Hamburg. Beim Umgang mit Münzen und Scheinen gehen immer mehr Firmen neue Wege. Weil das sicherer ist – und Kosten spart.
Das erste Restaurant in Hamburg akzeptiert kein Bargeld mehr, die Gäste können nur noch per Karte und Smartphone zahlen. Seit dem Jahreswechsel hält es auch eine Hotelkette in ihren beiden Häusern in der Hansestadt so. Bei der Hamburger Hochbahn sind zwar erste Fahrkartenautomaten in Betrieb, bei denen nur noch Kartenzahlung möglich ist. Doch eine radikale Abkehr von Münzen und Banknoten kann und will sich das Unternehmen nicht leisten. „Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen werden mehr als 70 Prozent aller Fahrscheine und Monatskarten mit Bargeld bezahlt“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum.
Gleichwohl geht auch die Hochbahn beim Bezahlen in Euro und Cent den Weg der Automatisierung. Zu besichtigen ist das im HVV-Kundenzentrum im Hauptbahnhof Süd, das die Hochbahn für den Verkehrsverbund betreibt. Seit der Umgestaltung im vergangenen Jahr wechselt dort das Bargeld nicht mehr von der Hand der Kunden in die Hand der Mitarbeiter – die Kunden füttern einen Automaten damit. Und der gibt auch das Wechselgeld heraus.
Hochbahn rüstet Kundenzentren um
„Uns ging es vor allem darum, ein offenes Raumkonzept umzusetzen und eine angenehme Beratungsatmosphäre zu schaffen“, sagt Martin Pfefferkorn, der Projektleiter für die Umgestaltung des ersten von sechs großen Kundenzentren unter Hochbahn-Regie. Vielerorts arbeiten die Beschäftigten dort aus Sicherheitsgründen an der Kasse noch hinter dicken Glasscheiben. Im umgestalteten Kundenzentrum im Hauptbahnhof Süd dagegen sitzen sich Kunden und Beraterinnen an vier Tischen gegenüber. Neben jedem steht einer der einbruchssicheren Bezahlautomaten.
Das ist die landläufige Bezeichnung für die Bargeldannahme- und -ausgabe-Automaten. In Fachkreisen werden sie auch Cash-Recycler genannt – weil sie zumindest einen Teil der eingegebenen Scheine und Münzen als Wechselgeld wieder ausspucken.
Selbst scannen, selbst zahlen
Auf dem Markt sind die Geräte bereits seit Jahren. Bislang werden sie oft im Zusammenhang mit Self-Scanning-Kassen in Bau- und Supermärkten eingesetzt, bei denen die Kunden die gekauften Artikel eigenständig einscannen und bezahlen. Oder als zusätzliche Bezahlmöglichkeit, „um die Kunden schneller bedienen zu können“, wie der selbstständige Edeka-Kaufmann Michael Beisler sagt. Er hat in seinem Markt in Lohbrügge eine von sechs Kassen mit einem Bezahlautomaten ausgestattet. Die Artikel werden vom Personal gescannt, das Geld nimmt der Automat entgegen. „Das funktioniert gut“, sagt Beisler. Diese sechste Kasse wird aber nur in Stoßzeiten in Betrieb genommen. „Wir legen Wert auf den persönlichen Kontakt und ein gepflegtes Miteinander.“ Bei etlichen seiner Kollegen seien die Geräte ebenfalls im Einsatz.
Und nicht allein die Hochbahn hat in jüngster Zeit in die automatisierte Bargeldannahme investiert. Das ist insofern überraschend, als dass das Barzahlen hierzulande auf dem absteigenden Ast ist. 2018 wurde in Deutschland erstmals im Handel häufiger mit Karte gezahlt. Nach Einführung der Kontaktlostechnik sind es zunehmend auch Kleinbeträge, die an der Kasse digital beglichen werden.
Von wegen Ende des Bargelds
„Trotzdem wird uns das Bargeld noch lange erhalten bleiben“, sagt Frank Horst, der Bargeld-Experte des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI. Nach seinen Erkenntnissen ist der Einsatz der Automaten im vergangenen Jahr stark gewachsen. Lebensmittelketten wie Edeka und Kaufland oder der Möbelhändler Poco Domäne setzten sie vor allem an Self-Checkout-Kassen ein und hätten massiv investiert. Horst erwartet, dass die Zahl der Geräte weiter wächst
Unter kleineren Geschäften waren es zunächst Bäckereien und Schlachtereien, die am Verkaufstresen einen Bezahlautomaten platzierten – zumeist aus Hygienegründen. Beim Hantieren sowohl mit Lebensmitteln als auch mit Bargeld zwischendurch immer wieder die Plastikhandschuhe über- und abzustreifen ist für die Verkäufer lästig und zeitaufwendig.
