Hamburg. Luftschlangen statt Silvesterraketen: Edeka-Händler Benjamin Hirche spricht von Umwelt- und Tierschutz. Das sehen nicht alle so.

Lauter, bunter, höher: Vor dem Verkaufsstart für Silvester-Feuerwerk an diesem Sonnabend gibt es im Internet und in Werbeprospekten wieder reichlich Angebote für Raketen und Böller. Doch vor allem im Zuge der Klimadebatte deutet sich jetzt eine Trendwende an. Erste Händler verzichten auf den Verkauf von Feuerwerk.

In Hamburg gehört Edeka-Kaufmann Benjamin Hirche zu den Vorreitern. In seinem Laden in Altona hat er die umsatzstarken Artikel komplett aus dem Sortiment verbannt. „Was schön aussieht, kann schnell der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt schaden“, erklärt der Kaufmann, der auch den Bio-Supermarkt Naturkind betreibt.

Hamburger Edeka verbannt Böller: positive Reaktionen

Das Thema Nachhaltigkeit spiele für ihn und sein Team eine große Rolle. Für seinen Verkaufsverzicht habe er bislang vor allem positive Reaktionen bekommen, so Hirche.

Silvester-Böller: So gefährlich sind sie wirklich
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    Bundesweit sind es ein gutes Dutzend Händler, die jetzt auf den Verkauf von Krachern & Co.verzichten. Auch Edeka Jessen mit Standorten in Bergstedt und Hummelsbüttel hat sich gegen den Verkauf von Feuerwerkskörpern entschieden.

    Die Drogeriekette Rossmann führt bereits seit dem vergangenen Jahr nur noch Jugendfeuerwerk, Konkurrent dm hat solche Artikel gar nicht im Sortiment. Und als erste große Baumarktkette hat Hornbach angekündigt, im kommenden Jahr Feuerwerksprodukte ganz auszulisten.

    Fridays for Future gegen Böllern

    An den Landungsbrücken protestierte am Freitag die Bewegung Fridays for Future gegen Böller und Feuerwerk. Die Klimaschützer empfahlen, als guten Vorsatz fürs neue Jahr einfach auf die Knallerei zu verzichten.

    Nach einer Umfrage des Instituts YouGov für das Redaktionsnetzwerk Deutschland spricht sich eine deutliche Mehrheit der Deutschen (57 Prozent) aus Umwelt- und Sicherheitsgründen für ein Böller-Verbot aus. 36 Prozent sind dagegen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die die Feinstaubbelastung durch Feuerwerke seit Jahren kritisiert, hofft, „dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht und die Menschen in diesem Jahr weniger Böller und Raketen kaufen“, so DUH-Chef Jürgen Resch.

    Raketen-Verband: "Lass es krachen!"

    Der Verband der pyrotechnischen Industrie spricht dagegen von einer Scheindebatte und startete eine Kampagne, „Lass es krachen“. Deutschlandweit hat die Branche im vergangenen Jahr 133 Millionen Euro Umsatz gemacht – in diesem Jahr werden ähnliche Werte erwartet.

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    In Hamburg ist privates Silvester-Feuerwerk an der Alster in diesem Jahr erstmals verboten. Auch in Lüneburg, Hannover sowie auf Sylt, Amrum und Föhr darf nicht geböllert werden.

    Was der Edeka-Händler sagt

    Es ist lukratives Geschäft. Alle Jahre wieder räumen viele Läden direkt nach Weihnachten Schokoladenkugeln, Marzipansterne und Lebkuchen aus den Regalen, um Platz zu schaffen für Raketen und Böller. Kaum ein Kaufmann, der nicht an der Lust der Deutschen am Silvesterfeuerwerk verdienen will. Das ist auch in diesem Jahr so, trotzdem hat sich etwas geändert.

    Edeka-Kaufmann Benjamin Hirche will genau das nicht mehr. Im Oktober hat der Hamburger einen neuen Supermarkt in der Neuen Mitte Altona eröffnet. Auf 1600 Quadratmetern in einer ehemaligen Güterhalle an der Harkortstraße bietet er an, was man für den täglichen Bedarf braucht. Auch der Biomarkt der neuen Edeka-Kette Naturkind direkt nebenan läuft unter seiner Regie. Darüber, dass Raketen und Böller bei ihm nicht zu haben sind, hat er seine Kunden mit einem Flugblatt informiert.

