Hamburg. Der künftige IG-Metall-Bezirkschef über die nächsten Tarifverhandlungen und Forderungen an Hamburgs größten Industriearbeitgeber.

Anfang Dezember wird Daniel Friedrich (44) Chef der Gewerkschaft IG Metall in den Küstenländern. Im Abendblatt-Interview sagt er, warum die nächsten Tarifverhandlungen hart werden könnten, was die Airbus-Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber verlangen – und wie viel mehr er selbst als Bezirksleiter künftig verdient.

Hamburger Abendblatt: Herr Friedrich, die Arbeitgeber sagen, die Lage der Unternehmen in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie sei so schlecht wie vor zehn Jahren. Wie beurteilt die IG Metall die Situation?

Daniel Friedrich: Die Lage ist sicherlich eine andere, teilweise schlechtere als 2018. Wir müssen jetzt genau beobachten, ob das langfristig so ist. Oder ob es nur der übliche Abschwung ist, der nach zehn Jahren Aufschwung jetzt ein paar Dellen mit sich bringt. In der Autoindustrie ist das stärker spürbar. In der Luftfahrt aber gar nicht. Selbst im Schiffbau haben wir keine großen Schwierigkeiten. Die Werften, die Passagierschiffe und Luxusyachten bauen, stehen gut da. Ich bin etwas verwundert, wie der eine oder Wirtschaftsvertreter eine Krise herbeiredet.

Was bedeutet diese sehr unterschiedliche Situation der Unternehmen für die nächste Tarifrunde im Frühjahr 2020?

Friedrich: Wir beobachten genau, wie sich die Lage weiterentwickelt. Unsere Forderung für die Tarifrunde werden wir erst im Februar kurz vor Beginn der Verhandlungen formulieren. Wir haben uns bei unseren Forderungen ja nie an den Bereichen orientiert, denen es besonders gut geht, sondern immer am Durchschnitt. Das wird auch diesmal so sein.

In anderen IG-Metall-Bezirken heißt es, es müsse mindestens einen Inflationsausgleich geben. Das deutet darauf hin, dass die Forderung niedriger ausfällt als vor zwei Jahren. Damals sollten es sechs Prozent sein.

Friedrich: In der IG Metall diskutieren wir drei Bereiche. Das eine ist mehr Geld. Das zweite ist, ob wir tarifliche Bausteine brauchen, um die Beschäftigung in den Betrieben zu sichern. Und das dritte ist die Frage: Können und wollen wir die betriebliche Altersvorsorge besser aufstellen? Über Gehaltsprozente will ich deshalb jetzt gar nicht spekulieren. Die Forderung wird wegen der wirtschaftlichen Lage sicher eine andere sein als vor zwei Jahren. Wie genau sie aussieht, muss sich noch zeigen.

Der Arbeitgeberverband Nordmetall erwartet eine „harte und schwere“ Tarifrunde 2020. Wie schätzen Sie das ein?

Friedrich: Wir sehen einzelne Arbeitgeber insbesondere in der Autozulieferindustrie, die den Abschwung nutzen wollen, um Personal abzubauen und Betriebsstandorte in Frage zu stellen. 2008/2009 gab es das gemeinsame Ziel, die Krise ohne Entlassungen zu überwinden. Im Moment habe ich etwas Zweifel, ob dies das gemeinsame Ziel ist. Wenn Unternehmer die Situation zum Personalabbau nutzen wollen, werden wir in eine starke und harte Auseinandersetzung kommen. Unser Ziel muss sein, dass die Beschäftigten nicht den Renditeerwartungen geopfert werden.

Sie haben angekündigt, die IG Metall wolle stärker vom Betrieb her denken. Bedeutet das einen schlanken Tarifvertrag der durch separat ausgehandelte, individuelle Lösungen für den einzelnen Betrieb ergänzt wird?

Friedrich: Dass der Flächentarifvertrag jederzeit durch Ergänzungstarifverträge auf den einzelnen Betrieb angepasst werden kann, haben wir ja heute schon. Zum Beispiel bei Airbus und auch in kleineren Betrieben, wo man dann gemeinsam etwa zu Arbeitszeitkonten kommt. Der IG Metall geht es dabei darum, etwas für einen Betrieb und seine Beschäftigten besser zu machen. Von der Arbeitgeberseite kommt bei uns aber oft an, etwas schlechter zu machen, Geld zu streichen. Das kann nicht unser Ziel sein.

