Hamburg. Beschwerden über angeblich viel zu niedrige Bewertung der Häuser. Was das Internetprotal Scoperty und Datenschützer dazu sagen.

Große Aufregung um ein neues Internetportal, das die Immobilienpreise in Hamburg und Umgebung für jede Adresse schätzt und mit einem Preisschild versieht. Scoperty startete mit seinem Dienst Ende vergangener Woche auch in der Hansestadt und viele Leser haben ihn offenbar gleich ausprobiert. Sie ärgern sich aber über aus ihrer Sicht viel zu niedrige Schätzwerte, wie zahlreiche Leserzuschriften zeigen.

„Da wird ein Zweifamilienhaus mit Einliegerwohnung nur mit 271.000 Euro bewertet“, ärgert sich eine Leserin aus Hamburg. Dabei betrage die Wohnfläche über 200 Quadratmeter. Das Haus aus Fertigteilen daneben mit wesentlich geringerer Wohnfläche werde um ein Vielfaches höher eingeschätzt.

Ein anderer Leser registriert Preisunterschiede von mehr als 200.000 Euro für nebeneinander liegende vergleichbare Häuser, die von einem gemeinsamen Bauträger errichtet wurden. „Fehlerhafte Schätzwerte können sehr schnell Vermögensschäden bei den Betroffenen verursachen, wenn Nutzer diese für bare Münze nehmen und falsche Schlüsse ziehen“, sagt Jens Faupel, der ein Sachverständigenbüro für Immobilienbewertung betreibt.

Scoperty: Zwei Garagen wie Wohnhaus bewertet

Sehr viel Mühe hat sich Leser Walter Kleinfeld aus Tangstedt (bei Pinneberg) gemacht, der sich in seiner Straße als langjähriger Anwohner sehr gut auskennt. In einer Übersicht listet er alle Häuser mit Grundstücksangaben auf, die er aus Gesprächen mit den Nachbarn gewonnen hat. „Die Grundstücke werden bis zu 42 Prozent kleiner geschätzt als sie tatsächlich sind“, sagt Kleinfeld. In absoluten Zahlen ist das ein Unterschied von immerhin 400 Quadratmetern. „

Alle Häuser wurden von einer Baugenossenschaft in den Jahren 1973 bis 1976 errichtet und anschließend verkauft“, sagt Kleinfeld. Bei den Wohnflächen betragen die Abweichungen nach seinen Angaben bis zu 27 Prozent. „Viele Wohnflächen werden zu groß angegeben, denn die Häuser haben alle ein Grundfläche von 99 Quadratmetern, wenn sie nicht durch einen Anbau später vergrößert wurden“, sagt Kleinfeld.

Doch bei geschätzten Immobilienpreisen zwischen 2000 und 3500 Euro pro Quadratmeter für diese Straße in Tangstedt führen auch 15 oder 20 Quadratmeter zu viel an Wohnfläche zu einer große Abweichung von bis zu 70.000 Euro beim geschätzten Verkaufspreis. Bei seinem eigenen Haus fällt die Schätzung der Wohnfläche allerdings mit 136 (Scoperty) statt 135 Quadratmeter recht präzise aus. „Dafür wird das Grundstück 178 Quadratmeter zu groß geschätzt“, sagt Kleinfeld. Es gibt zudem noch ein Kuriosum in der Straße. „Zwei Garagen stehen aneinander“, erzählt Kleinfeld. „Daraus hat Scoperty ein eigenes Grundstück gemacht und es höher bewertet als die zugehörigen Wohnhäuser.“

Scoperty stellt sich der Kritik

Doch Scoperty will sich von dieser Kritik nicht entmutigen lassen. „Wir arbeiten an der ständigen Verbesserung unseres Algorithmus zur Bewertung“, sagt Scoperty-Gründer Michael Kasch. „Dazu nutzen wir auch Daten unseres Gründungsgesellschafters Sprengnetter.“ Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten in der Immobilienbewertung aktiv und stellt seine Daten auch Banken für die Immobilienfinanzierung zur Verfügung. Geschätzt werden Baujahr, Grundstücksfläche und Wohnfläche.

„Wir verwenden nur öffentlich zugängliche Daten – und der Algorithmus ist ein selbst lernendes System“, sagt Kasch. Bei Mehrfamilienhäusern wird ein „Ab-Preis“ für lediglich eine Wohnung angegeben. Es ist jeweils der geschätzte Preis für die kleinste Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus.

„Wir bieten einen Marktplatz an und der lebt natürlich auch von der Transparenz der Teilnehmer“, sagt Kasch. „Der Eigentümer kann die Angaben korrigieren und auch zusätzliche Informationen zu seinem Grundstück liefern. Auch aus Hamburg gibt es viel positive Resonanz zu unserem Portal.“

Eigentümer können Preisschild entfernen

Gleichzeitig können Kaufinteressenten auf der Plattform Angebote abgeben und so dem Besitzer signalisieren, wie begehrt seine Immobilie ist. Scoperty hofft auch, dass vor allem in den sehr gefragten Immobilienmärkten wie Hamburg die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer steigt, wenn sie mit einem Blick den Wert ihrer Immobilie erkennen können, ohne schon einen Verkaufsprozess mit Hilfe eines Maklers zu starten.

Immobilieneigentümer, die nicht mit einem Preisschild bei Scoperty versehen werden wollen, müssen selbst aktiv werden und sich auf der Internetseite anmelden. „Wenn die Eigentümer ihre Immobilie auf ,inaktiv’ stellen, verschwindet die Preisschätzung“, sagt Kasch zum Prozedere. Doch für Kleinfeld ist dieses Vorgehen nicht akzeptabel: „Um die Daten aus dem Internetportal der Firma zu löschen, soll ich als Betroffener bei Scoperty einen Antrag stellen, in dem weitere persönliche Daten abgefragt werden.“

Die Datenschutzbeauftragten in Norddeutschland sehen das Angebot des Immobilienportals kritisch. „Keinesfalls kann man sich darauf verlassen, dass der speziell entwickelte Algorithmus des neuen Anbieters stets richtig arbeitet“, sagt Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. Ihrer Einschätzung nach, wäre es „kritisch“, wenn falsche personenbezogene Daten online stehen. „Personenbezogene Daten müssen sachlich richtig und auf dem neuesten Stand sein“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Außerdem sei die Einwilligung des Betroffenen für die Veröffentlichung erforderlich.

Bayerische Datenschützer prüfen Scoperty

Doch beide Datenschützer sind für das Münchner Unternehmen nicht zuständig. „Beschwerden, die bei uns eingehen, leiten wir an das zuständige Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht weiter“, sagt ein Sprecher der Hamburger Datenschutzbehörde. Die bayerische Behörde hat nach Angaben seines Präsidenten Thomas Kranig dem Unternehmen einen Fragebogen zugesandt. „Erst nach gründlicher Prüfung können wir uns ein Urteil bilden“, sagt Kranig dem Abendblatt. Das werde aber kurzfristig in den nächsten Wochen geschehen.

Scoperty-Chef Kasch verweist darauf, dass nur Daten aus öffentlichen Quellen verwendet werden. „Wir haben uns schon in der Vorbereitung umfassend mit dem Datenschutz beschäftigt und uns auch von externen Anwälten beraten lassen.“ Immerhin sollen im nächsten Jahr alle 40 Millionen Wohnimmobilien in Deutschland bepreist sein.