Hamburg. Hamburger Kaffeeröster geht in seinen Filialen neue Wege. Von April an gibt es Textilien und andere Produkte ohne Kunststoffhüllen.
Irgendwann hat es Mark Schlacht gepackt. Der Verpackungsingenieur hatte gerade eine Art Faltmappe aus Pappe entwickelt, in der T-Shirts, Schlafanzüge oder Kinderjacken bei Tchibo ohne Plastik ins Regal kommen sollten. „Das war natürlich viel besser als die Plastiktüten, in denen bei uns vorher alle Textilien gesteckt haben“, sagt Schlacht. Aber so richtig zufrieden war er nicht. Version 1.0 nennt er die Entwicklungsstufe auf dem Weg zur kunststofffreien Verpackung heute.
Inzwischen ist der Senior Manager Verpackungstechnik, so der offizielle Titel, bei Version 3.0. „Es geht darum, eine Lösung zu finden, wie man ein textiles Produkt in kompakter Form, häng- und stehfähig ohne Verwendung von Plastik verpackt“, sagt der 48-Jährige. Und zwar so, dass es in den Filialen des Unternehmens, in Supermarktdepots und im Onlinehandel funktioniert. Eine Aufgabe für einen Tüftler, einen wie Schlacht.
Ziel von Tchibo ist eine 100 Prozent nachhaltige Geschäftstätigkeit
Tchibo schreibt sich gerne sein Nachhaltigkeitsengagement auf die Fahnen. Das international tätige Konsumgüterunternehmen, das aus dem Kaffeeimperium von Gründer Max Herz entstanden ist, verkauft inzwischen fair gehandelten Biokaffee, Kleidung mit Bio-baumwolle und aus recyceltem Kunststoff und hat Tchibo Share gegründet, eine Mietplattform vor allem für Kinderkleidung. Das Ziel: eine 100 Prozent nachhaltige Geschäftstätigkeit.
„Wir haben bereits vor fünf Jahren angefangen, Konzepte zur Vermeidung von Plastikmüll zu entwickeln“, sagt Thomas Mehn, Leiter der Verpackungstechnik für Gebrauchsgüter, den sogenannten Non-Food-Bereich. Es folgten ein gutes Dutzend Versuche. Zum Jahresbeginn hatte Tchibo nahezu sämtliche Plastikverpackungen für Hardwaren wie Küchenutensilien, Sportartikel, Spielsachen oder Gartengeräte, aus den Filialen verbannt. Von April an sollen auch Textilen plastikfrei verpackt sein.
Schwierigkeiten bei Textilienverpackungen
Allerdings war es deutlich schwieriger, auch die Textilienverpackungen plastikfrei anzubieten. „Das Produkt muss anfassbar und die wesentlichen Merkmale wie Muster, Kragen oder Knöpfe sichtbar sein, damit die Kunden eine Vorstellung bekommen von dem, was sie kaufen“, sagt Verpackungsingenieur Schlacht. Zugleich müssten Fotos, Informationen wie Größe, Material und Waschanleitung untergebracht werden. „Und natürlich soll die Verpackung die Ware auch schützen.“
Schlacht probierte es mit diversen Varianten. Er faltete Pappe von unten um die Textilien, schnitt Banderolen in unterschiedlichen Größen, bastelte Einleger zur Stabilisation. Irgendwann hatte er die Idee, den Pappeinleger im oberen Bereich in Bügelform zu schneiden. „Das war der Durchbruch“, sagt er. Die Kleidungsstücke müssen nur drum herum gefaltet werden, ein Gummiband um das Produkt und in eine vorgefertigte Pappbanderole gesteckt werden. „Die Produkte lassen sich sogar noch einfacher verpacken und in den Filialen aufhängen als früher“, erklärt Schlacht.
Neues Konzept
Seine plastikfreie Verpackung ist nach Angaben von Tchibo ein neues Konzept, das es so weltweit noch nicht gibt. Mark Schlacht hat inzwischen ein Patent angemeldet. „Wir sehen, dass das ein Riesenpotenzial hat“, sagt Verpackungschef Thomas Mehn. Bei mehreren Testläufen und Befragungen von Kunden und Mitarbeitern kam die Verpackung gut an. „Ich freue mich sehr über unser neues Verpackungsmodell, denn es spart viele wertvolle Ressourcen ein, bietet unseren Kunden eine bessere und haptischere Produktansicht – und ist gut im Handling. Also ein Gewinn für alle!“, sagt Wibke Bachor, Chefin aller Filialen Deutschlands.
Und auch im Vorstand und bei Familie Herz gab es großes Lob. Inzwischen haben die Hersteller in China, Sri Lanka und der Türkei, die für das Unternehmen die Verpackungen produzieren, ihre Anlagen umgebaut. Die ersten Produkte liegen in den Filialen. „Dadurch werden jährlich 30 Millionen Plastikbeutel eingespart werden“, so Verpackungschef Mehn. Parallel spart das Unternehmen inzwischen sogenannte Transportschutzbeutel ein – immerhin auch 60 Millionen Stück im Jahr. Insgesamt verursachen die Deutschen rund 38 Kilogramm Plastikverpackungsabfälle pro Kopf (Stand 2016). Ebenfalls im April startet Tchibo einen Modellversuch für den Einsatz von Mehrfachverpackungen für den Onlinehandel.
Ressourcen schonen
Das Pilotprojekt PraxPack, an dem sich unter anderem Otto und der Avocadostore, ein Onlinehändler für nachhaltige Mode, beteiligen, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ziel ist es, einen Beitrag zur Etablierung und Verbreitung von Mehrwegsystemen im Versandhandel zu leisten und eine Senkung des verpackungsbedingten Ressourcenverbrauchs (und hiermit verbundener Abfallmengen) zu erreichen.
„Ein wesentlicher Aspekt unserer Unternehmensverantwortung ist es, Ressourcen zu schonen. Das gilt gleichermaßen für Produkte wie Verpackungen“, sagt Nanda Bergstein, Direktorin für Unternehmensverantwortung. Das bedeute, möglichst wenige Ressourcen zu nutzen, nachwachsende oder recycelte Materialien einzusetzen und ein Recycling zu ermöglichen. Bei den Non-Food-Verpackungen sei hier nun ein entscheidender Schritt gelungen.
Verpackungsexperte Schlacht sitzt inzwischen an einer Weiterentwicklung seiner Plastikfreiverpackungen. Denn noch wird das neue Modell mit einem Haken aus – recyceltem – Plastik zusammengehalten und aufgehängt. Klar, dass der Ingenieur den Ehrgeiz hat, auch dafür eine andere Lösung zu finden. Die Pappe soll künftig komplett aus Altpapier sein und die Banderole um mehr als die Hälfte verkleinert werden, um die Ökobilanz weiter zu verbessern. Spätestens Weihnachten könnte Schlachts Verpackungsversion 3.0 dann in den Tchibo-Shops sein.