Hamburg. Wladimir Klitschko und Ralf Dümmel beraten auf der Reeperbahn Start-ups. Jury kürt beste Idee, die auch die Meyer-Werft überzeugt.
Der, auf den alle gewartet haben, kommt zu spät. 30 Minuten. Ein Stau. Doch sein Name fällt lange vor seiner Ankunft. Immer wieder. Einige reden von Ralf, andere von Dümmel. Alle meinen den gleichen: Ralf Dümmel, Geschäftsführer von DS Produkte und Investor in der TV-Sendung Höhle der Löwen. Als er schließlich um 18.33 den Mojo Club betritt, wird er sofort umringt. Viele wollen ihm die Hand schütteln, ein Selfi mit ihm machen, Kontakt knüpfen. Und sie wollen über ihre Geschäftsidee sprechen, ihr Start-up.
Denn deswegen sind sie hier: beim Reeperbahn Start-up Pitch – dem größten Treffen von Start-ups in Norddeutschland, bei dem sich mehr als 900 Teilnehmer der Branche auf der Reeperbahn zu Gesprächen und Workshops getroffen haben. In fünf so genannten Masterclasses konnten die Jungunternehmer zum Beispiel unter Anleitung von Experten des Verkaufssenders QVC lernen, wie sie ihr Produkt am besten präsentieren oder sich von Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko und seinem Team in der F.A.C.E.-Methode schulen lassen, mit der man unter anderem Willenskraft und Ausdauer trainieren kann.
Sieger fliegt zum größten Treffen der Start-up-Szene in die USA
Parallel dazu konnten sich Gründer zu den Themen Finanzierung und Förderung beraten lassen, mit Mentoren Einzelgespräche führen und ihre Ideen dem Publikum präsentieren – und um potenzielle Investoren werben. Denn das ist einer der Hauptgründe, warum das Event vor sieben Jahren ins Leben gerufen wurde: „Es gibt in unserer Stadt viele Menschen mit Geld – und viele Menschen, die innovative Ideen haben.
Doch sie finden oft nicht zueinander. Das wollen wir ändern“, sagt Sanja Stankovic, die den Reeperbahn Start-up Pitch gemeinsam mit Sina Gritzuhn initiiert hat. Die beiden haben bereits die Plattform Hamburg Start-ups gegründet und setzen sich seit Jahren für die Vernetzung von jungen Unternehmen in Norden ein. „Früher konnten sich Gründer und Investoren nur im Business Club begegnen – wir wollten eine moderne und unkomplizierte Alternative dazu schaffen“, so Sanja Stankovic. Das sei quasi die Höhle der Löwen in Hamburg.
Die Idee, Millionäre und Start-ups im Rotlichtflair zusammenzubringen, ist aufgegangen. Nachdem das Event in den ersten Jahren während des Reeperbahn Festivals stattfand, wurde es in diesem Jahr erstmals daraus gelöst und als eigenständiges Event veranstaltet. Der Höhepunkt: der Start-up Pitch – ein Wettbewerb, bei dem die Sieger eine Reise zu South by Southwest (SXSW) 2020 nach Austin (Texas) gewinnen – dem weltweit größten Treffen der Start-up-Szene mit fast 500.000 Besuchern.
In der Hamburger "Höhle der Löwen"
Gründer haben fünf Minuten für die Präsentation
Mehr als 120 Teilnehmer aus der ganzen Welt hatten sich im Vorfeld für den so genannten Pitch beworben, bei dem die Gründer ihre Geschäftsideen in fünfminütigen Vorträgen präsentieren mussten. Aus den Bewerbern hatte ein Kuratorium mit Experten, zu der auch Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) gehörte, sechs Finalisten ausgewählt. Darunter auch drei Hamburger Jungunternehmer, die am Abend im Mojo Club antraten, um die Jury von ihrer Firma zu überzeugen.
Hanna Asmussen (29) war dafür extra aus Lissabon angereist, wo sie zuvor auf der jährlichen Technologiekonferenz Web Summit ihr Firmenkonzept präsentiert hatte – vor 15.000 Zuhörern. „Unglaublich“, sei das gewesen, so die Gründerin, die mit ihrem Unternehmen Localyze eine Software für Firmen entwickelt hat, die Mitarbeiter aus dem Ausland einstellen wollen. Localyze hilft bei der Beschaffung von Visa und liefert alle wichtigen Informationen zu Kontoeröffnung, Telefonverträgen oder Kindergartenplätzen. „Im letzten Jahr war ich noch normale Teilnehmerin des Start-up-Festivals – und in diesem Jahr schon Finalistin“, so Asmussen, die sich vor dem Auftritt in der Masterclass von Klischko letzte Tipps holte.
Einer ihrer Konkurrenten aus Hamburg war Daniel Stancke (41) von JobMatchMe – einer Plattform, die Lkw-Fahrer und Spediteure zusammenbringt. Bewerber müssen einige Fragen beantworten, woraus sich ein Persönlichkeitsprofil ergibt, das die optimale Zuordnung zu einer offenen Stelle ermöglicht. „Vergleichbar mit der Partnerbörse Parship oder Tinder“, sagt Stancke.
Auf der Suche nach neuen Gründern für Höhle der Löwen
Der Unterschied: „Bei uns verliebt sich nicht alle elf Minuten ein Single – sondern alle zwölf Minuten findet jemand einen Job“, so der Gründer, der sich bewusst auf Nicht-Akademiker konzentriert, da das 75 Prozent der Arbeitnehmer seien. Mehr als 100.000 Fahrer haben sich bei ihm bereits registriert, im Schnitt kommen jeden Monat 6000 dazu. Nach dem großen Erfolg im Bereich Lkw-Fahrer will JobMatchMe Ende des Jahres auch eine Plattform für Pflegekräfte anbieten.
Obwohl der 41-jährige mit seinem Auftritt überzeugte, entschied sich die Expertenrunde schließlich für den Hamburger Lars Molter (38). Sein Start-up Hyconnect hat eine Methode entwickelt, wie Schiffe leichter gemacht werden können, in dem man die erforderlichen Materialien wie Stahl und Kunststoff in dünnen Fäden miteinander verwebt. Zu den Kunden gehört unter anderem die Meyer-Werft in Papenburg. Bis zum Schluss hatte der Gründer nicht damit gerechnet, sich im Wettbewerb gegen die anderen Start-ups durchsetzen zu können. „Da unser Produkt für die Industrie entwickelt wurde, kann man es Nicht-Ingenieuren oft schwer vermitteln und sie dafür begeistern“, so Molter.
Doch das schreckte die Jury um Astrid Quentell, Geschäftsführerin von Sony Pictures, nicht ab. Sie produziert unter anderem die VOX-Sendung Höhle der Löwen und weiß, worauf es bei Gründern ankommt. Genau wie Ralf Dümmel, der es genoss, einmal nicht in der Jury, sondern im Publikum zu sitzen. „Es war eine super Chance zum Netzwerken für Startups – aber auch Investoren“, so Dümmel. Am Dienstag wird die letzte Höhle-Folge in diesem Jahr ausgestrahlt, doch die Vorbereitungen für die kommende Staffel laufen bereits – und die Produzenten haben sich wieder auf die Suche nach Start-ups begeben.
Denn nicht alle Teilnehmer bewerben sich selbst. Viele werden auch von den Machern der Show angesprochen. Auch in Hamburg gab es die ersten Gespräche.