Hamburg. Eine Studie hat ergeben, dass die Hansestadt den höchsten Zuwachs bei Unternehmenspleiten hat – gegen den Bundestrend. Die Gründe.
Es ist eine Spitzenposition, die kein Bundesland gerne einnimmt: Hamburg war im vergangenen Jahr Deutschlands Hochburg der Firmeninsolvenzen. Zumindest, was den Zuwachs der Unternehmenspleiten angeht, liegt die Hansestadt an der Spitze aller Bundesländer. Das geht aus dem Jahresbericht 2019 der Hamburger Wirtschaftsauskunftei CrifBürgel hervor, der dem Abendblatt exklusiv vorliegt.
In Hamburg gingen 748 Firmen pleite
Der Bericht trägt zwar die Überschrift „Neuer Tiefstand bei Firmeninsolvenzen“, doch diese Aussage gilt für Gesamtdeutschland. Demnach ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen bundesweit erneut zurück – im zehnten Jahr in Folge. Um 2,8 Prozent auf 19.005 Fälle. In Hamburg war die Entwicklung eine ganz andere. Hier gab es mit insgesamt 748 Fällen einen Zuwachs von 11,1 Prozent.
Die Hansestadt ist damit eines von sechs Bundesländern, in denen die Zahl der Fälle stieg, und: Nirgendwo sonst war die Zuwachsrate höher. In Schleswig-Holstein lag sie bei lediglich 0,6 Prozent, in Berlin bei 2,5 Prozent. In Thüringen hingegen gab es mehr als ein Drittel weniger Firmenpleiten als 2018.
Der Taschenhersteller Bree und das Autohaus Willy Tiedtke gehörten zu den bekannteren Hamburger Firmen, die im vergangenen Jahr in die Zahlungsunfähigkeit rutschten. Der wohl aufsehenerregendste Fall: Die Pleite des Windturbinenherstellers Senvion. Es war gemessen an den betroffenen Mitarbeitern eine der zehn bedeutendsten Firmenpleiten des vergangenen Jahres in Deutschland.
Konzerne reißen kleine Firmen mit
Und sie liefert auch einen Teil der Erklärung dafür, warum Hamburg auf die unrühmliche Spitzenposition vorrückt. „Große Insolvenzen forcieren den Dominoeffekt auf viele Unternehmen in der Lieferkette“, sagt CrifBürgel-Geschäftsführerin Ingrid Riehl. Anders ausgedrückt: Geht ein großes Unternehmen pleite, folgen meist mehrere kleinere, die eng mit ihm verbunden waren. Ausgerechnet in Hamburg gab es eine ganze Reihe größerer Pleiten. Die Schäden beliefen sich insgesamt auf 4,4 Milliarden Euro.
Hamburg auf viertletztem Platz im Bundesländer-Ranking
Hinzu kommt: Hamburg ist eine der Gründerhochburgen im Land. „Wo viel gegründet wird, gibt es auch viele Unternehmen, die früher scheitern“, sagt Studienautor Oliver Ollrogge. Er sieht zudem rein statistische Gründe: 2018 waren die Firmeninsolvenzen in der Stadt stark gesunken, ein Jahr darauf habe es daher einen gewissen Nachholeffekt gegeben.
Und die CrifBürgel-Statistik liefert auch Daten, die belegen, dass es um die Firmenpleiten in der Hansestadt dann noch nicht ganz so schlimm bestellt ist. Betrachtet man, wie viele Unternehmen je 10.000 Firmen in die Insolvenz gingen, belegt Hamburg nur den viertletzten Platz im Bundesländer-Ranking. In der Hansestadt gingen 80 von 10.000 Firmen pleite. Mit 90 von 10.000 ist hier Berlin das Schlusslicht.
FDP: Kommende Senat muss proaktive Wirtschaftspolitik betreiben
„Erst Stau-Hauptstadt, jetzt Pleite-Hochburg: Der nächste Senat hat große Aufgaben vor sich, denn wie die neuesten Zahlen zu Firmeninsolvenzen zeigen, wird Hamburgs Wirtschaftsstruktur vom anstehenden Wandel besonders stark getroffen", sagte Michael Kruse, Vorsitzender der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Der kommende Senat müsse deshalb eine proaktive Wirtschaftspolitik betreiben, die den Unternehmen in den Bereichen Energie, Finanzen und Handel hilft, mit den rasanten Veränderungen der Digitalisierung und der Energiewende bestmöglich umzugehen.
"Dazu gehören ein Masterplan für den Einzelhandel und auch ein Standortkonzept für den Finanzplatz", so Kruse. "Wenn der nächste Senat die Wirtschaftspolitik nicht wieder richtig ernst nimmt, wird Hamburg trauriger Spitzenreiter bei den Firmeninsolvenzen bleiben.“