    „Bei uns spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle“, sagt der 39-jährige. Er nennt Umwelt- und Tierschutz als Gründe für den Verzicht. Und die hohe Verletzungsgefahr. „Es wird schon tagelang vor Silvester und auch danach geknallt. Das ufert oft in Vandalismus aus“, sagt Hirche, der sich als Vorreiter in Hamburg sieht.

    Im Norden verkaufen einige Edeka-Händler keine Böller & Co.

    In Norddeutschland haben einige Edeka-Händlern die Feuerwerksartikel aus dem Sortiment geworfen. Edeka Meyer’s mit zwei Supermärkten in Neumünster postete schon Ende November bei Facebook: „Unsere tierischen Mitglieder der Meyer‘s Familie haben einstimmig entschieden – dieses Jahr gibt es bei uns KEIN Feuerwerk zu kaufen!“ Man wolle nicht noch mehr zu der Feinstaubbelastung und Verängstigung der Tiere beitragen, schreibt das Team unter Inhaber Jan Meifert.

    „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Feuerwerk – wir befürworten nur eine ,öffentliche’ Lösung an tollen Plätzen bzw. Stadtteilen in geordneteren Bahnen.“ Auch Marco Hauschildt mit Märkten in Rendsburg und Flintbek bei Kiel hat sich dem Verzicht angeschlossen.

    Baumarktkette Hornbach will die Feuerwerksprodukte ab 2020 auslisten

    Als erst er Baumarkt verkauft Werkers Welt im holsteinischen Mölln in diesem Jahr keine Feuerwerksartikel mehr. „Die Resonanz ist sehr positiv“, sagt Inhaber Detlev Schmalfeld. Das vorgesehene Werbebudget spendete er an eine Tierschutzorganisation. Für den Kaufmann ist klar, dass er auch künftig auf das Angebot verzichten wird. „Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus. Ich mache das aus Überzeugung.“

    Und er ist zuversichtlich, dass sich im nächsten Jahr weitere Einzelhändler dem Verkaufsverzicht anschließen. Die Baumarktkette Hornbach mit knapp 160 Standorten bundesweit hat bereits angekündigt, Feuerwerk 2020 auszulisten.

    Rossmann und dm haben keine Feuerwerksartikel im Sortiment

    Während die Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky auch in diesem Jahr Feuerwerksartikel in den Regalen hat, werden Raketen und Böller in den 2100 Rossmann-Märkten seit vergangenem Jahr nicht mehr angeboten. Verkauft wird ausschließlich Jugendfeuerwerk. Neben nachhaltigen Aspekten wie Umwelt- und Tierschutz sei das Vorgehen auch darin begründet, dass das Unternehmen an einer sicheren Lieferkette interessiert sei, bei dem der Gesundheitsaspekt unserer Mitarbeiter und Kunden an oberster Stelle stehe, hieß es.

    Auch bei Konkurrent dm suchen die Kunden vergeblich. „Wir haben noch nie Silvester-Feuerwerk geführt. Das gehört aus unserer Sicht nicht zum drogistischen Sortiment“, so ein Sprecher.

    Deutlich zurückhaltender ist die Reaktion bei den Rewe-Märkten im Norden. Während in anderen Teilen Deutschlands Händler der Supermarktkette bereits 2018 auf den Verkauf von Silvester-Feuerwehr verzichteten, heißt es bei Rewe Nord in Norderstedt auf Anfrage des Abendblatts: „Den Jahreswechsel mit Feuerwerk zu begleiten, ist in vielen Ländern rund um den Erdball Brauchtumspflege.“

    In Deutschland regelten bundesweite und kommunale Bestimmungen den Verkauf und die Verwendung von Böllern und Raketen. „Vor diesem Hintergrund bietet die Rewe Group (Rewe, Penny, Toom) Silvesterartikel an wenigen Tagen im Jahr an.“ Darüber, welche Händler sich an dem Feuerwerksverzicht beteiligen, könnten keine Angaben gemacht werden.