„Für uns ist die Hygiene der wichtigste Grund“, sagt etwa Serhat Savioglu. Der Inhaber von Tunnel-Döner und Tunnel-Bäckerei im Mönckebergtunnel zwischen dem Hauptbahnhof und der Einkaufsstraße hat an den beiden nebeneinander liegenden Verkaufsstellen insgesamt vier der Automaten aufgestellt. Zunächst vor dem Döner-Tresen. „Die Kunden können dann während der Zubereitung schon mal zahlen.“ Vor Kurzem hat er den Bäckerei-Tresen nachgerüstet, über den während der Stoßzeiten am Morgen und Abend im Fünfsekundentakt Brot-Snacks für wenige Euro gereicht werden – nachdem die Kunden Münzen oder Scheine in den Automaten gegeben haben. Er wechselt Noten bis 50 Euro und gibt auch Scheine wieder heraus. Willkommener Nebeneffekt beim Hochfrequenz-Snackverkauf: „Früher gab es manchmal Streit zwischen Kunden, wer als Nächster dran ist. Das kommt jetzt nicht mehr vor.“
Manche Automaten arbeiten langsam
Die Automaten hätten sich bewährt, sagt Savioglu. Nach seinem Geschmack dürften sie bei der Geldrückgabe aber ein bisschen schneller sein. In seinem vor wenigen Monaten eröffneten Restaurant Horvin-Grill am Hauptbahnhof hat er trotzdem gleich einen Cash-Automaten installieren lassen. „Man muss sicher erst mal ordentlich investieren, aber es lohnt sich“, sagt Savioglu. Die Hochbahn hat für ihr Kundenzentrum sechs Automaten angeschafft. „Für einen mittleren fünfstelligen Eurobetrag“, sagt Projektleiter Pfefferkorn. Auch diese Automaten waren anfangs bei der Verarbeitung von Scheinen etwas lahm, brauchten dafür zehn Sekunden. Nach einem Software-Update sind es nur noch fünf.
Bessere Hygiene, besserer Service – das sind nur zwei in einer ganzen Reihe von Gründen, die für den Automateneinsatz sprechen. Abrechnung und Abwicklung der Bargeldeinnahmen seien deutlich einfacher und kostengünstiger, loben die Anwender. Die Mitarbeiter müssten vor Ende ihrer Schicht nicht mehr „Kasse machen“, sondern könnten sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Beratung der und Verkauf an die Kunden. „Es ist eine große Zeitersparnis“, sagt Serhat Savioglu.
Entlastung von Mitarbeitern
Hersteller und Anbieter führen weitere Argumente ins Feld: Die Automaten erkennen Falschgeld und fremde Währungen, geben den Kunden das Wechselgeld korrekt heraus, kein Ärger mehr mit Kassendifferenzen, geringere Kosten und weniger Zeitaufwand für die Einzahlung von Bargeld bei der Bank. Auch etwas verklausulierte Hinweise darauf, dass nun kein Mitarbeiter mehr in die Kasse greifen könne, fehlen meist nicht.
„Das ist es, was der eine oder andere Kunde vermutet. Oder dass wir Personal durch Automaten ersetzen wollen“, berichtet Walter-Friedrich Gerlach – und weist beides weit von sich. „Es geht uns vor allem um die Sicherheit der Mitarbeiter und Kunden. Es hat mehrfach Raubüberfälle auf Filialen gegeben“, sagt der Geschäftsführer der Getränkefachmarktkette Hol ab. Das Unternehmen mit Sitz in Achim bei Bremen hat im Sommer 2019 damit begonnen, sämtliche 210 Märkte in Norddeutschland mit Bezahlautomaten auszurüsten. In gut einem Drittel sei das bereits geschehen – darunter sind fast alle im Bezirk Harburg und in den Landkreisen südlich von Hamburg. An das Bargeld in den Automaten kommen Räuber nicht heran. Die anderen Märkte sollen bis Ende 2021 umgerüstet sein.
Findige Kunden nutzen die Chance
Die Hochbahn hat ähnliche Pläne. „Dies ist kein Pilotversuch, die Entscheidung, weitere Kundenzentren umzugestalten und mit Cash-Recyclern auszustatten, ist gefallen“, sagt Projektleiter Pfefferkorn. In der Servicestelle Barmbek haben die Arbeiten gerade begonnen, dann soll das Kundenzentrum am Johanniswall folgen.
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Und wie kommen die Kunden mit den Automaten klar? Manche seien anfangs irritiert und bräuchten Unterstützung, heißt es. Die meisten gewöhnten sich schnell an das Barbezahlen am Automaten – und nur einige wenige lehnten das grundsätzlich ab. Der eine oder andere Besucher des HVV-Kundenzentrums nutzt mittlerweile sogar ganz bewusst die technischen Fähigkeiten der Automaten, weiß Pfefferkorn. „Es kommt auch mal vor, dass eine neue Monatskarte mit einer Unmenge von gesammelten Kleinmünzen bezahlt wird.“