Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Diensten. Wir prüfen sie. Heute: Turo – Carsharing für Privatwagen.
Seit Matthias Rehberg sein Auto vermietet, hat er interessante Menschen kennengelernt. „Ein Lehrer aus Bremen wollte zum Beispiel ausprobieren, ob der Wagen für einen behinderten Freund geeignet ist“, erzählt der Hamburger. Ein anderes Mal hatte ein junger Mann es für einen Trip nach Rügen gebucht. Rehberg fährt Tesla. Als Geschäftsführer eines Unternehmens für Fotozubehör reißt er im Jahr 80.000 Kilometer ab.
Wenn er mal nicht unterwegs ist, bietet er sein Auto seit einigen Monaten auf dem privaten Carsharing-Portal Turo an – und lässt es quasi für sich arbeiten. „Es macht keinen Sinn, wenn es rumsteht“, sagt der 56-Jährige. Sechsmal hat er seinen Oberklasse-Wagen inzwischen vermietet und damit etwa 1000 Euro verdient. Es hätte auch deutlich mehr sein können, wenn Rehberg nicht selbst so viel unterwegs wäre.
300 Autos sind bei Turo in Hamburg gemeldet
Turo funktioniert im Prinzip wie Airbnb, nur dass statt Wohnraum Autos vermittelt werden. „Für die meisten Deutschen ist es erst mal abwegig, Fremden das eigene Fahrzeug zu überlassen“, sagt Marcus Riecke, der die Geschäfte des US-Start-ups zwischen Flensburg und Füssen voranbringen soll. Offenbar gibt es aber einen wachsenden Markt für das sogenannte Peer-to-Peer-Angebot, bei dem Gleichgestellte zueinanderfinden.
Weltweit sind bei Turo 10 Millionen Benutzer und 350.000 Fahrzeuge registriert. In Deutschland ist die Zahl der Wagen seit dem Start 2018 auf mehr als 4100 gestiegen. „In Hamburg haben wir 300“, sagt Geschäftsführer Riecke. Im Vergleich zum Angebot von klassischen Vermietern wie Sixt und Avis oder dem Free-Floating-Platzhirsch ShareNow (Car2go/DriveNow) noch bescheiden. Dafür bietet Turo Modelle, die sonst kaum vermietet werden. In Hamburg etwa ist das Tesla Model S besonders beliebt, direkt gefolgt vom Porsche 911.
Größte Herausforderung: Neue Vermieter
Auch wenn Carsharing ein Wachstumsmarkt ist, die Vermietung von privat an privat ist eine Nische. Der direkte Konkurrent Getaround, vormals Drivy, hat in Hamburg 200 Autos (6000 in Deutschland). Nach Angaben einer Sprecherin lag in diesem Sommer die Auslastung bei Fahrzeugen mit Getaround Connect (buchen direkt per Smartphone) bei durchschnittlich 70 Prozent. Turo macht keine Angaben über Nutzer und Auslastung. Noch arbeitet das Unternehmen nicht profitabel. Im Juli hatte der Carsharing-Anbieter, an dem Mercedes Benz beteiligt ist, bei einer Finanzierungsrunde das Kapital auf 470 Millionen US-Dollar aufgestockt. „Wir setzen auf Expansion“, sagt Riecke. Die größte Herausforderung für ihn und sein 13-köpfiges Team in Berlin: mehr Vermieter finden.
Autos müssen jünger als 15 Jahre sein
Das Prinzip ist einfach. Autobesitzer können ihr Fahrzeug per Smartphone-App auf dem Portal zu einem selbst festgelegten Tagespreis einstellen. Vorausgesetzt sie sind verkehrssicher, nicht älter als 15 Jahre und haben nicht mehr als 200.000 Kilometer auf dem Tacho. Interessierte Mieter können über die Plattform anfragen, ob der gewünschte Wagen verfügbar ist (s. Test). Die Preise liegen nach Unternehmensangaben im Schnitt ein Drittel unter denen anderer Autovermieter. Kommt der Deal zustande, erhält Turo 25 Prozent Vermittlungsgebühr. Darin enthalten ist eine Basis-Kraftfahrzeug-Versicherung (unabhängig vom Halter) und ein Pannendienst.
„Privatwagen werden im Schnitt nur eine Stunde am Tag gefahren“, wirbt Geschäftsführer Riecke für das Teilen als Geschäftsmodell. Im Schnitt, das habe eine Auswertung der Buchungen ergeben, liegt der Verdienst bei 130 Euro pro Vermietung. „Wir können ein Baustein sein, um etwa die Betriebskosten zu decken“, sagt der 53-Jährige, der sein Handwerk bei Online-Plätzen wie Ebay, StudiVZ und Nextdoor gelernt hat.
Tesla-Besitzer hat gute Erfahrungen gemacht
Tesla-Fahrer Rehberg ist von dem Sharing-Modell überzeugt. Im Schnitt 120 Euro nimmt er für sein 75.000-Euro-Auto am Tag – inklusive Strom. Die Einnahmen steckt er in die Autopflege, gönnt sich etwa von Zeit zu Zeit mal eine Innenraumreinigung. Ihm gehe es aber vor allem ums Teilen. „Anfangs hatte ich allerdings schon Bedenken, dass etwas schiefgehen könnte“, sagt der Tesla-Fahrer aus Fuhlsbüttel, der mit seinem Sendungsbewusstsein für das Luxus-E-Mobil nicht hinter dem Berg hält. Bislang habe es aber keinerlei Probleme gegeben. „Das liegt an der einfachen Handhabung des Wagens, aber auch an der Sorgfalt der Mieter“, so der 56-Jährige.
„Es geht um Vertrauen“, sagt Turo-Geschäftsführer Riecke. Dabei ist aus seiner Sicht der Kontakt zwischen Vermieter und Mieter entscheidend. Sprich: Anders als bei anderen Anbietern erfolgt die Übergabe bei Turo immer persönlich. „Teilen lohnt sich“, sagt Marcus Riecke. Das geht manchmal auch über das Geschäftliche hinaus. Vermieter Rehberg hat zum Dank auch schon mal einen Kuchen bekommen.