Hamburg. Firmen der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte dahinter. Heute: Spirituosen ohne Prozente von Undone.

André Stork (43) und sein Kompagnon Mehmet Ünlü (31) kennen sich aus mit flüssigen Genussmitteln: Storck arbeitete bis zum Frühjahr 2017 zwölf Jahre lang beim Hamburger Spirituosenimporteur Borco (Sierra Tequila, Helbing Kümmel, Yeni Raki), zuletzt als Marketing-Direktor. Ünlü gründete nach dem Studium in seiner österreichischen Heimat eine Coffeeshop-Kette und verkaufte sie nach einigen Jahren wieder.

Kennengelernt haben sich die beiden, als sie gemeinsam für einen Investor und seine Luxusbiermarke namens Neuschwansteiner tätig waren. Es blieb eine Episode. Heute importieren Stork und Ünlü Hochprozentiges aus aller Welt. Ihre Hamburger Firma Crane­house ist spezialisiert auf Craft-Spirituosen aus kleinen, unabhängigen Destillerien. Zum Portfolio gehören Gin, Tequila, Rum, Korn, Whisky, Mezcal, Wodka und allerlei Liköre. Die in der Bar- und Cocktailszene wohl bekannteste Marke: Aviation Gin aus den USA.

Bisher gab es keine gute Alternative

Doch aus den Cranehouse-Büros in einem Coworking-Space nahe dem Baumwall werden seit Kurzem auch Getränke vertrieben, die einerseits ganz ähnlich, andererseits aber doch ganz anders sind. Man könnte sie alkoholfreie Spirituosen nennen. Es ist eine noch junge Produktkategorie, der eine große Zukunft vorausgesagt wird und in welche die Branche große Hoffnungen setzt. Diageo, der weltgrößte Spirituosenkonzern, hat in diesem Jahr mit Seedlip einen der Pioniere übernommen.

Entkoffeinierten Kaffee, 0,0-Prozent-Bier, Wein und Sekt ohne Alkohol – all das ist seit Langem auf dem Markt und findet gesundheitsbewusste Konsumenten. „Für Leute, die abends gerne in eine Bar ausgehen, aber keinen Alkohol trinken wollen, gab es bislang jedoch keine gute Alternative“, sagt Stork. „Limonaden enthalten zu viel Zucker, Apfelschorle ist nicht cool.“

Stork und Ünlü haben diese Alternative vor wenigen Wochen auf den deutschen Markt gebracht. Sie heißt Undone und ist eine Produktlinie mit vier Varianten: Gin, Rum, Wermut sowie einem campariartigen Bitter. Das Versprechen: Damit lassen sich Drinks und Cocktails mischen, die so schmecken wie das Original – aber alkoholfrei sind.

Den Spirituosen wird der Alkohol entzogen

Die Konkurrenz ist groß: Das Branchenblatt „Mixology“ (Untertitel: Magazin für Barkultur) listete unlängst gut zwei Dutzend ähnlicher Produkte auf, die 2018 und 2019 auf den Markt gekommen sind. Was Undone („rückgängig machen“) von Konkurrenten unterscheidet, ist der Herstellungsprozess. „Wir arbeiten mit hochwertigen Spirituosen, denen der Alkohol entzogen wird“, sagt Stork. Das geschieht bei einem deutschen Produktionspartner in einem Verfahren, das eine Art umgekehrte Destillation ist. Dabei werden die Geschmacksessenzen gewonnen, heißt es. Andere Anbieter produzieren Gin ohne Prozente aus Wasser, das die Aromen von Wacholder, Kräutern und Gewürzen aufgenommen hat.

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Eine der größten Herausforderungen ist, einen Namen für die neuen Produkte zu finden. Oft werden sie alkoholfreie Spirits genannt. Spirituose aber darf in Europa nur ein Getränk genannt werden, das mindestens 15 Prozent Alkohol enthält. „Bei Undone sind es weniger als 0,2 Prozent“, sagt Ünlü. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, bezeichnen er und Storck die Undone-Variante, die früher einmal ein Rum war, daher als „Still Drink Sugar Cane Type“. Zudem steht auf dem Etikett auch noch „This is not Rum“, also „Das ist kein Rum“, und „alcohol-free“. Stork nennt es ein „nicht kohlensäurehaltiges, alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit Rumgeschmack, Typ Zuckerrohr“.

Das Ziel: „Wir wollen Weltmarktführer werden“

Dass die Gründer sich bei der Flaschenbeschriftung konsequent der englischen Sprache bedienen, ist ihren ambitionierten Zielen geschuldet. „Undone ist kein regionales Produkt, es soll zur globalen Marke werden und bis Ende 2020 in weltweit 30 Märkten präsent sein. Wir wollen Marktführer werden“, sagt Ünlü. Der US-Markt ist fest im Visier. Erstmals präsentiert haben Ünlü und Stork ihre vier Undone-Varianten im Sommer bei der Fachmesse Brooklyn Bar Convent in New York. Die zunächst 30.000 produzierten Flaschen seien bereits weitgehend verkauft, heißt es. Nun sollen weitere bis zu 60.000 Flaschen nachproduziert werden. Zudem liefen bereits Gespräche mit potenziellen Investoren, um die internationale Expansion voranzutreiben und das Undone-Sortiment zu erweitern. Schon sehr bald soll ein alkoholfreier Whisky folgen.

So eine 0,7-Liter-Flasche Erfrischungsgetränk mit Rum- oder Gin-Geschmack kostet im Handel um die 20 Euro, also etwa so viel wie eine Buddel der echten Spirituose in einer recht ordentlichen Qualität. Für die Hersteller aber gibt es einen gravierenden Unterschied: die Branntweinsteuer. Für eine Flasche 40-prozentigen Rum in Standardgröße müssen sie 3,65 Euro ans Finanzamt abführen, für eine Flasche alkoholfreien Rum sind es genau null Cent.