Hamburg. Mit Hilfe der Wirtschaftsförderung wurden 11.530 Stellen geschaffen oder abgesichert. Harburg bei Investoren besonders begehrt.
Der Ort für das diesjährige Pressegespräch der Wirtschaftsförderung Hamburg Invest hätte kaum besser gewählt sein können. Man lud nach Harburg, in den Stadtteil, den der Senat als eines der zentralen Zukunftsgebiete für Neuansiedlungen innovativer Firmen ausgemacht hat. Im Spiel- und Relaxzimmer des vom umtriebigen Harburger Unternehmer Arne Weber geschaffenen Hamburg Innovation Port (HIP) – zwischen modernen Sesseln und fast schon antiken Flipperautomaten – trug Hamburg-Invest-Chef Rolf Strittmatter die Erfolgsbilanz für 2019 vor.
Noch nie in ihrer 35-jährigen Geschichte konnte die Wirtschaftsförderung so viele neu geschaffene oder abgesicherte Arbeitsplätze durch von ihr unterstützte Firmen melden: 11.530. Ein Plus zum Vorjahr von fast 80 Prozent! Und Strittmatter hob mit Blick auf den Innovation Port, in dem sich kreative Start-ups tummeln, explizit die Bedeutung des Hamburger Südens für die Wirtschaftsförderer hervor: „Diese Region Hamburgs ist bei Investoren besonders gefragt.“
Jobmaschine“ war die VW-Tochter Moia
Rund 1100 Projekte betreuten Strittmatter und sein Team 2019 in der ganzen Stadt. Davon waren 966 Beratungen, bei 58 Firmen ging es um eine Expansion und 77 Unternehmen siedelten sich neu an. Eine „Jobmaschine“ war die VW-Tochter Moia, die mit ihren Elektrokleinbussen den Taxis in der Stadt Konkurrenz macht. Allein 600 der insgesamt 2540 neu geschaffenen Stellen gingen auf das Konto des Fahrdienstes.
Schaut man sich die Rangliste weiter an, so werden die Jobeffekte durch Einzelansiedlungen allerdings schnell deutlich kleiner. Das Rechenzentrum Equinix folgt mit bisher 30 Arbeitsplätzen und der Fenster- und Türenspezialist Schüco schuf in seinem Showroom in der HafenCity 25 Stellen.
Westhagemanns Lieblingsprojekt: „Wasserstoff“
Doch sowohl Strittmatter als auch Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der seinen Wirtschaftsförderer bei dem Termin im Harburger Binnenhafen unterstützte („Guter Job, Rolf!“), machten klar, dass es ihnen nicht primär um die Größe der Unternehmen, sondern um die Qualität und Nachhaltigkeit der Firmenideen geht.
So hob Westhagemann hervor, dass er auch bei Neuansiedlungen sein Lieblingsprojekt „Wasserstoff“ nach vorne bringen möchte. Denn nach Überzeugung des 62-jährigen früheren Siemens-Manager ist Wasserstoff als Antriebstechnologie den batteriebetriebenen Elektromotoren mittelfristig klar überlegen. Da kann es nicht verwundern, dass Westhagemann dem E-Autopionier Tesla, der sein erstes europäisches Werk mit mehreren tausend Arbeitsplätzen bauen nahe Berlin errichten wird, nicht nachtrauert. Zwar hatte auch Hamburg anfangs Interesse am Investment der Amerikaner gezeigt, aber wegen der benötigten riesigen Fläche von 300 Hektar schnell abgewunken.
Große Erwartungen an den ITS-Weltkongress
Dennoch bleibt Mobilität Westhagemanns großes Thema. Im kommenden Jahr richtet die Hansestadt den ITS-Weltkongress aus. Dort soll den Besuchern aus nah und fern gezeigt werden, wie sich Deutschlands zweitgrößte Stadt den Verkehr der Zukunft vorstellt. 15.000 Gäste werden erwartet. „Eine Riesenchance für unsere Stadt“, so Westhagemann. Ebenfalls 2021 möchte Hamburg die Internationale Automobilausstellung (IAA) an die Elbe holen; in die finale Bewerberrunde mit München und Berlin hat die Hansestadt es bereits geschafft. Darauf sei man stolz, so Westhagemann. Eine IAA um jeden Preis werde es aber auf keinen Fall geben.
So wolle Hamburg nicht für eine IAA im alten Stil stehen, bei der sich leicht bekleidete Frauen auf PS-Boliden räkelten. Die Stadt möchte statt einer Autoshow, eine innovative Mobilitätsmesse ausrichten, die dazu beiträgt, die Verkehrsprobleme in Metropolen zu lösen. Der Senator träumt bereits von autonom fahrenden Autos, die sich Hamburger per App bestellen können, und mit denen sie sich dann – wie von Geisterhand gesteuert – zum Ziel fahren lassen. Westhagemann stellte mit Blick auf die IAA auch klar, dass es seitens der Stadt keine finanziellen Zuwendungen, quasi eine Startgebühr, für den Verband der Automobilindustrie (VDA) als Veranstalter geben werde: „Wir zahlen nichts.“
25-Hektar-Fläche wartet auf Investoren
Dass man neben den vielen kleinen Ansiedlungen womöglich bald doch noch einen größeren Coup– und zwar im Süden der Stadt – vermelden könnte, ist für Westhagemann und Strittmatter durchaus denkbar. Schließlich steht in Neuland eine 25 Hektar große, gut angebundene Gewerbefläche für Investoren zur Verfügung. Eigentlich wollte sich dort der Paketdienstleister DHL niederlassen. 1200 Arbeitsplätze sollten in einem großen Paketzentrum entstehen. Doch nachdem der Konzern seine Pläne modifiziert hatte und die Zahl der neuen Stellen offensichtlich deutlich kleiner ausfallen sollte, beschlossen Stadt und Konzern, auf den Deal zu verzichten.
Allzu traurig über diese Entscheidung zeigten sich am Donnerstag weder Strittmatter noch Westhagemann. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir für das Gebiet Investoren finden werden“ so der Chef der Wirtschaftsförderung. Das Interesse sei bereits sehr groß. Und auch der Wirtschaftssenator gab sich zuversichtlich. Gerade von innovativen Start-ups, die sich eng mit der Wissenschaft verzahnen wollen, werde Hamburg mittlerweile neben München als die Topadresse bundesweit wahrgenommen. „Bis vor kurzem haben viele Firmen Hamburg nur mit dem Hafen verbunden.“ Das sei vorbei. Westhagemanns Appell: „Wir müssen viel größer denken.“