Hamburg. Nach Maersk zieht auch die Reederei CMA CGM Schiffe ab. Eurogate-Mitarbeiter sind beunruhigt. Ein weiterer Faktor belastet den Hafen.

Der Hamburger Hafen kommt nicht zur Ruhe. Nach dem angekündigten Weggang eines Liniendienstes des dänischen Reedereikonzerns Maersk wurde nun bekannt, dass auch die französische Reederei CMA CGM einen großen Liniendienst aus der Hansestadt abziehen will. Dabei geht es um den French-Asia-Line 3 (FAL3), der aus Singapur kommend die französischen Häfen Le Havre und Dünkirchen sowie Rotterdam und Hamburg anläuft. Dieser Dienst, der bisher 155.000 Standardcontainer (TEU) nach Hamburg brachte, kehrt Deutschland den Rücken und dreht künftig in Antwerpen um.

Damit spitzt sich die ohnehin angespannte Lage im Hafen weiter zu. Noch ist unklar, wie viel Ladung der Hansestadt am Ende verloren geht. „Das, was für die Hansestadt bestimmt ist, kommt weiterhin über andere Schiffe nach Hamburg“, heißt es aus dem Unternehmen CMA CGM sehr allgemein.

Wirtschaftsbehörde und Senat bemühen sich derweil, die Sorgen zu zerstreuen. Niemand möchte vor der Bürgerschaftswahl eine Debatte über die Lage im Hafen führen. So sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) jüngst beim Neujahrsempfang des Unternehmensverbands (UV) Nord, er gehe davon aus, dass der Abzug des Maersk-Dienstes durch andere Dienste kompensiert werden könne. Doch die zweite Rückzugsankündigung innerhalb weniger Tage ist für den Hamburger Hafen ein schwerer Schlag.

Mitarbeiter bei Eurogate beunruhigt

In beiden Fällen trifft er den Containerterminal Eurogate. Dort sind die beunruhigten Mitarbeiter nun während eines Schichtwechsels in der Kantine von der Geschäftsführung über die Lage informiert worden. Geschäftsführer Tom Eckelmann soll von einer „wirtschaftlich angespannten Situation“ gesprochen haben. Nun soll die Unternehmensberatung McKinsey nach Lösungen suchen.

Steffen Leuthold, Sprecher von Eurogate, bestätigte dem Abendblatt, dass die Mitarbeiterinformation stattgefunden hat, betonte aber, dass das Engagement von McKinsey nicht unmittelbar mit den überraschenden Neuordnungen der Containerschiffsdienste zusammenhänge: „Unabhängig vom Abzug des FAL3 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass die Unternehmensberatung McKinsey beauftragt worden ist, um zu schauen, wie Dinge optimiert werden können. Das ist nicht ungewöhnlich, wir engagieren immer wieder Unternehmensberatungen zur Kontrolle unserer Geschäftsabläufe. McKinsey nimmt nächste Woche die Arbeit auf.“

Nach Abendblatt-Informationen teilte die Geschäftsführung auf der Betriebsversammlung mit, dass Eurogate unter dem starken Wettbewerbsdruck in der Nordrange leide. Dieser drücke die Preise und den Umsatz bei gleichzeitig steigenden Kosten.

Reedereien streichen kleinere Dienste

Zudem leidet Hamburgs Hafen offenbar unter einem zweiten negativen Faktor: Inzwischen machen sich nämlich die globalen Handelsstreitigkeiten auch in den europäischen Häfen bemerkbar. Die Weltwirtschaft wächst nur noch gering. Gleichzeitig ersetzen die Containerreedereien alte Schiffe in ihrer Flotte durch besonders große Containerfrachter, die mehr Ladung transportieren, aber weniger Häfen anlaufen sollen. Um die besonders großen Containerschiffe mit Ladung voll zu machen, werden kleinere Dienste zusammengestrichen. Die Zahl der sogenannten „Blank Sailings“ – also Ausfälle von Schiffsfahrten – nimmt deutlich zu.

„Die Jubelmeldungen des vergangenen Jahres aus der Wirtschaftsbehörde wegen der Steigerungen des Containerumschlages waren verfehlt“, sagt dazu der Hafenexperte der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Norbert Hackbusch. „In den europäischen Häfen sind große Überkapazitäten im Bereich der Containerterminals aufgebaut worden. Die größere Konkurrenz führt zu einem wachsenden Preiskampf zwischen den Terminals, deren erster Ausdruck die Preisauseinandersetzung zwischen Hapag-Lloyd und HHLA ist.“

Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Michael Kruse, wirft Bürgermeister Tschentscher derweil vor, die Probleme im Hamburger Hafen nicht zu erkennen: „Ein Arzt, der nicht die richtige Diagnose stellt, kann zur Gesundung nicht beitragen.“

Politiker fordern Überarbeitung des Hafenentwicklungsplans

Laut Hackbusch muss dringend ein neuer Hafenentwicklungsplan aufgestellt werden. Der derzeit gültige Plan stammt aus dem Jahr 2012 und reicht bis in das Jahr 2025 hinein. „Der Hamburger Hafen entfernt sich immer stärker von den im Hafenentwicklungsplan prognostizierten 17 Millionen TEU für das Jahr 2020. Der Hafen wird froh sein, wenn er die Hälfte erreichen kann“, sagt der Linken-Politiker.

Ähnlich äußert sich die CDU. Deren Hafenexperte Ralf Niedmers sagte: „Die CDU fordert schon lange einen neuen Hafenentwicklungsplan, der insbesondere die zuverlässige Zufahrt des Hafens sicherstellt und die Digitalisierung im Hafen konsequent vorantreibt.“

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann will das Problem angehen. „Der alte Hafenentwicklungsplan ist obsolet, weil die Umschlagszahlen zu optimistisch eingeschätzt wurden. Dazu muss man wissen, dass der Hafenumschlag damals auch noch zweistellig gewachsen ist. Das ist vorbei“, sagte er bereits früher dem Abendblatt.

Hafenverantwortliche treffen sich heute im Rathaus

Deshalb hat der Senator auch kurz nach seinem Amtsantritt im Dezember 2018 einen Hafendialog ins Leben gerufen, bei dem die Spitzen der Wirtschaftsverbände aus den Bereichen Industrie, Maritimes, Logistik sowie Unternehmen, Gewerkschaften und die Hamburg Port Authority Ideen zur Zukunftssicherung des Hafens entwickeln. In mehreren Workshops wurden Einzelaspekte erarbeitet.

Am Freitag treffen sich die Mitglieder des Hafendialogs erneut im Rathaus. Das, was sie erarbeitet haben, soll laut Westhagemann in einem neuen Hafenentwicklungsplan münden.

Dazu benötigt der Wirtschafts- und Verkehrssenator aber auch eine zuverlässige Prognose, welche Umschlagsmengen im Hafen tatsächlich zu erwarten sind. Diese wird aktuell erstellt. Besonders rosig dürfte sie nach den jüngsten Ankündigungen nicht ausfallen.