Kiel. Nach 100 Jahren im Familienbesitz will die Werft sich in eine Beteiligungsgesellschaft wandeln und ihr Geschäftsmodell ausweiten.
Zu ihrem 100. Jubiläum will die Kieler Traditionswerft Rathje mit einem unternehmerischen Schachzug ihre Zukunft sichern: Die Familienwerft im Stadtteil Friedrichsort werde sich in eine Beteiligungsgesellschaft mit etwa 20 kleineren Kapitalgebern wandeln, sagt der beratende Notar Peter Beckmann. Gesucht werden maximal 20 Investoren, die mit 20 000 bis 60 000 Euro stille Beteiligungen erwerben oder als Kommanditisten mitmachen.
Die Enkelin des Werftgründers, Edith Vonhoff, will Ende 2020 nach 28 Jahren als Chefin in den Ruhestand wechseln, Kinder hat sie nicht. Neuer Geschäftsführer wird der Bootsbaumeister Dirk Heiert. Der tatkräftige 31-Jährige - er stammt ursprünglich aus Stralsund - hat schon als Lehrling bei Rathje begonnen.
In ihrer langen Geschichte hat sich die Werft immer wieder häuten müssen. „Nach der Gründung 1922 dominierte zunächst der Neubau von Holzbooten, anfangs Motorschiffe, dann Segeljachten und auch Kutter“, sagt Vonhoff. Nach dem Krieg gewann die Instandsetzung und Wartung an Bedeutung. „In den 60/70er Jahren hatten wir viele solcher Aufträge der Bundeswehr, es handelte sich um 16 bis 22 Meter lange Schiffe.“ Ein Schwerpunkt in der Anlagentechnik war die Wartung der Antriebe. Anfang der 90er Jahre änderte sich das Geschäft deutlich, private Segelboot-Eigner gewannen stark an Bedeutung - bis heute.
Ausweitung der Geschäftsfelder entscheidend für die Zukunft
„Für unsere Zukunft entscheidend ist die Ausweitung der Geschäftsfelder“, betont Rathje-Projektleiter Kay Dürschke. Die Werft sei in den vergangenen drei Jahren von links auf rechts gedreht worden: Der eigene Yachthafen wurde modernisiert, die Zahl der Liegeplätze von 38 auf 98 ausgeweitet und zusätzliche Freiflächen und Hallen am Kieler Flughafen wurden für Winterplätze gemietet. Ein moderner Yachtshop mit Bar und Café ist seit September geöffnet. Im April soll ein Brötchenservice folgen. Auf den Dächern der Werfthallen produzieren Solarpaneele Öko-Strom. Liegeplatzbesitzer können ihn kostenlos nutzen. Seit Sommer erweitern Yachtcharter sowie Verleih von E-Bikes und E-Auto das Geschäftsmodell.
Das schwierige Neubaugeschäft soll wieder Fahrt aufnehmen. Im April 2020 startet der Bau eines ersten Luxus-Hausbootes, was ursprünglich schon für 2018 geplant war. Auftraggeber ist ein Hamburger, der im Yachthafen Rathje neben seiner Segeljacht dann noch sein Hausboot liegen haben wird. Das Hamburger Konstrukteurbüro iYacht hat mit der Werft den Hausboot-Typen mit zwei Elektromotoren entwickelt. Diese Hausboote können laut iYacht-Geschäftsführer Udo Hafner nicht nur auf Kanälen und Seen, sonder sogar in Küstennähe fahren. Bis zu zwei Meter hohe Wellen und Windstärke sechs könne dieser Bootstyp ab. Schon 40 Anfragen hat es laut Dürschke gegeben.
Ein weiterer Neubau-Auftrag vom Segelverein „Schüler Segeln Schleswig-Holstein“ ist in Sichtweite, sagt Beckmann, der sich in dem Verein - Schirmherr ist Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) - engagiert. Rathje hat bereits eines der unsinkbaren, kentersicheren Segelboote vom Typ „team acht Boot“ gebaut und zwei gewartet.
Einen alten Geschäftszweig hat die Werft wiederentdeckt: Das Abwracken von Kuttern. Rund 45 000 Euro koste das Zerlegen, sagt Dürschke.
In der Ausbildung ist Rathje stark engagiert. „Wir haben im Schnitt sieben Auszubildende“, sagt Vonhoff. „Bootsbauer ist ein äußerst stark nachgefragter Beruf.“ Außerdem bilde man Motorenschlosser aus. Auf die Frage, was entscheidend für den Unternehmenserfolg ist, antwortet Vonhoff nach kurzem Nachdenken: „Ganz wichtig sind die Mitarbeiter. Es steht und fällt mit der Einstellung und einer guten Arbeitsatmosphäre.“ Und so gilt das Angebot, sich an der Werft zu beteiligen, auch für die 22 Mitarbeiter.