Hamburg. Dem Abendblatt liegt eine Kostenschätzung der HPA vor: Die neue Köhlbrandquerung wird zum Multimilliardenprojekt.
Dass die Köhlbrandbrücke ersetzt werden muss, ist bekannt. Wie viel eine neue Querung allerdings kosten würde, darüber schweigt man sich seitens des Senats aus. Wirtschaftsstaatsrat Torsten Sevecke (SPD) hatte lediglich ein einziges Mal in einer Ausschusssitzung angedeutet, dass ein Neubau mehr als eine Milliarde Euro kosten könnte – unabhängig davon, ob eine Brücke oder ein Tunnel die alte Köhlbrandbrücke ersetzt.
Dem Abendblatt liegt jetzt ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, was tatsächlich auf die Steuerzahler zukommen dürfte. Es handelt sich um eine Vorlage der für das Bauprojekt zuständigen Hamburg Port Authority (HPA) zu einer Aufsichtsratssitzung mit Senatsvertretern. Demnach wird nun nicht von mehr als einer Milliarde Euro gesprochen, sondern von mehr als zwei beziehungsweise drei Milliarden Euro.
Kostenschätzung liegt bereits seit 2018 vor
Noch in dieser Woche hat der Senat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft geantwortet, es könne noch keine Kostenschätzung vorgenommen werden. Aus dem Papier geht allerdings auch hervor, dass eine solche bereits 2018 vorlag.
So heißt es, dass nach den Vorgaben „des kostenstabilen Bauens“ folgende Summen ermittelt wurden: Demnach würde eine neue Brücke 2,51 Milliarden Euro kosten, ein Bohrtunnel unter dem Köhlbrand sogar 3,245 Milliarden Euro.
3,2 Milliarden Euro brutto – und "all inclusive"
Beide Angaben sind Bruttopreise und vor allem „all inclusive“. Denn in dem HPA-Schreiben heißt es, der Gesamtkostenrahmen beinhalte neben dem eigentlichen neuen Bauwerk auch die umfangreichen Anschlussarbeiten in Waltershof und in Neuhof, sowie den Abriss der alten Köhlbrandbrücke.
In der Aufsichtsratssitzung legte die HPA zudem dar, dass sie den Bau eines Tunnels empfiehlt, obgleich der teurer als eine Brücke würde. Unter anderem nennt sie als Grund, dass die Nutzungsdauer eines Tunnels mit 130 Jahren deutlich länger sei als die einer Brücke, die wohl 70 Jahre halten könnte.
Bis 2030 muss eine neue Köhlbrandquerung stehen
Besonders brisant ist aber der Punkt 1.5. der Aufsichtsratsvorlage, der mit dem Wort „Risiken“ überschrieben ist. Daraus geht hervor, dass Eile geboten ist, weil die Lebensdauer der Köhlbrandbrücke rasant abnimmt. Deshalb wird die Politik davor gewarnt, die Entscheidung zum Bau der neuen Köhlbrandquerung hinauszuzögern: „Durch eine Verzögerung des Projektes aufgrund ausstehender politischer Entscheidungen würde das Risiko der Leistungseinschränkung der bestehenden Brücke immens steigen.“
Was die HPA damit meint, schiebt sie gleich hinterher: „Zum Beispiel würde eine Einspurigkeit pro Richtung zu massiven Rückstaus und damit zu einem volkswirtschaftlichen Nachteil für die Hafenwirtschaft führen.“ Der Zeitpunkt, zu dem das droht, ist das Jahr 2030. Dann müsse eine neue Köhlbrandquerung im Betrieb sein.
Die betreffende Aufsichtsratssitzung war am 25. Oktober 2018 und damit vor mehr als einem Jahr. Eine Entscheidung gibt es immer noch nicht. Die zuständige Wirtschaftsbehörde begründet das so: „Für eine neue Köhlbrandquerung ist eine sorgfältige Planung in Bezug auf Infrastruktur und Finanzierung zwingend erforderlich. Schließlich ist das eine Jahrhundertentscheidung mit hoher verkehrlicher Bedeutung für ganz Deutschland“, sagte ein Behördensprecher. Hamburg und der Bund stünden in einem engen Austausch darüber, wie ein geeigneter Finanzierungsweg bestritten werden kann. Unabhängig davon treibe die HPA die Planungen weiter voran.
Schon 2012 war klar, dass neu gebaut werden muss
Zu den hohen Kosten sagte der Sprecher: „Es dürfte keine Überraschung sein, dass ein Infrastrukturprojekt von dieser Bedeutung und dieser Größe seinen Preis hat. Sowohl für die Tunnel-, als auch die Brückenvariante ist eine Summe über mehrere Milliarden Euro wahrscheinlich. Bis auf den letzten Euro lässt sich das heute allerdings noch nicht beziffern.“
Ein Kostenrahmen liege derzeit nicht in der hierfür erforderlichen Detailtiefe vor. Im Rahmen der Vorplanung werde als nächstes eine Kostenschätzung erstellt und damit die Kostenermittlung konkretisiert. Dass es teurer werden kann, steht jedenfalls schon fest: So schrieb die HPA 2018, mit jedem Jahr Verzögerung würden Mehrkosten in Höhe von 35 Millionen Euro entstehen.
Bereits 2012 hatte der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Abriss der Köhlbrandbrücke und einen Neubau angeordnet. Schon damals war klar, dass die Nutzungsdauer der Brücke 2030 abläuft. Um ihre Belastung zu senken, wurde schon 2012 ein Überholverbot für Lkw eingeführt. Zudem musste im vergangenen Jahr ein Mindestabstand für Lkw von 50 Metern angeordnet werden.
1974 ging die Köhlbrandbrücke in Betrieb
Ein Verzicht auf einen Neubau ist nach Ansicht vieler Experten nicht möglich: Die Köhlbrandbrücke ist die Verlängerung der sogenannten Haupt-Hafenroute. Sie verbindet die großen Containerterminals westlich des Köhlbrands mit den zahlreichen Lagern von Containerpackbetrieben und Hafenfirmen am östlichen Ufer. Zudem ist sie die schnellste Verbindung für den gesamten Straßenverkehr nach Osten und zur Autobahn 1. Täglich wird sie von rund 38.000 Fahrzeugen genutzt. Es wird erwartet, dass der Verkehr in den kommenden Jahren deutlich wächst.
Noch aus einem anderen Grund muss die alte Köhlbrandbrücke, die 1974 in Betrieb gegangen ist, abgerissen werden. Hinter ihr liegt das modernste Hafenterminal, das Hamburg zu bieten hat, das Containerterminal Altenwerder der HHLA. Das CTA ist aus Klimagesichtspunkten das fortschrittlichste Terminal. Dennoch ist das Terminal für viele Schiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen, unerreichbar: diese haben in ihrem Größenwachstum mittlerweile Dimensionen erreicht, mit denen sie nicht mehr unter der Köhlbrandbrücke hindurchpassen.