Hamburg. Sparkasse eröffnet Filiale im Schanzenviertel neu. Sie war bei den G20-Krawallen zerstört worden. Darüber kann man wohnen.

Für Nico Heitmann und seine 16 Kollegen ist es eine Heimkehr nach fast zweieinhalb Jahren. Vom morgigen Donnerstag an haben sie von ihren Arbeitsplätzen aus wieder den vertrauten Blick auf die Nachbarschaft im Herzen des Schanzenviertels. Denn an diesem Tag nimmt die Haspa-Filiale am Schulterblatt 65 ihren Betrieb auf – an der selben Stelle, an der sie seit 1959 zu finden war, bis das Gebäude Anfang Juli 2017 während der G-20-Krawalle in Brand gesetzt und so stark zerstört wurde, dass es abgerissen werden musste.

Bis zur Fertigstellung des Neubaus bedienten Filialleiter Heitmann und seine Mitarbeiter die rund 8000 Kunden an einem Interims-Standort knapp 50 Meter entfernt, in einer früheren Niederlassung der Deutschen Bank.

„Über Jahrzehnte sind wir mit der Schanze durch dick und dünn gegangen“, sagt Detlef Rüter, Regionalleiter St. Pauli-Neustadt bei der Haspa. „Wir sind mit den Bewohnern, den Geschäftsleuten und den hier Arbeitenden eng verbunden“ – und nach den G-20-Ereignissen ist die „gefühlte und erlebte Solidarität“ eher noch größer geworden.

1800 Bewerbungen in nur einer Nacht

Mit dem Neubau kann die Verbindung sogar noch enger werden, denn die Haspa nutzt nur die unteren drei der sechs Etagen sowie den Keller. Im dritten Obergeschoss sind Büros zu vermieten, Gespräche mit Interessenten laufen derzeit. Im vierten und fünften Obergeschoss befinden sich jeweils zwei Sozialwohnungen mit 62 bis 69 Quadratmetern Wohnfläche.

„Auf diese Weise ermöglichen wir es Menschen, in der Schanze zu wohnen beziehungsweise wohnen zu bleiben, die es sich sonst nicht leisten könnten“, sagt Torsten Gerke, Geschäftsführer der Firma NM Nord-Immo Management, die zur Haspa-Gruppe gehört und die einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in das Gebäude investiert hat.

„Innerhalb nur einer Nacht haben wir für die Wohnungen mehr als 1800 Onlinebewerbungen erhalten“, so Gerke. Noch vor Weihnachten werden zwei alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern sowie zwei Rentnerinnen einziehen. Die Miete liegt dank der Förderung bei nur 8,60 Euro pro Quadratmeter. Durch die großflächige Verglasung bieten die Wohnungen einen beeindruckenden Blick auf das lebhafte Umfeld unten und die Altbaufassaden des Viertels. „Die Lage würde ohne die Sozialbindung sicherlich eine sehr viel höhere Miete hergeben“, so Rüter.

1000 barrierefreie Schließfächer im Keller

Im Erdgeschoss, in der künftigen Filiale, sind die Arbeiten an diesem Dienstagnachmittag noch in vollem Gange: Kabel hängen aus der Decke, der Fußboden ist noch nicht fertig gelegt, und die vier Geldautomaten werden gerade montiert. Wie bereits bei etwa 60 der rund 120 Haspa-Geschäftsstellen handelt es sich hier um einen Standort nach dem neuen Konzept eines „Nachbarschaftstreffs“.

Dieses Konzept sei „viel mehr als ein Möbelprogramm“, sagt Heitmann: „Wir bieten Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge und Konzerte an.“ Ein zentrales Element der neuen Filiale ist der lange Holztisch vor der sogenannten „Stadtteilwand“ mit einem Gr0ßbildschirm, der Nachrichten und Tipps für die Region zeigt. An dem Tisch können Besucher Platz nehmen und sich an iPads über St. Pauli, die Haspa und das Filialteam informieren.

Im Umfeld der Stadtteilwand werden sich Unternehmen, Vereine und Institutionen­ aus der Nachbarschaft kostenlos mit ihren Dienstleistungen und Produkten präsentieren. Anfangs soll dort auch ein Klavier des Pianohauses Trübger stehen. In Fächern der Nachbarschaftswand stellen sich die Fahrschule St. Pauli und das Geschäft Better Times vor, das Bekleidung und Geschenkartikel vor allem mit St.-Pauli-Bezug verkauft.

Dank des Neubaus sind die Besprechungsräume im Obergeschoss nun ebenso barrierefrei über einen Aufzug zu erreichen wie die 1000 Schließfächer im Keller. In einem Punkt unterscheidet sich die neue Geschäftsstelle deutlich von anderen Haspa-Filialen: Die Fensterscheiben im Erdgeschoss und im ersten Stock können durch Panzerrollläden gesichert werden. „Wir haben hier Erfahrung mit nicht bankenfreundlichen Kundgebungen“, so Rüter. Die Rollläden will man aber nicht jede Nacht herunterlassen­, erklärt Heitmann: „Das Gebäude soll ja nicht wie ein Fort aussehen.“

Geldautomaten in der Schanze in Europa am meisten gefragt

Zwar hatte auch die alte Filiale bereits solche Fenstersicherungen. Vor der Tür jedoch war nur ein Gitter angebracht – und das ließ sich aufhebeln. Die vier von außen zugänglichen Geldautomaten der neuen Geschäftsstelle haben separate Abdeckungen unabhängig von den Fensterrollläden, sodass die Automaten nur bei konkreter Gefährdung nicht mehr nutzbar sind. Schließlich zählen sie nach Angaben von Rüter zu den meistfrequentierten Geldautomaten aller Banken in Europa: „An erster Stelle rangieren die auf der Reeperbahn, gefolgt von denen an der Spitalerstraße und den Automaten hier in der Schanze.“

Der Rundgang im neuen Gebäude weckt bei Rüter Erinnerungen an den 7. Juli 2017: „Diese Nacht werde ich nie vergessen.“ Um 4.30 Uhr stand der Haspa­-Manager damals vor der ausgebrannten Filiale. Der Zuspruch aus der Nachbarschaft danach sei jedoch „riesig“ gewesen. Der direkte Nachbar, das Jesus-Center, wollte ursprünglich Räume im Haspa-Neubau nutzen. Doch letztlich habe man sich mit der sozial-diakonischen Einrichtung finanziell nicht einigen können, hieß es.