Hamburg. 700.000 Kunden sollen von dem neuen Service profitieren – etwa beim Brötchenholen. Doch eine Gruppe bleibt zunächst außen vor.

Die Dominanz des Bargelds im Hamburger Einzelhandel geht langsam zu Ende – das jedenfalls glaubt man bei der Haspa. Die Sparkasse stützt sich dabei auch auf Berechnungen des vom Handel finanzierten EHI Retail Institute, wonach die Kartenumsätze bundesweit im vorigen Jahr erstmals höher waren als die Summe der Barzahlungen.

Und nachdem mehrere andere Banken ihren Kunden bereits 2017 und 2018 das mobile Bezahlen per Handy ermöglichten, zieht jetzt die Haspa nach: Seit dem Donnerstag können 700.000 Hamburger, die über ein Joker-Konto der Sparkasse verfügen, mit ihrem Smartphone kontaktlos an Kassenterminals von Geschäften oder Restaurants zahlen. Zunächst funktioniert das allerdings nur mit Geräten, die das Betriebssystem Android nutzen und nicht mit den iPhones von Apple, deren Marktanteil in Deutschland bei gut 20 Prozent liegt.

24 Prozent aller Bezahlvorgänge mit Haspa-Girokarten kontakt­los

Grundsätzlich beruhen mobile Zahlungen per Smartphone auf der gleichen Technik wie das kontaktlose Bezahlen mit der Girokarte (früher: EC-Karte). In beiden Fällen kommt ein sogenannter NFC-Funkchip zum Einsatz. „Schon heute sind 24 Prozent aller Bezahlvorgänge mit Haspa-Girokarten kontakt­los – Tendenz schnell steigend“, sagt Jürgen Marquardt, Vorstandsmitglied der Sparkasse, der das neue Verfahren mit dem Smartphone am Donnerstag in einer Filiale der Bäckereikette Junge in Winterhude vorstellte.

Bei Beträgen unter 25 Euro ist für beide Zahlungsarten keine Autorisierung etwa durch einen PIN-Code oder eine Unterschrift erforderlich. Als Zahlungsmittel bei der neuen Smartphone-Variante werden in einer speziellen App, die der Kunde herunterladen muss, die vorhandenen Giro- oder Kreditkarten angegeben – und von diesen wird automatisch abgebucht, wenn man das Smartphone näher als vier Zentimeter an ein Kassenlesegerät heranhält. Ein akustisches Signal ertönt, sobald die Transaktion erfolgt ist.

In der Haspa-App kann der Kunde Sicherheitsstufen wählen

Haspa-Kunden können jetzt per Smartphone zahlen – etwa beim Bäcker.
Haspa-Kunden können jetzt per Smartphone zahlen – etwa beim Bäcker. © Marcelo Hernandez

Zwar steckt das Bezahlen per Handy an der Kasse in Deutschland noch in den Kinderschuhen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens YouGov im Auftrag der Haspa gaben nur 14 Prozent der Hamburger an, dies schon ausprobiert zu haben. Doch 44 Prozent der Personen, die damit noch keine Erfahrungen haben, können sich vorstellen, das kontaktlose Bezahlen mit dem Smartphone in den nächsten Jahren zu nutzen. Mehr als 70 Prozent der Befragten sagten, ihnen sei bei der Verwendung einer entsprechenden App die Datensicherheit und der Schutz vor Missbrauch wichtig.

Rein theoretisch könnten Diebe zwar ein Lesegerät in die unmittelbare Nähe der Tasche halten, in der das Smartphone steckt. Sie könnten dann mehrfach maximal 24,99 Euro abbuchen. In der Haspa-App kann der Kunde aber mehrere Sicherheitsstufen auswählen: In der niedrigsten muss der Handy-Bildschirm aktiviert sein, damit eine Zahlung erfolgen kann, in der zweiten Stufe muss das Smartphone durch Eingabe der entsprechenden PIN entsperrt werden, und in der höchsten Stufe muss zudem die Bezahl-App geöffnet sein. Insofern ist das Smartphone als Portemonnaie sicherer als eine Giro- oder Kreditkarte mit NFC-Chip. Bei den Sparkassen arbeitet man zudem schon an einem „mobilen Bon“, mit dem sich alle Abbuchungen relativ schnell nachvollziehen lassen. Ebenfalls in Vorbereitung sind die Nutzung des Fingerabdruckscanners und der Gesichtserkennung für die Zahlungsfreigabe sowie eine Version der App für Personen unter 18 Jahren.

Wie Marquardt einräumte, ist die Haspa im Hinblick auf das mobile Bezahlen ein Nachzügler. Im Frühjahr 2017 war es die Deutsche Bank, die dies als erstes Geldhaus in der Bundesrepublik ermöglichte. Bei der Haspa hat erst die Umstellung der Computertechnik auf ein neues System im April die Voraussetzung dafür geschaffen, dass auch die Hamburger die von der Sparkassen-Gruppe entwickelte Lösung für das Bezahlen per Smartphone nutzen können.

Naturgemäß haben die Banken und Sparkassen ein großes Interesse daran, dass ihnen nicht US-Technologiekonzerne wie Apple oder Google, die bereits eigene Angebote für das kontaktlose Bezahlen per Smartphone entwickelt haben, einen Teil der Geschäftsbeziehung zu den Kunden streitig machen. Darum haben inzwischen praktisch alle Banken eigene Apps herausgebracht. Doch Apple lässt sich dabei nicht umgehen: Jedes Kreditinstitut, das die Bezahlschnittstelle auf den iPhones nutzen will, muss mit dem Konzern kooperieren. Zum Beispiel die Deutsche Bank hat im vorigen Jahr eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen, die Sparkassen – und damit auch die Haspa – wollen das mobile Bezahlen mit Apple-Geräten noch in diesem Jahr ermöglichen.

Bargeld-Zahlungen in der Bäckerei dauern 83 Sekunden

Der Handel jedenfalls ist auf die neuen Formen des kontaktlosen Bezahlens gut vorbereitet. Bundesweit sind laut Marquardt schon mehr als 80 Prozent der Kassenterminals mit der NFC-Technik ausgestattet. An ihrer Entwicklung sind Hamburger Experten maßgeblich beteiligt: In Lokstedt tüfteln Mitarbeiter des niederländischen Chip-Spezialisten NXP, der den NFC-Standard gemeinsam mit Sony erfunden hat, an immer sichereren Verfahren. Es dürfte weltweit kein Smartphone geben, in dem nicht auch das Know-how der Hamburger steckt.

Auf der Anwenderseite gehört die Bäckerei Junge nach eigenen Angaben zu den Pionieren. Schon seit zwei Jahren seien dort „smarte Bezahlvorgänge“ möglich, sagt die Projektleiterin Petra Willruth: „Wir haben damit nur gute Erfahrungen gemacht.“ Der Kassiervorgang werde dadurch hygienischer und schneller, so Willruth. „Nach unseren Erkenntnissen dauert das Bezahlen mit Bargeld im Schnitt 83 Sekunden, mit der Girokarte und Unterschrift sind es 28 Sekunden, mit dem Handy braucht man aber nur drei bis elf Sekunden.“

Wie die von der Haspa in Auftrag gegebene Umfrage allerdings auch zeigt, hat das Potenzial für die neue Technik durchaus Grenzen: 32 Prozent der Befragten wollen auch weiterhin nur größere Beträge bargeldlos bezahlen – und gerade einmal 19 Prozent der Hamburger können sich vorstellen, irgendwann ganz auf Bargeld zu verzichten.