Hamburg. Fahrdienstvermittler will Mietwagenflotte verdoppeln. Kunden können bald schnittige Elektroautos mit Fahrer buchen.

Der in Hamburg ansässige Mobilitätsdienstleister Free Now ist gut vier Monate nach dem Start seines Mietwagenfahrdienstes mit Chauffeur (Free Now Ride) in der Hansestadt mehr als zufrieden. „Die Nachfrage ist enorm“, sagt Free-Now-Deutschlandchef Alexander Mönch, „bis zum Jahresende werden wir mehr als 100.000 Touren allein in Hamburg vermittelt haben. Etwa 35.000 Fahrgäste haben Ride seit dem Start einmal oder mehrmals genutzt.“

Das 2009 in der Hansestadt gegründete Unternehmen, das bis vor Kurzem noch MyTaxi hieß, hatte hier in den ersten Augusttagen den neuen Service gestartet. Kunden können dabei per Smartphone-App zum Festpreis einen Mietwagen mit Fahrer ordern. Die Fahrt zu einem Ziel im Hamburger Kerngebiet sei deutlich günstiger als im Taxi, lautet das Versprechen. Der Konkurrent Uber, der wenige Wochen vor Free Now einen vergleichbaren Service in Hamburg gestartet hatte, verspricht das auch.

Nur etwas mehr als 100 Mietwagen in Hamburg

Inzwischen bietet Free Now den Ride-Dienst­ auch in Berlin, Frankfurt, München, Köln und Düsseldorf an. Überall dort in Deutschland, wo auch über Uber gebucht werden kann. Und in noch etwas gleichen sich die beiden Anbieter: Sie setzen keine eigenen Fahrzeuge ein, sondern vermitteln Fahrten an Taxi- und Fahrdienstfirmen. Dafür erhält das Unternehmen eine Provision.

In Hamburg kann Free Now derzeit auf „etwas mehr als 100 Mietwagen“ zugreifen, sagt Mönch. Es sind weniger, als dem Manager lieb wäre, denn: „Die Nachfrage ist wesentlich größer, als wir bedienen können.“ Ist kein Mietwagen frei, bietet die Vermittlungs-App ein normales Taxi als Alternative an.

Anfangs wurden die Fahrgäste in solchen Fällen zum günstigeren Ride-Tarif transportiert, Free Now glich den Fahrern die Preisdifferenz aus. Mittlerweile muss ein Ride-Kunde im Ersatz-Taxi jedoch den üblichen Taxitarif zahlen.

„Noch schlimmer wäre es, den Kunden am Straßenrand stehen zu lassen“, sagt der Deutschlandchef. Glücklich, das ist dabei deutlich vernehmbar, macht ihn diese Behelfslösung nicht. Die Kunden wohl auch nicht. Die Zielgruppe des Ride-Service ist ein jüngeres und preissensibles Publikum, das teure Taxifahrten scheut.

Partnerfirma baut Tesla-Elektroflotte auf

2020 soll die Mietwagenflotte in Hamburg deutlich wachsen. „Um 100 Prozent“, sagt Mönch. Und dann vermittelt Free Now auch Fahrten in Elektroautos. Genauer: in 60 Tesla des Typs Model 3. „Eine unserer Partnerfirmen wird eine Elektroflotte aufbauen, die 60 Teslas sind in Bestellung.“ Ab wann sie auf Hamburgs Straßen im Einsatz sein werden, steht noch nicht genau fest. Das Ziel sei Ende März, der Start könne sich aber noch ins zweite Quartal verschieben, heißt es.

Auch, weil die Mietwagen ein neues Free-Now-Design erhalten sollen. „Wir werden deutlich machen, dass es sich um lizenzierte Fahrzeuge mit lizenzierten Fahrern handelt, und nicht um irgendwelche privaten Anbieter“, sagt Mönch.

Ubers ruppiges Auftreten beschädigte die Branche

Das ruppige Auftreten von Uber, das vor Jahren Mitfahrten in Privatautos mit Privatfahrern in Deutschland durchsetzen wollte, hat das Image der Branche nachhaltig beschädigt. Von den Mietwagen-Teslas verspricht sich Manager Mönch einen weiteren Schub für den Ride-Ser­vice: „Der Wagen ist ein Hingucker und es gibt Menschen, die sich eine elektrische Alternative wünschen“, ist er überzeugt.