Bei Airbus stehen 2020 Verhandlungen über einen neuen Zukunftstarifvertrag an. Im aktuellen ist eine Standort- und Jobgarantie festgeschrieben. Wie lautet die wichtigste Forderung für den neuen Vertrag?

Friedrich: Die Absicherung der Beschäftigung ist und bleibt das wichtigste Thema. Wir haben an allen norddeutschen Airbus-Standorten eine Umfrage bei den Beschäftigten gemacht, an der sich weit mehr als die Hälfte der Belegschaften beteiligt hat. Demnach sagen 94 Prozent, dass Airbus im zweiten Zukunftstarifvertrag eine neue Jobgarantie geben muss. Für 80 Prozent ist die Beschäftigungssicherung sehr wichtig, für weitere 14 Prozent wichtig. Es wird ja zukünftig immer Veränderungen geben. Die Erfahrung ist: Da, wo die Menschen wissen, mein Arbeitsplatz ist sicher, mein Einkommen ist sicher und es wird in den Standort meines Betriebs investiert, da bringen sie sich auch in Veränderungsprozesse ein und sind bereit, sich zu engagieren. Deshalb ist das A und O eines neuen Zukunftstarifvertrags bei Airbus eine Standort- und Beschäftigungsgarantie.

Aber gerade am Airbus-Standort Hamburg muss man sich doch gar keine großen Sorgen machen. Die Auftragsbücher sind auf Jahre hinaus gefüllt....

Friedrich: Die Menschen sehen ja, welche Veränderungen in Unternehmen stattfinden, auch in solchen, denen es gut geht. Wenn Veränderungen in einem globalen Unternehmen aus einer weit entfernten Zentrale kommen, ist ja immer die Sorge: Werden meine Interessen berücksichtigt oder wird über meinen Kopf hinweg entschieden? Die Unsicherheit in der Welt führt dazu, dass die Leute mehr Sicherheit wollen, und dass eine Jobgarantie verbindlich aufgeschrieben werden muss – auch wenn die Auftragslage eigentlich gut ist.

Die Verhandlungen über den ersten Zukunftsvertrag dauerten mehr als ein Jahr, es kam zu Warnstreiks. Wird es 2020 wieder so konfrontativ?

Friedrich: Es wird jedenfalls nicht einfach und kein Selbstgänger. Ich bin erst mal froh, dass wir die Signale haben, dass man sich mit uns zusammensetzen will, um die Themen miteinander zu bewegen. Und dann wird man sehen, ob man einen kooperativen Weg findet, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen. Aber wenn es nach dem Motto gehen sollte: Die Arbeitnehmer sollen flexibel arbeiten und auf für sie gute Regelungen verzichten, aber der Arbeitgeber verweigert sich bei den Themen Jobsicherheit und Investitionen in den Standort – dann sind wir ganz schnell auf dem Konfliktweg. In welche Richtung es geht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Sie sind im Alter von 22 Jahren Gewerkschaftssekretär geworden. Wären ein paar Jahre mehr Erfahrung im Betrieb nicht besser gewesen?

Friedrich: Ach, jeder hat ja so seinen Weg. Ich habe den großen Vorteil gehabt, dass ich immer mit vielen Menschen direkt arbeiten durfte, dass ich Jobs bei der Gewerkschaft hatte, bei denen man nicht nur auf der Metaebene unterwegs ist und ausschließlich mit Arbeitgebern und Politikern zusammensitzt.

Das Tarifgehalt eines Ingenieurs in der Metallbranche kann bei gut 100.000 Euro im Jahr liegen. Wie viel mehr zahlt die IG Metall ihrem neuen Bezirksleiter an der Küste?

Friedrich: Oh, da muss ich in meinen Arbeitsvertrag gucken, ich habe ja noch keine Abrechnung bekommen. (Steht auf, blättert Unterlagen durch, klickt sich lange durch Computerdateien) Also: Es sind 4500 Euro mehr pro Monat als bisher.

Und das heißt wie viel insgesamt pro Jahr?

Friedrich: Im Jahr sind es ungefähr 180.000 Euro. Das finde ich sehr stattlich. Dafür muss man gute Leistung bringen. Und gute Leistung heißt für einen Bezirksleiter, das Arbeitsleben der Beschäftigten zu verbessern. Ich will dafür sorgen, dass gute Gehälter gezahlt werden, dass Arbeitsplätze in der Industrie und im Handwerk sicher sind. Das muss immer das erste Ziel sein.