Hamburg. Norddeutsche Airbus-Standorte sollen wichtige Rolle bei der Entwicklung des Flugzeugs spielen, sagt Vorstandschef Guillaume Faury.

Guillaume Faury gelingt eine Überraschung. Erstmals seit seinem Amtsantritt als Airbus-Chef im April tritt der Franzose auf einer Veranstaltung vor Journalisten in Hamburg auf. Im Hotel Atlantic begrüßt er auf Einladung des Luftfahrt-Presseclubs und des Clubs Hamburger Wirtschaftsjournalisten gut 60 Medienvertreter – auf Deutsch. „So weit, so gut“, fragt er nach ein paar einführenden Worten und erntet Zustimmung. Dann beginnt er seine Rede – und bleibt bei der Sprache, statt auf das in der Luftfahrt übliche Englisch zu wechseln. „Das dürfte der erste französische Airbus-Chef sein, der Deutsch spricht“, sagt ein Zuhörer.

Der Absolvent der Eliteuni École polytechnique steht vor großen Aufgaben. Der 51-Jährige soll Airbus in ein neues Zeitalter führen. Fast 20 Jahre lang prägte sein Vorgänger Tom Enders in verschiedenen Managementfunktion das Gesicht des Flugzeugbauers. Der Konzern wuchs in den 50 Jahren seines Bestehens kräftig, schloss zum Branchenprimus Boeing auf und gilt als Vorzeigeprojekt europäischer Integration.

Allerdings gab es auch immer wieder Reibereien zwischen den Nationen, Korruptionsaffären und Verzögerungen bei wichtigen Projekten wie dem Militärtransporter A400M und dem A380. Enders beerdigte als eine seiner letzten Amtshandlungen im Februar das größte Passagierflugzeug der Welt. Der A380 wird 2021 letztmals ausgeliefert. Er erfüllt mit seiner Größe und seinen viel Sprit fressenden vier Triebwerken nicht mehr modernsten Anforderungen.

Der „grüne“ Airbus dürfte ein anderes Design haben

Der Zeitgeist macht der Branche ohnehin schwer zu schaffen. In der hoch emotionalen Klimaschutzdebatte wird vor allem die Luftfahrt an den Pranger gestellt. Bis 2030 wolle man als Unternehmen den gesamten CO2-Ausstoß halbieren, sagt Faury: „Aber es ist auch an der Zeit, eine neue Generation sauberer Technologien zu entwickeln.

Unser Ziel ist es, dass erste CO2-emissionsarme Passagierflugzeug der Welt zu bauen“, sagt Faury. Vielleicht werde es sich dabei um einen Nachfolger des A320 mit hybridelektrischen Antrieb handeln, bei dem eine Turbine (zum Beispiel mit Biokerosin) nur noch Strom für die Elektromotoren liefert. Wahrscheinlich werden die Flieger ganz anders aussehen als heute.

Finkenwerder wird wichtig für den Öko-Airbus

Den norddeutschen Forschungszentren in Bremen, Stade und dem Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder kämen wichtige Rollen bei der Entwicklung zu. Bis es soweit sei, dauere es noch viele Jahre und bedürfe es hoher Investitionen, sagt Faury: „Unser Ziel ist es, das Flugzeug bis 2035 am Himmel zu haben.“

Weil aber auch solche Flugzeuge Energie beziehen müssen, brauche man eine Massenproduktion von CO2-armen flüssigen Treibstoffen wie Wasserstoff oder synthetisch hergestelltem Kerosin, die Technik dafür stecke heute aber noch in den Kinderschuhen. Zudem müsse es einen grünen Energiesektor geben, der weniger abhängig von Kohle und Erdgas ist.

Er sei überzeugt, dass sich Airbus und die europäische Luftfahrt als Vorreiter etablieren könnten, so Faury. Dann schließt er seinen knapp 20-minütigen Vortrag mit einer Portion Selbstironie auf seine nicht perfekten, aber soliden Deutsch-Kenntnisse mit französischem Einschlag: „Vielen Dank für Ihre Geduld mit meinem wunderschönen norddeutschen Akzent.“

Enders Nachfolger wählt einen milderen Ton, aber klare Worte

Während Vorgänger Enders eher ein Mann der lauten und markigen Worte war und Konfrontationen nicht scheute, tritt sein Nachfolger zurückhaltend auf und spricht eher bedacht und leise. Offenbar versteht er sich als Teamplayer. Ins Hotel Atlantic brachte er seinen fürs Tagesgeschäft zuständigen Chief Operating Officer Michael Schöllhorn, den Hamburger Werksleiter André Walter und Medienchefin Julie Kitcher mit. Bei der anschließenden Fragerunde, die auf Englisch stattfindet, holt er sie mit nach vorne. Man werde sich die Antworten teilen, sagt Faury und lächelt: „Ich werde die einfachen Fragen beantworten“ – letztlich beantwortet er doch fast alle.

