von der Stellenstreichung.
Der Jobabbau fand auf dem Prinzip der Freiwilligkeit statt. Mitarbeiter haben sehr attraktive Abfindungen oder Vorruhestandsregelungen gewählt. Und wir haben Zehntausende Jobs gesichert, denn Opel hatte keine Zukunft. Wer 18 Jahre Verluste macht, der ist nicht zukunftsfähig und scheidet irgendwann aus dem Markt aus. Insofern haben wir mit unserem Turnaround sowohl direkt bei Opel, aber auch im Handel und bei Lieferanten zehntausende Jobs gesichert.
Trotzdem begann das Jahr nicht gut, sie haben einen weiteren Stellenabbau verkündet.
Wir haben zum Jahresbeginn den Kündigungsschutz bis 2025 verlängert – und angekündigt, dass wir auch in das Werk Rüsselsheim investieren werden. Dass wir hier den Nachfolger des Astra ansiedeln werden. Das ist ein starkes Signal in einem Umfeld, in dem sich andere schwertun. Gleichzeitig haben wir vereinbart, dass wir das Freiwilligenprogramm noch einmal öffnen. In diesem enorm schwierigen Branchenumfeld muss man ständig an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.
PSA und Fiat Chrysler streben eine Fusion an. Setzt das Opel unter Druck, sich bei den Modellen weiterzuentwickeln?
Ich sehe dieser möglichen Fusion sehr positiv entgegen. Es würde ein größerer Konzern entstehen. Das verbessert erstens die Wirtschaftlichkeit, man kann besser einkaufen und schafft Synergien. Zweitens haben wir Opel klar als deutsche Marke etabliert. Wenn wir das weiter fortführen, dann ist das für Opel eine Chance. Wir sind die einzige deutsche Marke im Konzern und können uns damit klar positionieren.
Viele Opel-Ingenieure werden weniger euphorisch sein. Es drohen Überkapazitäten und Jobabbau.
Wir haben den Kündigungsschutz verlängert und wichtige Allokationen in Richtung Rüsselsheim getroffen, beispielsweise in Form von Kompetenzzentren. Rüsselsheim hat beispielsweise die konzernweite Entwicklungsverantwortung für die leichten Nutzfahrzeuge und ist das globale Kompetenzzentrum für wichtige Zukunftsthemen wie die Entwicklung der Brennstoffzelle. Entsprechend sind wir gut aufgestellt.
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Opel errichtet in Kaiserslautern eine Batteriezellenfabrik. Wird das Opels Durchbruch bei der Elektro-Mobilität?
Wir setzen jetzt auch schon stark auf Elektromobilität. Jedes neue Modell wird als elektrische Variante angeboten. Bis 2024 ist das gesamte Portfolio elektrifiziert sein. Wir haben die wichtige strategische Entscheidung getroffen, die Wertschöpfungskette von der Batteriezelle, dem Elektromotor und dem Fahrzeug selbst in der Hand zu haben. Wir wollen nicht in Abhängigkeit von anderen geraten. Wir glauben an die Elektromobilität und daran, dass sie aus der Nische in den Massenmarkt kommt.
Die Konkurrenz ist hart, insbesondere Tesla kommt mit viel Rückenwind und den Ruf des Pioniers. Wie will Opel dagegen halten?
Opel bietet Elektromobilität für viele Preisklassen an, das macht ja nicht jeder. Der Corsa kostet 30.000 Euro, dazu gibt es noch 6.000 Euro Förderung. Man kommt so in Preisregionen, wo eine Innovation wie Elektromobilität für viele zugänglich gemacht wird. Trotz der Preise müssen Kunden auf nichts verzichten. Der Corsa beispielsweise bietet als einziger seinem Segment LED-Matrixlicht. Das hat Opel immer stark gemacht: Innovationen für viele anzubieten und nicht in einer kleinen exklusiven Nische zu sein. Das in Verbindung mit attraktiven Design wird sehr erfolgreich sein.
