Hamburg. Discounter verkauft nun Artikel wie Wäschetrockner, Anhänger und Betten. Konkurrent Lidl im Netzgeschäft weit vorn.

Für Aldi spielte das Internet bisher kaum eine Rolle. Natürlich gibt es eine Webseite, auf der die aktuellen Angebote des wöchentlichen Prospekts online anzuschauen sind. Im Internet bei dem Discounter einkaufen – das konnten die Kunden jedoch nicht. Das hat sich nun geändert. Vor Kurzem meldete das Unternehmen den Einstieg in das E-Commerce-Geschäft. „Wir freuen uns, dass wir unsere Kunden mit ,Aldi liefert‘ nun auch online erreichen können“, sagte Mustafa Yazici, Geschäftsführer Digital bei Aldi Nord.

Das Unternehmen vollzieht damit zwei Jahre nach der Schwester Aldi Süd den Schritt in die Onlinewelt. Auf der Internetseite von „Aldi liefert“ finden sich vor allem großvolumige Artikel: ein Wärmepumpentrockner von Medion ist für 449 Euro zu haben, ein faltbarer Pkw-Anhänger von Pongami für 1199 Euro, ein Smart-TV von Medion mit 190 Zentimeter Bildschirmdiagonale kostet 1199 Euro und ein Laptop von HP 999 Euro. „Mit dem neuen Vertriebskanal ,Aldi liefert‘ möchten wir unseren Kunden ein zusätzliches attraktives Sortiment sowie die Möglichkeit der bequemen Onlinebestellung und Anlieferung nach Hause anbieten“, sagte eine Sprecherin von Aldi Nord auf Abendblatt-Anfrage. „Aldi liefert“ sei ein zusätzlicher Service und eine Ergänzung zum stationären Handel, denn das Sortiment werde ausschließlich online und nicht im Markt verkauft.

Preisbewusste Kunden

Aber warum steigt Aldi nach vielen Jahren des Zögerns in den Onlinehandel ein? „Mit dem Onlineservice kann Aldi Nord neue Zielgruppen erschließen, für die E-Commerce bereits normal ist, aber die bisher eben in anderen Onlineshops bestellt haben“, sagt Lars Hofacker, Leiter des Forschungsbereichs E-Commerce beim Kölner Handelsinstitut EHI Retail. Zudem würden vor allem preisbewusste Kunden angesprochen, die sperrige Gegenstände erwerben wollen, die man aus der Filiale aber nur schwer mitnehmen kann.

Der Kampf um die Kunden wird für die Discounter immer härter. Vor zehn Jahren hatten Aldi, Lidl, Penny, Netto und Co. noch einen Marktanteil im Lebensmittelhandel von 46,2 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 45,6 Prozent. Die Konkurrenten Rewe und Edeka legten dagegen kräftig zu. Der Marktanteil der Supermärkte stieg von 26,6 auf 30 Prozent, derjenige der großen Supermärkte von 8,8 Prozent auf zehn Prozent. Die Geschäfte werden größer, Frischetheken wichtiger, die Einrichtung wird hochwertiger, und das Einkaufen erhält zunehmend Erlebnischarakter

Gestiegene Ansprüche der Kunden

Den gestiegenen Ansprüchen der Kunden mussten sich auch die Discounter anpassen, um nicht noch mehr Käufer zu verlieren. Das Sortiment wird erweitert, beispielsweise durch mehr Marken- oder Bioprodukte. Die Verkaufsflächen werden größer und heller. Aldi Nord kündigte vor zwei Jahren an, 5,2 Milliarden Euro in die Modernisierung aller Filialen – darunter 2300 in Deutschland – zu stecken. Der hohe finanzielle Aufwand schlägt sich aber in der Bilanz nieder. Laut „Manager Magazin“ soll das Unternehmen 2018 erstmals in Deutschland einen Verlust verbucht haben.

