Hamburg. Dem europäischen Flugzeugbauer dürfte der Handelsstreit weniger schaden als dem Konkurrenten Boeing – sagen Experten.

Italienischer Parmesankäse, spanisches Olivenöl, britische Wollpullover und Airbus-Jets aus Hamburg oder Toulouse haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Allerdings stammen alle diese Güter aus Ländern der Europäischen Union (EU) – und genau das ist der Grund, warum sie zusammen mit vielen anderen Produkten aus dem EU-Raum auf einer acht Seiten langen Liste von Erzeugnissen stehen, die sich auf Anweisung des US-Präsidenten Donald Trump demnächst für amerikanische Kunden deutlich verteuern. Zum 18. Oktober werden auf die Airbus-Flieger Strafzölle von zehn Prozent fällig, bei allen anderen Importgütern auf der Liste sind es 25 Prozent.

Im Unterschied zu bisherigen Einfuhrzoll-Beschlüssen von Trump im Rahmen von Handelskonflikten beruht die jüngste Aktion aber nicht allein auf einer willkürlichen Entscheidung des Präsidenten, der vielerorts unfaire Benachteiligungen der US-Wirtschaft wittert. Sein Beschluss resultiert aus einem Schiedsspruch der Welthandelsorganisation WTO, der es Trump erlaubt, EU-Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar (6,8 Milliarden Euro) jährlich mit Einfuhrgebühren zu belegen. Der WTO-Erlass steht in Zusammenhang mit einem vor 15 Jahren begonnenen Verfahren, in dem sich die EU und die USA gegenseitig beschuldigen, den Flugzeugbauern Airbus und Boeing illegale Subventionen gewährt zu haben. Dabei ging es unter anderem um Entwicklungskredite für den doppelstöckigen A380 und um die Frage, ob der Hamburger Senat dem Airbus-Konzern Grundstücke zu lange zu vergünstigten Konditionen überlassen hat.

865 Jets im aktuellen Airbus-Orderbuch gehen an US-Airlines

Für Außenstehende muss es vor dem Hintergrund des harten Konkurrenzkampfs zwischen Airbus und Boeing so wirken, als bedeute ein zehnprozentiger Sonderzoll für die Jets der Europäer einen erheblichen Wettbewerbsnachteil auf dem US-Markt. Immerhin wurden 865 Maschinen im aktuellen Orderbuch direkt von Fluggesellschaften aus den USA in Auftrag gegeben, hinzu kommen 399 von Leasinggesellschaften mit Sitz in Nordamerika bestellte Jets – das macht einen Anteil von knapp 18 Prozent des gesamten Auftragsbestands aus.

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass es für Airbus nicht so schlimm kommen wird, wie die bloßen Zahlen befürchten lassen. Zwar wird Konzernchef Guillaume Faury in einer Stellungnahme des Unternehmens mit der Aussage zitiert, durch die Zölle könne die Luftfahrtindustrie und die gesamte Weltwirtschaft „erheblich geschädigt“ werden. Dies lasse sich jedoch noch abwenden, und Airbus hoffe auf eine „Verhandlungslösung“ zwischen der EU und den USA. In der Mitteilung gibt Airbus auch an, worauf sich diese Hoffnung gründet: Die WTO hat bereits festgestellt, dass in den USA ebenfalls illegale Subventionen – in diesem Fall an Boeing – geflossen sind. Voraussichtlich im nächsten Jahr wird die Handelsorganisation auch hierzu ihr Urteil fällen. „Dies eröffnet der Europäischen Union die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen bei US-Produkten in einer Höhe anzustrengen, die über die US-Sanktionen noch hinausgehen könnte“, heißt es dazu von Airbus.

Analysten erwarten eine Verhandlungslösung zwischen der EU und den USA

Mit dieser Einschätzung steht der Konzern nicht allein da. „Die Zölle werden Boeing mehr wehtun als Airbus“, schreiben die Analysten des Hamburger Bankhauses Berenberg, denn „für Boeing hat der europäische Absatzmarkt eine größere Bedeutung als der US-Markt für Airbus“. Die Branchenexperten von Berenberg erwarten zwar eine gütliche Einigung zwischen der EU und der US-Regierung, aber womöglich erst nachdem beide Seiten Strafzölle eingeführt haben.

Unterdessen hat die EU wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten der Sonderabgaben auf Waren aus Europa eine letzte Initiative gestartet, dies doch noch abzuwenden. In einem Brief an den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer signalisierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström den Willen der EU, den für die Zollpläne ursächlichen Streit um Sanktionen für die Flugzeugbauer fair zu lösen. „Wir sind bereit, sowohl für den Fall Airbus als auch für den Fall Boeing eine Einigung zu verhandeln (...)“, heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Airbus-Chef Faury setzt in seiner Argumentation auch auf die internationale Verflechtung der Luftfahrtindustrie. So würden Zulieferer aus den USA „nahezu 40 Prozent zur flugzeugbezogenen Beschaffung von Airbus beisteuern“. In den vorigen drei Jahren habe der Konzern für 50 Milliarden Dollar bei US-Zulieferern eingekauft „und damit 275.000 amerikanische Arbeitsplätze in 40 Bundesstaaten unterstützt“, heißt es von Airbus. Somit schädigt Trump mit Sanktionen gegen den europäischen Jet-Hersteller indirekt auch die US-Wirtschaft.

Airbus-Aktie legt nach WTO-Entscheidung zu

Zudem werden die Auswirkungen der Sonderzölleauf Airbus dadurch gemildert, dass der Flugzeugbauer ein Endmontagewerk in Mobile im US-Bundesstaat Alabama hat. Dort werden monatlich vier bis fünf Kurz- und Mittelstreckenflieger der A320-Familie aus vorgefertigten Komponenten, die in Hamburg auf den Seeweg in die USA gehen, zusammengebaut. Auf Flugzeugteile aber erhebt Trumps Handelsbeauftragter keine Sonderzölle. Angesichts der komplexen Sachlage merkt Faury an: „Airbus wird sich weiterhin gemeinsam mit seinen Partnern, Kunden und Zulieferern aus den Vereinigten Staaten dafür einsetzen, die möglichen Folgen solcher Zölle abzuwenden, die den freien Handel hemmen und nicht nur die US-Fluggesellschaften, sondern auch die Arbeitsplätze, Zulieferer und Flugreisenden in den Vereinigten Staaten negativ beeinflussen würden.“

Airbus-Aktionäre zeigten sich jedenfalls keineswegs geschockt von Trumps Strafzoll-Ankündigung. Zwar reagierte der Aktienkurs auf die Nachricht am Nachmittag des 2. Oktober unmittelbar mit einem leichten Verlust von gut einem Prozent, legte aber gleich am nächsten Handelstag um gut vier Prozent zu, nachdem mehrere Analystenhäuser ihre Einschätzungen präsentiert hatten. Airbus sei glimpflicher davongekommen als befürchtet, hieß es fast einhellig – immerhin hatte die US-Regierung bei der WTO Strafzölle auf EU-Waren von elf Milliarden Dollar beantragt.