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Sie haben vergangene Woche bekanntgegeben, nach Japan zurückkehren zu wollen. Dort zog sich Opel vor 14 Jahren wegen Qualitätsprobleme zurück. Einen Vertrauensvorschuss dürften Sie nicht haben…
Wir gehen den Weg, dass wir schnell in viele Märkte reingehen. Nicht lange studieren und warten, sondern sehr präzise diese Markteintritte realisieren. Das machen wir in Südamerika und Afrika. Wir sind jetzt sehr schnell zurückgegangen nach Russland. Japan ist attraktiver Markt. Der Qualitäts- und Kundenanspruch ist sehr hoch. Wir haben jetzt die Autos, die dazu passen, insbesondere in der Elektromobilität. Wir fangen auch nicht ganz bei null an. Opel hat in Japan mal 38.000 Fahrzeuge verkauft, ist dann leider ausgeschieden, aber die Marke Opel ist in Japan nicht unbekannt.
Aber warum Japan?
Wir wollen in viele Märkte und dann Schritt für Schritt das Geschäft erweitern. Und Japan ist einer der größten Automobilmärkte der Welt. Es wird unserem Geschäft helfen, dass wir unabhängiger von Europa werden. Wir schauen uns auch andere große Märkte an, sehr konkret gerade China. Die deutsche Marke Opel muss endlich einen globalen Auftritt haben.
In China hat PSA aber gerade einen Rückgang von 55 Prozent verzeichnet.
Bei PSA sind Maßnahmen eingeleitet und das Geschäft wird sich wieder positiver entwickeln. Wir als Opel gucken uns Markteintrittsstrategien an und prüfen, welche Chancen eine Marke Opel in China hat. Entscheidungen sind noch nicht gefallen.
Welche Chancen deutsche Marken in China haben, haben VW und Mercedes schon gezeigt. Woran sollte es in diesem Markt scheitern, wenn Sie den Mut finden, in schwierigere Märkte wie Japan hereinzugehen?
Es gibt eine Menge von Aspekten: Was für ein Portfolio? Was für eine Vertriebsstrategie? Mit einem Partner oder ohne? Das ist alles nicht trivial und bedarf entsprechender Vorbereitung.
Wirft das Corona-Virus die China-Planungen zurück?
Nein, überhaupt nicht.
Spüren Sie die wirtschaftlichen Folgen von Corona?
Wir haben aktuell Reiseverbote nach China und für andere Länder. Wir gucken uns täglich die Lieferketten an. Die Stabilität der globalen Lieferketten ist jetzt das entscheidende Thema. Bisher sind wir davon nicht betroffen, aber das könnte sich ändern. Wir sind in einer abhängigen globalen Weltwirtschaft. Da ist so eine Krise wie Corona ein Problem.
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Ein Zukunftsmarkt ist das autonome Fahren. Dort gilt Opel nicht als Pionier.
Der Megatrend des autonomen Fahrens ist da. Wir müssen aber priorisieren. Opel und der Konzern setzen gerade auf das Thema Elektrifizierung. Wir machen auch beim autonomen Fahren weiter, aber wir glauben nicht, dass das Thema in den nächsten ein, zwei Jahren kommt. Es gibt noch einige Fragen zu lösen.
Welche denn?
Sehr unterschiedliche. Technische, aber auch ethische Fragen. Wie programmiert man die Maschine? Fährt das Auto bei einem Unfall auf der Fahrspur oder auf den Bürgersteig? Das sind ethische Fragen, die nicht abschließend geklärt sind.
Also beschäftigten Sie sich damit, wenn es einen klaren rechtlichen Rahmen, beispielsweise seitens der EU, geben wird?
Nein, wir warten ja nicht, sondern wir sind dabei, verschiedene Stufen von der technischen Seite her zu entwickeln, sodass wir vorbereitet sind. Wir warten nicht, wir forschen intensiv.