Hamburg. Die erhöhte Kaufprämie von bis zu 6000 Euro sowie die Markteinführung von massentauglichen Modellen sollen für mehr Absatz sorgen.

Es war ein ehrgeiziges Ziel: Im Jahr 2008 gab die damalige Bundesregierung unter der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, bis 2020 sollten eine Million Elektroautos auf den deutschen Straßen fahren. Auf Hamburg heruntergerechnet müssten das gut 16.000 Fahrzeuge sein. Tatsächlich waren in der Hansestadt zuletzt nicht einmal ein Viertel so viele Autos mit batterieelektrischem Antrieb zugelassen – und die Kanzlerin hat die Frist längst auf 2022 hinausgeschoben.

Anders als Norwegen, wo inzwischen mehr als jeder zweite Neuwagen entweder rein elektrisch fährt oder einen von außen aufladbaren Hybridantrieb besitzt („Plug-In-Hybrid“), ist der Marktanteil solcher Fahrzeuge in Hamburg und im übrigen Deutschland selbst bei den Neuzulassungen noch äußerst überschaubar; nach jüngsten Daten liegt er im sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das will die Bundesregierung nun ändern.

Auf dem „Autogipfel“ vor wenigen Tagen beschloss sie zusammen mit der Industrie, die seit 2016 bestehende Kaufprämie für Autos mit Elektroantrieben kräftig aufzustocken. „Noch im November“, so hieß es, soll die Anhebung der Förderung von bisher 4000 Euro auf künftig 6000 Euro (siehe Grafik) verabschiedet werden.

Elektro-Mobilität – Wachstum auf niedriger Basis.
Elektro-Mobilität – Wachstum auf niedriger Basis. © HA

Hamburg gilt als Vorreiter bei Elektromobilität

Bei Hamburger Autohändlern kommt das gut an. „Das ist ein positives Signal“, sagt Michael Babick, Geschäftsführer der Krüll-Gruppe, die außer Ford unter anderem Volvo und Jaguar vertritt: „Die Aufstockung der Prämie wird zu höheren Absatzzahlen von E-Autos führen und ist damit für die Händlerschaft attraktiv.“ Auch Björn Böttcher, Geschäftsführer bei Dello, erwartet einen Anschub: „Ein Auto mit reinem Elektroantrieb kostet bisher 10.000 bis 15.000 Euro mehr als das vergleichbare Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Damit hilft jeder Euro, den es als Kaufanreiz gibt.“

Nach Auffassung von Matthias Pfalz, Leiter der BMW-Niederlassung Hamburg, ist eine Kaufprämie „erwiesenermaßen ein effizientes Instrument, um den Markt für Elektrofahrzeuge zu stimulieren“. Er weist aber auch darauf hin, dass sich die Autoindustrie „signifikant“ an der Förderung beteiligt: Die Hersteller tragen die Hälfte des Förderbetrages.

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Zwar rangiert der Kleinwagen Renault Zoe in diesem Jahr bei den Zulassungszahlen der reinen E-Autos knapp vor dem BMW i3 an der Spitze. Insgesamt sehen sich aber die Münchner als Marktführer bei „elektrifizierten Fahrzeugen“ in Deutschland. „Wir haben in der Niederlassung Hamburg in diesem Jahr doppelt so viele BMW i-Modelle verkauft wie im Vorjahr“, sagt Pfalz. Angesichts der geplanten Einführung neuer Typen rechne BMW mit kräftigem Wachstum: „Jahr für Jahr soll der Absatz der elektrifizierten Fahrzeuge um durchschnittlich über 30 Prozent steigen.“

„Im nächsten Jahr wird der Markt richtig Tempo aufnehmen“

Auch Bernd Glathe, Geschäftsführer des Hamburger VW-Händlers Auto Wichert, setzt auf einen Schub bei den Verkaufszahlen aufgrund neuer E-Modelle: „Im nächsten Jahr wird der Markt richtig Tempo aufnehmen, weil dann Fahrzeuge kommen, die auch für breitere Kundenkreise bezahlbar sind.“

Anfang Oktober waren in Hamburg nach Angaben der Wirtschaftsbehörde 3871 reine Elektrofahrzeuge zugelassen, hinzu kommen 2060 Hybride mit externer Lademöglichkeit und 39 Wasserstoffautos. Laut der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) kommt Hamburg auf den höchsten Anteil alternativer Antriebe aller Bundesländer, gemessen am jeweiligen Fahrzeugbestand, und ist damit „Vorreiterstadt“ der E-Mobilität.

In den nächsten fünf Jahren erwartet die Wirtschaftsbehörde einen Anstieg auf mehr als 50.000 Fahrzeuge mit Batterie- oder Plug-In-Hybrid-Antrieb. Bliebe es bei der heutigen Gesamtzahl von Pkws, läge der Marktanteil damit aber immer noch lediglich bei sechs Prozent.