In der Bundesrepublik sind die Aldi-Schwestern mit zusammengerechnet 30,2 Milliarden Euro Jahresumsatz zwar noch die Nummer eins im Discountermarkt, aber Lidl holt auf. Der Erzrivale legte um 4,7 Prozent auf 24,8 Milliarden Euro zu, während Aldi Nord und Süd nur um drei Prozent wuchsen. International ist die Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl auch Kaufland gehört, ohnehin enteilt. Mit 112,7 Milliarden setzte die Gruppe fast das Doppelte von Aldi Nord und Süd um.

Im Onlinehandel hat Lidl die Nase vorn

Auch im Onlinehandel hat Lidl die Nase vorn. Mit einem E-Commerce-Umsatz von 757 Millionen Euro ist lidl.de der sechstgrößte Onlineshop in Deutschland. Trotzdem müsse der Einstieg von Aldi Nord in das stark wachsende Onlinegeschäft nicht zu spät kommen, meint Handelsexperte Hofacker. Schließlich sei in dem Bereich auch viel Geld verbrannt worden. Aldi Nord könne nun das Einkaufsverhalten seiner Kunden digital erfassen, sagt Hofacker: „So lernt Aldi die Kunden besser kennen und kann Angebote auf den jeweiligen Typ zugeschnitten ausspielen.“

Wer bei „Aldi liefert“ bestellt, kann mit Kreditkarten der Anbieter Mastercard und Visa oder per PayPal bezahlen. Die Lieferung ist ebenso wie eine mögliche Retoure kostenlos, es gibt 60 Tage lang ein Rückgaberecht. Paketware soll in der Regel innerhalb von drei Werktagen zugestellt werden, dabei wird mit mehreren Diensten zusammengearbeitet. Sollte die Ware mit einer Spedition ausgeliefert werden, werde der Kunde vorab informiert, um einen Liefertermin abzusprechen, heißt es. Die Zustellfrist kann bis zu zwei Wochen betragen.

Angebot von „Aldi liefert“ ist überschaubar

Bisher ist das Angebot von „Aldi liefert“ überschaubar. Derzeit stehen rund 25 Artikel auf der Homepage. Jeden Montag und Donnerstag kommen neue hinzu. Die Angebote sind jeweils drei Wochen erhältlich oder solange der Vorrat reicht. Das Sortiment solle nach und nach ausgebaut werden. Zu den sperrigen Artikeln wie Haushaltsgeräte könnten künftig zum Beispiel Gartenmöbel hinzukommen, hieß es. Ab 2. Oktober gibt es ein Boxspringbett für 999 Euro sowie Baby- und Kindermöbel. Der Fokus liegt auf ausgewählten Aktionsartikeln aus dem Non-Food-Bereich.

Bekannt wurde Aldi als Preisführer im Lebensmittelbereich. Im Onlinehandel setzte sich der Verkauf von Obst, Gemüse, Käse und Wurst bisher aber noch nicht durch. Der Verkauf von Lebensmitteln sei derzeit auch nicht Teil der Ausrichtung von „Aldi liefert“, sagte die Sprecherin. Aber selbstverständlich würden vor dem Hintergrund der wachsenden Digitalisierung darüber hinausgehende Möglichkeiten im E-Commerce-Bereich beobachtet. Für Handelsexperten Hofacker bietet das neue Angebot für Aldi Nord aber einen wichtigen Vorteil: „Mit dem Einstieg in das Onlinegeschäft sammelt Aldi Erfahrungen auch außerhalb des stationären Geschäfts, wenn der Onlineeinkauf von Lebensmitteln künftig einmal durchstartet.“

Wie viele Kunden auf der Onlineseite von Aldi in den ersten Wochen schon orderten, will das Unternehmen nicht mitteilen. „Generell freuen wir uns über die positive Resonanz unserer Kunden“, sagte die Sprecherin. Auf der Website prangt über einem Elektroroller von Nova Motors für 999 Euro sowie über einem Gaming-PC von Medion für den gleichen Preis in weißer Schrift auf blauem Balken der Schriftzug „Leider ausverkauft“.