Befürchtungen des Taxigewerbes, die Mietwagen könnten zum übermächtigen Konkurrenten werden, haben sich aus seiner Sicht nicht bestätigt. „Wir sehen keinen Kannibalisierungseffekt, die Zahl der von uns vermittelten Taxifahrten in Hamburg ist in den vergangenen zwölf Monaten um 28 Prozent gewachsen.“

Derzeit vermittelt Free Now nach eigenen Angaben Fahrten an etwa zwei Drittel der gut 3100 Taxis in Hamburg. Deren Betreiber bezahlen dafür sieben Prozent des Fahrpreises als Provision.

„Bei Mietwagenfahrten mit Fahrern ist die Provision höher, weil die Wagen durch uns deutlich besser ausgelastet werden“, sagt Free-Now-Europachef Eckart Diepenhorst. Nach Abendblatt-Informationen sind Provisionen im zweistelligen Prozentbereich branchenüblich.

Ziel: Alle Fahrdienste in einer App

Derzeit können über die App in Hamburg sowohl Taxi- als auch Mietwagenfahrten gebucht werden. Doch die Free-Now-Gruppe, die mittlerweile ein Gemeinschaftsunternehmen der Autobauer BMW und Daimler und in 18 europäischen und südamerikanischen Ländern auf dem Markt ist, hat größere Pläne und will ein „Multi-Service-Angebot“ aufbauen, sagt Diepenhorst. „Das Ziel ist, allen Menschen, die von A nach B wollen, die für sie am besten passende Verkehrsart anzubieten.“

Dem Mobilitätsmanager schwebt eine gemeinsame Buchungsplattform für eine Vielzahl von Services vor: Neben Taxi und Mietwagen mit Fahrer auch Elektro-Scooter und -Motorroller, Carsharing-Wagen, E-Bikes, öffentlicher Nahverkehr. In Portugal und Polen, wo Free Now bereits E-Scooter anbietet, ist deren Buchung schon in die App integriert. „Auch in Hamburg werden im Laufe des nächsten Jahres weitere Mobilitätsangebote über uns gebucht werden können“, kündigt Diepenhorst an.

Zahl der Mitarbeiter in Hamburg wächst rasant

Welche genau das sein werden und ob mit Free Now ein weiterer E-Scooter-Verleiher nach Hamburg kommt, lässt das Unternehmen einstweilen offen. Auch andere Anbieter seien willkommen, heißt es. Logisch wäre, wenn sich künftig die mehr als 1500 Carsharing-Autos von Drive Now und Car2go in der Stadt auch über die Free-Now-App buchen ließen. BMW und Daimler haben ihre beiden Dienste zum neuen Anbieter Share Now verschmolzen. Derzeit sind Drive Now und Car2go neben StadtRad und Cambio Partner von SwitcHH, der Mobilitätsplattform des HVV.

Während der künftige Umfang der Free-Now-Plattform für Hamburg noch im Vagen liegt, verkündete die gesamte Gruppe vor wenigen Tagen für 2019 ein rasantes Wachstum in den 18 Ländern: Der Plattformumsatz werde auf mehr als zwei Milliarden Euro steigen, die Zahl der vermittelten Fahrten um 120 Prozent gegenüber 2018 auf fast 300 Millionen.

Free Now zieht nach Neumühlen in Ottensen

Am Stammsitz in Hamburg wuchs die Zahl der Free-Now-Beschäftigten fast ebenso massiv. „Sie hat sich binnen zwölf Monaten auf knapp 500 nahezu verdoppelt, weltweit sind es inzwischen rund 1900“, sagt Europa-Chef Diepenhorst. Weil in der Zentrale an der Großen Elbstraße nicht genug Platz für alle ist, sitzen die Mitarbeiter derzeit verteilt an fünf Standorten in der Stadt.

Auch das wird sich 2020 ändern, ein neuer Standort ist bereits gefunden, der Umzug terminiert. „Ende April werden wir voraussichtlich alle wieder unter einem Dach sitzen“, sagt Diepenhorst. Die neue Adresse­ des aufstrebenden Mobilitätsdienstleisters hat durchaus Symbolkraft. In dem Bürohaus an der Straße Neumühlen in Ottensen saß bis zu ihrem Niedergang die Reederei-Holding Rickmers.