Dabei könne Deutschland bereits heute viel weiter sein, findet Glathe: „Schon 2007 hieß es, im Hinblick auf das Weltklima müsse sich der Straßenverkehr dringend wandeln. Aber die Indus­trie und die Politik haben sich noch Zeit gelassen.“ Nach Einschätzung der Händler ist der bisherige Subventionstopf für die Kaufprämie unter anderem deshalb nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft worden, weil die Kombination aus Reichweite und Preis der bislang angebotenen Autos die Verbraucher nicht überzeugte.

Ist die „Reichweitenangst“ bei E-Autos unbegründet?

Allerdings ist die vielzitierte „Reichweitenangst“ in den Augen von Glathe häufig unbegründet: „Hamburger fahren heute doch im Schnitt nur noch 10.000 Kilometer pro Jahr, also weniger als 200 Kilometer in der Woche. Eine solche Reichweite haben sehr viele der jetzt verfügbaren E-Autos.“ Um den Kunden die Sorge vor einer leeren Batterie bei Langstreckenfahrten zu nehmen, sei aber auch Flexibilität im Vertrieb gefragt: „Bei Leasing-Verträgen kann man zum Beispiel vereinbaren, dass der Kunde für den Urlaub zwei Wochen lang ein Auto mit Verbrennungsmotor bekommt.“

Doch für Verbraucher sei die E-Mobilität immer noch mit einer Reihe weiterer „Unwägbarkeiten“ verbunden, sagt Babick: „Das betrifft unter anderem den Wiederverkaufswert der Fahrzeuge.“ Dello-Geschäftsführer Böttcher berichtet ebenfalls über große Unsicherheit bei potenziellen Käufern: „Zu den Fragen die wir immer wieder hören, zählen diese: Wie lange hält der Akku? Wie lange dauert der Ladevorgang? Wie wird die Aufladung abgerechnet?“

Reine E-Autos werden nach den Erfahrungen von Böttcher „bisher nicht selten als Zweitwagen gekauft – häufig von Kunden, die am Stadtrand wohnen, über einen Carport oder eine Einzelgarage verfügen und vielleicht sogar eine Solaranlage auf dem Dach ihres Hauses haben.“ Von Hybridfahrzeugen ließen sich die Hamburger hingegen schon leichter überzeugen.

Hybridauto-Käufer meist Pendler aus dem „Speckgürtel“

Käufer von Autos mit diesem Antrieb möchten nach Angaben von BMW-Niederlassungsleiter Pfalz „größtenteils emissionsfrei“ fahren können, besonders in der Stadt, sie wollten aber nicht auf die Reichweite von Verbrennungsmotoren verzichten. Doch selbst bei diesen Kunden handele es sich mehrheitlich um Pendler aus dem „Speckgürtel“, die eine Garage mit Lademöglichkeit besitzen.

Zwar hat Hamburg sein selbstgestecktes Ziel von 1000 öffentlich zugänglichen Ladestationen für E-Autos in diesem Jahr schon übertroffen und ist nach Angaben der Behörde auch hiermit weiterhin Vorreiter in Deutschland. Ist man mit dem batterieelektrischen Fahrzeug aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik unterwegs, kann es unübersichtlich werden: An vielen Säulen werden Ladekarten benötigt, die man erst nach vorheriger Registrierung erhält.

Laut einer Studie der Hamburger Ökostromfirma LichtBlick und des Marktforschungsinstituts Statista herrscht ein „Tarifchaos“ mit enormen Preisunterschieden. Bei der Abrechnung über sogenannte Roaming-Anbieter, die einen flächendeckenden Zugang zu Ladesäulen verschiedener Versorger ermöglichen, kann so eine Aufladung für 100 Kilometer Reichweite an Säulen von E.on bis zu 16,36 Euro kosten. Das sei „schockierend“, sagt Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft bei LichtBlick. Ohnehin lägen die Preise häufig über den Durchschnittskosten für Haushaltsstrom (2018: 30,4 Cent/Kilowattstunde).

Bei Firmenkunden sind E-Autos schon jetzt beliebt

Umfragen ergeben aber, dass die Ladevorgänge überwiegend zu Hause erfolgen – und somit hätten die meisten Hamburger ein Problem mit der Elektromobilität: Ihr Auto steht entweder an der Straße oder in einer Tiefgarage. Doch nach Angaben des ADAC steht in 96 Prozent der Tiefgaragen nicht einmal eine gewöhnliche Steckdose zum Laden eines E-Autos zur Verfügung.

Wohl auch deshalb habe man Geschäftskunden, die das Fahrzeug auf dem Firmengelände aufladen können, bisher am schnellsten für die E-Mobilität inter­essieren können, sagt VW-Händler Gla­the: „Kürzlich haben wir im Rahmen des Förderprogramms ,Hamburg am Strom‘ mehr als 200 Fahrzeuge der Typen e-Golf und e-Up an Firmenkunden verkauft, ohne dass dafür speziell geworben werden durfte. Die Nachfrage war trotzdem groß.“