Hamburg. In einer neuen Halle auf Finkenwerder baut der Konzern Flugzeugrümpfe um 20 bis 30 Prozent effizienter zusammen als bisher

„Luise“ und „Renate“ haben Gesellschaft bekommen: Außer den beiden Nietautomaten, die seit Juni 2018 auf der jüngsten der vier A320-Endmontagelinien in Hamburg die vordere und die hintere Rumpfhälfte fest miteinander verbinden, setzt Airbus im Werk auf Finkenwerder nun 20 weitere Roboter ein. Sie sind allerdings keine direkten „Kollegen“ des eingespielten Zweierteams mit den eher konservativ anmutenden Rufnamen, sondern arbeiten in einer weit vorgelagerten Fertigungsstufe: Die 20 Fabrikautomaten helfen im neuen Hangar 245 bei der so genannten Strukturmontage, gewissermaßen dem Rohbau von Rumpfabschnitten für die A320-Flugzeugfamilie.

Mit der neuen Produktionshalle gehe das Unternehmen den Schritt in die „nächste Ära des Flugzeugbaus“, sagte Michael Schöllhorn, Vizechef der Airbus-Ziviljetsparte, am Dienstag bei der offiziellen Vorstellung des Hangar 245. Die Digitalisierung der Fertigung sei derzeit „wohl eines der ambitioniertesten Vorhaben in der Luftfahrtindustrie“.

Im Hangar mit den strahlend weiß lackierten Stahlgerüsten und dem für eine Industriehalle auffallend sauberen Betonboden werden die per Lkw zumeist aus dem Werk Nordenham des konzerneigenen Zulieferers Premium Aerotech ankommenden Rumpfschalen unter anderem mittels autonom fahrender Transportgestelle an die Arbeitsstationen gebracht. Dort richtet man die Bauteile mit Hilfe von Laser-Entfernungsmessgeräten auf 0,2 Millimeter genau aus – und nun beginnt die Aufgabe der Roboter. An einem in sieben Achsen beweglichen Arm ist ein speziell für Airbus entwickeltes Multifunktionswerkzeug angebracht, das mehrere Arbeiten in Folge verrichtet: Die Automaten bohren pro Rumpfsegment bis zu etwa 6000 Löcher, fräsen die Vertiefungen für die flachen Nietköpfe, versehen die Niete mit einer Kittmasse zur besseren Abdichtung und treibt die Bolzen dann in die Öffnungen.

Die neue Produktionslinie ist keineswegs praktisch menschenleer

Anders als in der Automobilindustrie ist die Halle aber keineswegs praktisch menschenleer. Rund 300 Personen arbeiten dort, später sollen es bis zu 400 sein. Der Hangar 245, der bisher für das allmählich auslaufende A380-Programm genutzt und für die neue Aufgabe umgerüstet wurde, spiele aber eine wichtige Rolle für die bereits beschlossene Steigerung der Produktionsrate von derzeit nahezu 60 Flugzeugen der A320-Reihe pro Monat auf 63 Stück im Jahr 2021, sagte Schöllhorn: „Der Herstellungsprozess muss dazu schneller und effizienter werden. Wir können nicht mehr alles rein manuell tun und dabei noch wettbewerbsfähig sein.“

Zwar machte der Manager keine Angaben dazu, wie viele Arbeitsplätze von den Robotern übernommen werden. Man könne aber von einer Produktivitätssteigerung in der Größenordnung von 20 bis 30 Prozent ausgehen, hieß es. Unter dem Strich braucht Airbus für die A320-Produktionsausweitung jedoch auch künftig noch mehr Personal. Nachdem schon seit einem Jahr mehr als 1000 zusätzliche Mitarbeiter in Hamburg dafür eingestellt wurden, sucht das Unternehmen aktuell nach eigenen Angaben weiter 200 neue Beschäftigte für die Strukturmontage - also genau für den Bereich der Fertigung, in dem jetzt auch die Roboter eingesetzt werden.

Wesentlich weniger körperlich belastende Tätigkeiten als vorher

Insgesamt sind in der A320-Strukturmontage in Hamburg aktuell etwa 850 Menschen tätig, die meisten von ihnen in der „alten“ Halle, die auch weiter genutzt wird – auf absehbare Zeit ohne Roboter. Eine Produktivitätssteigerung ergibt sich im neuen Hangar 245 unter anderem daraus, dass dort die gleichen Mitarbeiter, die vorher von Hand gebohrt und die Niete eingesetzt haben, nun während der Zeit, in der der Automat dies tut, schon zu weiteren Arbeitsschritten an der Rumpfsektion übergehen können. Zudem wird hier Kleinmaterial mit einem Rohrpostsystem an die einzelnen Arbeitsplätze geschickt, was ebenfalls eine Zeitersparnis bringt.

Insgesamt sei dies die „fortschrittlichste Fertigungslinie im Konzern“, sagte André Walter, der Werksleiter am Hamburger Airbus-Standort. Mit den neuen Verfahren habe man auch die Zahl der ergonomisch ungünstigen Arbeitsplätze „drastisch reduziert“, so Walter. Das bestätigt Strukturmechaniker Nico Müller: „Wir müssen weniger knieend und über Kopf arbeiten.“

Im Hangar 245 werden alle Rümpfe für die neuen Langstrecken-Varianten des Modells A321, des längsten Typs der A320-Reihe, zusammengebaut. Die so genannten LR-Ausführungen zeichnen sich unter anderem durch Zusatztanks im Frachtraum aus und sind aufwendiger zu fertigen als die bisherigen A321-Jets für Kurz- und Mittelstrecken.

Die Produktionssteigerung beim A320 verläuft nicht reibungslos

Diese Veränderung im Produktmix sorge dafür, dass die Steigerung der monatlichen Fertigungsrate herausfordernder sei, als die bloßen Erhöhungen der Stückzahlen vermuten ließen, erklärte Schöllhorn. Eigentlich sollte die Rate von konzernweit 60 Flugzeugen der A320-Familie pro Monat bereits zur Jahresmitte realisiert worden sein. Am Dienstag hieß es, man habe diese Marke jetzt „nahezu“ erreicht.

Nachdem die Flugzeugrümpfe in der Hamburger Strukturmontage zusammengebaut wurden, folgt hier im nächsten Schritt die Ausrüstung mit der Elektrik und den Hydraulik- und Klimaleitungen, bevor die Rümpfe an die Endmontagelinien in Deutschland, Frankreich, China und den USA geliefert werden.

Auf die Frage, ob der US-Konkurrent Boeing beim Einsatz von Robotern in der Fertigung ebenso weit ist wie Airbus, wollte sich Schöllhorn nicht festlegen: „Wir wissen, dass Boeing im Hinblick auf die Digitalisierung auch sehr aktiv ist.“ Typischerweise liefere man sich in der Branche ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“.