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Auch wenn sein Ton weniger scharf ist, findet der verheiratete Vater von drei Kindern klare Worte. Die Luftfahrt und Airbus würden ihren Beitrag leisten wollen, um die globale Erderwärmung zu stoppen. Die Branche sei aber nur für zwei Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich, das Internet schon bald für fünf Prozent. Der Großteil entstehe durch das Heizen von Häusern oder den allgemeinen Konsum. Es sei zu einfach, wenn einige mit dem Finger auf Luftfahrt und Tourismus zeigen und sagen, dass man an der Erderwärmung Schuld sei. „Ich finde, das ist nicht okay“, sagt Faury.

Lob und Mahnung von Faury für Airbus in Hamburg

Für den Standort Hamburg hatte der lizenzierte Pilot lobende und mahnende Worte übrig. Das Werk auf Finkenwerder mit seinen gut 14.000 Beschäftigten – allein in den vergangenen zwölf Monaten kamen rund 1500 Mitarbeiter hinzu – ist das Herzstück der A320-Produktion, dem Verkaufsschlager von Airbus.

Die Produktionsrate ist innerhalb weniger Jahre von 43 im Monat auf 60 hochgefahren worden, 2021 sollen es 63 Maschinen sein. Im Sommer 2018 wurde die vierte Endmontagelinie für die Fertigung des einst reinen Mittelstreckenflugzeugs eröffnet. „Keine andere Endmontagelinie verfügt über einen so hohen Grad an Automatisierung“, so Faury. In einer neuen Strukturmontagelinie arbeiten sogar 20 Roboter.

Digitalisierung und Roboterisierung bleiben wichtige Themen

Digitalisierung und Roboterisierung gelten als wichtige Zukunftsthemen, die der Branche den Weg zur weiteren Steigerung der Massenproduktion ermöglichen. Faury sammelte darin wichtige Erfahrungen in der Autoindustrie, die in dem Bereich deutlich weiter ist. Nachdem der gelernte Flugtestingenieur seine Karriere bei Airbus 1998 begann, war er von 2009 bis 2013 bei Peugeot tätig. Er kehrte in die Luftfahrt zurück, wurde erst Chef von Airbus Helicopters und im Februar 2018 der Zivilflugzeugsparte.

Diesen Posten hat er weiterhin inne. Und in seinem Verantwortungsbereich und speziell im Hamburger Werk läuft nicht alles rund. Seit Jahrzehnten baut es das längste Modell, den A321. Die 44,51 Meter lange Maschine wird in neuen Versionen angeboten. Erst als Langstreckenvariante (LR), bei der durch Zusatztanks die Reichweite deutlich gesteigert wurde. Dann kam noch eine XLR-Variante hinzu, die Nonstop-Flüge bis zu 8700 Kilometer erlaubt.

Wird der A321 bald auch in Toulouse gebaut?

Möglich macht das ein neues flexibles Kabinensystem, dessen Einbau für Probleme sorgt. Wurden früher häufig Sitze, Bordunterhaltungssystem und Küchen nur für die Economy-Klasse eingebaut, sind jetzt bis zu vier Klassen möglich. Das treibt die Arbeitsstunden nach oben. „Das A321-Geschäft wird immer komplexer. Das ist für Hamburg eine der größten Herausforderungen“, sagt Faury.

Denn diese Maschine wird von den Airlines immer häufiger nachgefragt. Hamburg dürfte ein Quasi-Alleinstellungsmerkmal (außer der Hansestadt baut nur das 2015 eröffnete Werk in Mobile/USA wenige Stück im Jahr) bald verlieren. Es spräche einiges für Toulouse, sagt Faury. Dort werden bisher auf zwei Endmontagelinien nur A320-Flieger gefertigt. Eine Lösung wäre, eine der Linien so umzubauen, dass auch der größere A321 dort gebaut werden kann. Eine Entscheidung darüber sei aber noch nicht gefallen.

"Wir sind traurig", sagt Faury über den A380

Im Gegensatz zum A380. Mit etwas Wehmut blickt er auf dessen Aus zurück. „Wir sind traurig“, sagt Faury. Aber es sei eine Entscheidung des Marktes und der Kunden gewesen. Die Nachfrage nach dem Riesen-Airbus, der bis zu 853 Fluggäste fasst, war nicht mehr vorhanden.

Ein Wiederaufleben des Programms nach dem Aus 2021 erwartet er auch in Zukunft nicht – selbst wenn die Passagierzahlen weltweit weiter steigen werden. Denn die Airlines setzen verstärkt auf Punkt-zu-Punkt-Verkehre mit kleineren Flugzeugen. Die Zeiten für Flugzeuge mit mehr als 500 Passagieren seien daher wohl vorbei, lautet Faurys Fazit – käme es anders, wäre es für ihn eine Überraschung.