    Deutsche geben 133 Millionen Euro über Silvester-Feuerwerk aus

    Für den Handel geht es um viel Umsatz. 133 Millionen Euro wurden laut des Verbandes der pyrotechnischen Industrie 2018 für Raketen und Böller ausgegeben. Edeka-Kaufmann Hirche nimmt die Einbußen bewusst in Kauf. Zahlen will er nicht nennen. Aber, so Hirche, der vorher einen Edeka-Markt in Eidelstedt betrieben hat, „zum Jahresende spielt der Feuerwerksverkauf eine große Rolle“.

    Auch Lidl und Aldi wollen nicht auf die Umsätze verzichten. Lidl setzte 2019 noch einen drauf und bot über das Internet einen Reservierungsservice an. Böllerfreunde konnten aus sechs verschiedenen Feuerwerks-Batterien auswählen – zu Preisen zwischen 45 und 119 Euro. In diesem Jahr ist der erste Verkaufstag bereits am Sonnabend – also einen Tag früher als sonst, weil der 29. Dezember auf einen Sonntag fällt.

    In der Silvesternacht entstehen 4200 Tonnen Feinstaub

    Während Feuerwerksgegner bislang vor allem als Spaßbremse galten und Aktionen wie „Brot statt Böller“ – in den 1980-er Jahren von Brot für die Welt ins Leben gerufen – belächelt wurden, ist das Thema inzwischen in der Gesellschaft angekommen – und wird sehr kontrovers diskutiert. Vor allem darüber, wie umweltschädlich die Knallerei ist, wird gestritten. Laut der Deutschen Umwelthilfe werden Silvester in wenigen Stunden etwa 4200 Tonnen Feinstaub freigesetzt. Dies entspreche etwa 16 Prozent der gesamten jährlichen Feinstaubmenge, die im Straßenverkehr entsteht.

    Der Verband der pyrotechnischen Industrie hält dagegen: „Die Schädlichkeit von Feuerwerks-Emissionen wird aufgebauscht.“ Grundsätzlich sei der Feinstaub aufgrund seiner Beschaffenheit unbedenklicher als der, der durch Verbrennungsmotoren erzeugt werde. „Nicht das Feuerwerk, sondern der Missbrauch muss verhindert werden.“ Jedes Silvester gibt es zahllose Verletzungen durch unsachgemäßen Gebrauch von Raketen und Knallern, dazu kommen Haus- und Wohnungsbrände und vermüllte Straßen oder Grünanlagen.

    Hersteller sehen keinen Nachfrage-Rückgang

    Spürbare Auswirkungen auf die Branche hat der Verkaufsstopp bei deutschlandweit rund einem Dutzend Einzelhändlern in diesem Jahr nicht. „Wir registrieren keinen Rückgang bei der Nachfrage“, sagt Oliver Gerstmeier, Sprecher des Feuerwerk-Herstellers Weco. Die Ware ist schon seit Wochen ausgeliefert. Der Marktführer aus Eitorf bei Bonn stellt 40 Prozent des Gesamtumsatzes in Deutschland her, unter anderem in einem Werk in Kiel.

    Für die Zukunft sieht sich das Unternehmen gut aufgestellt. „Die Verhandlungen mit unseren Großkunden für 2020 laufen schon“, sagt Firmensprecher Gerstmeier. Es gebe keinerlei Anzeichen, dass sich der Handel in größerem Umfang vom Silvestergeschäft zurückziehen wolle.

    Edeka-Kaufmann Hirche weiß, dass Kunden zum Feuerwerkseinkauf einfach in den nächsten Supermarkt gehen können. „Wir versuchen das durch andere Qualitäten auszugleichen“, sagt er. Ihm es geht um Glaubwürdigkeit. Unter anderem hat er deshalb eine Coupon-Aktion „Berliner statt Böller“ gestartet. Wer einen der Flyer ergattert hat, bekommt Silvester zwei Berliner umsonst. Bestellt hat er 4000 Stück.