Hamburg. Teil 31 der Serie: Sie haben ein spezielles Angebot, eine besondere Atmosphäre und trotzen so dem Geschäftesterben.

Geschäfte, die schon seit mehr als 100 Jahren an der selben Adresse zu finden sind, dürften in Hamburg eher selten sein. Fahrrad Löwe in Eilbek gehört zu diesem kleinen Kreis. Am 10. Mai 1911 ließ der Fahrradschlossermeister Emil Löwe die Firma ins Handelsregister eintragen. Zunächst gab es dort allerdings nur Motorräder, die Fahrräder kamen erst später hinzu.

„Schon als kleiner Junge habe ich mich lieber hier in der Werkstatt bei meinem Vater aufgehalten als auf dem Spielplatz“, sagt der heutige Inhaber Henry Meyer. Die Zeit, von der er spricht, liegt immerhin auch schon fünfeinhalb Jahrzehnte zurück. Später, als Jugendlicher, montierte er frisch vom Hersteller eingetroffene Mofas, „weil ich dann eine Probefahrt damit machen durfte“. Sein Vater, der die Firma 1963 von der Familie Löwe übernommen hatte, gab den Laden im Jahr 1984 an den Sohn weiter. „Da war ich gerade mit 25 Jahren der jüngste Zweiradmechaniker-Meister Hamburgs geworden“, sagt Meyer. Bald darauf nahm er die Mofas aus dem Programm, denn die Einführung einer theoretischen Fahrprüfung und der Helmpflicht hatten den Absatz immer weiter erschwert.

Umsatz steigt seit zehn Jahren stetig

Seitdem gibt es bei dem Fachhändler an der Wandsbeker Chaussee ausschließlich Fahrräder – auch wenn manche davon nun einen Elektromotor haben. „E-Bikes machen rund 40 Prozent unseres Geschäfts aus“, sagt Meyer. Doch für den Einzelhandel seien sie „Fluch und Segen zugleich“: Einerseits haben sie durch ihre höheren Preise von mindestens 2000 Euro kräftig mitgeholfen, die Umsatzauswirkungen des über die vergangenen 20 Jahre leicht gesunkenen Fahrradabsatzes in Deutschland mehr als auszugleichen.

„Bei uns steigt der Umsatz seit zehn Jahren stetig“, so Meyer. Andererseits können die E-Bikes ein finanzielles Risiko mit sich bringen: „Man muss sie fast ein Jahr im Voraus bestellen, und das heißt: Wir müssen 30 oder 40 der teuren Räder auf einen Schlag kaufen“, erklärt Meyer. Das erfordert eine gute Einschätzung der Kundennachfrage, denn: „E-Bikes, die länger als ein Jahr im Laden gestanden haben, sind nur noch schwer zu verkaufen.“ Mit dieser Herausforderung hätten manche Wettbewerber nicht umgehen können, sie seien vom Markt verschwunden.

Zahl der Fahrradhändler gesunken

Ohnehin ist die Zahl der Fahrradhändler in Hamburg seit den 1980er-Jahren von damals bis zu 400 auf heute rund 200 gesunken, wie Meyer schätzt. Das dürfte auch auf die Verdrängung durch Großfilialisten wie unter anderem B.O.C. oder Mega Bike zurückzuführen sein. Beide unterhielten zeitweise eine Niederlassung im Umfeld von Fahrrad Löwe, beide verschwanden dann aber wieder. „Für den Verbraucher erscheint das Angebot in solchen Märkten auf den ersten Blick enorm groß“, so Meyer.

„Aber oft sind das nur lange Reihen des gleichen Fahrradmodells in unterschiedlichen Rahmenhöhen.“ Tatsächlich könnten aber kleinere Geschäfte wie Fahrrad Löwe, wenn sie Mitglied in der Einkaufsgemeinschaft ZEG sind, bei der Produktvielfalt „ohne Probleme gegenhalten“ – nur dass man eben nicht jede einzelne Ausführung vorrätig halten könne. Dafür stellt Meyers Team Fahrräder und E-Bikes aber auf Kundenwunsch individuell zusammen.

Optisch unterscheidet sich das Geschäft von den modernen Großfilialen der Ketten deutlich: „Unser Verkaufsraum hat einen eher traditionellen Charakter. Das will ich aber auch so haben.“ Manchmal höre er von Kollegen, in den Zeiten des Onlinehandels, der auch in dieser Branche längst Einzug gehalten hat, gebe es eigentlich keine Stammkunden mehr. Doch Meyer macht ganz andere Erfahrungen: „Eine unserer Kundinnen kommt gelegentlich mit einem Fahrrad, das sie 1950 bei Löwe gekauft hat, für Reparaturen zu uns.“ Und gar nicht selten würden auch die Kinder und Enkel langjähriger Kunden zu regelmäßigen Käufern – schließlich sind unter den rund 500 Fahrrädern, die Meyer vorrätig hat, auch Kinderräder.

Trekkingmodelle besonders gefragt

Besonders gefragt sind jedoch Trekkingmodelle im Preisbereich von 1000 bis 1500 Euro, gefolgt von City-Bikes für 500 oder 600 Euro mit einer Nabenschaltung für sieben oder acht Gänge. Diese Art der Schaltung werde immer beliebter, beobachtet Meyer: „Die laufen heute fast genau so leicht wie eine Kettenschaltung.“

Um die Zukunft seiner Branche macht sich der Ladeninhaber keine Sorgen: „Ob es nun das wachsende Gesundheitsbewusstsein ist oder die Klimadiskussion – die großen Trends kommen uns zugute.“ In diesem Zusammenhang beklagt Meyer allerdings, dass Hamburg es bis heute nicht geschafft habe, eine wirklich fahrradfreundliche Stadt zu werden. Aus Sicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gilt das aber nicht nur für Hamburg. So investiere der niederländische Staat jedes Jahr pro Einwohner etwa 30 Euro in das Radwegenetz und in großzügige Fahrradparkhäuser, während man in der Bundesrepublik weniger als fünf Euro pro Kopf dafür aufwende.

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Mit seinen nunmehr 61 Jahren will Meyer noch lange nicht aufhören, er tritt aber nun doch etwas kürzer und kommt nicht mehr jeden Tag ins Geschäft. Anders als seine Eltern früher wohnt er nicht in dem Haus, in dem sich der Laden befindet, sondern auf dem Land nahe Elmshorn. Seinen vier Mitarbeitern im Alter von 21 bis 52 Jahren könne er vertrauen: „Sie sind alle gute Verkäufer, und sie können alle auch reparieren – da habe ich sehr viel Glück gehabt.“

Dass Meyer weitab der Großstadt lebt, tut dem Absatz von Elektrofahrrädern sogar gut: „In der Stadt ist es für viele Menschen nicht leicht, diese Räder gut unterzubringen. Aus meinem Nachbarn- und Bekanntenkreis auf dem Dorf werde ich aber immer mal wieder gefragt, ob ich ihnen ein E-Bike verkaufen kann. Die Farbe ist egal.“
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